Auf der Entwicklerkonferenz WWDC hat Apple bekannt gegeben, dass die Apple-Brille in Europa ab Mitte Juli 2024 in Deutschland, Frankreich und Großbritannien verfügbar ist. Fakt ist in jedem Fall, dass die neue Hardware sowohl bei Privatpersonen als auch bei Unternehmen großes Interesse geweckt hat. Viele sind gespannt, was sie an Möglichkeiten mit sich bringt. Doch so beeindruckend das Extended-Reality-Headset auch ist – Apple nennt es einen „Spatial Computer“ – es bleibt die Frage, inwieweit es sich auch im beruflichen Umfeld nutzen lässt. Handelt es sich um ein ernstzunehmendes Werkzeug, das unsere Arbeitsweise auf den Kopf stellen wird oder lediglich um eine schöne und teure Spielerei? Wir haben den Spatial Computer in den USA getestet und seine Einsatzmöglichkeiten genauer unter die Lupe genommen.
Die Apple Vision Pro beeindruckt sehr – macht aber auch nachdenklich. Denn während das Extended-Reality-Headset mit Bedienfreundlichkeit, extrem hoher Auflösung und annähernd verzögerungsfreier Bildübertragung glänzt, bringt es doch einige Herausforderungen mit sich. So hakt es an mancher Stelle etwa noch mit der Verknüpfung zwischen realer und virtueller Welt. Denn die Brille befördert den Nutzer aufgrund ihrer Größe und des massiven Gewichts in eine weitgehend isolierte Umgebung, was für die Navigation in dynamischen Bereichen wie Lager- oder Produktionshallen eher hinderlich ist. Hinzu kommt die mit zwei Stunden doch relativ überschaubare Akkulaufzeit, die den Einsatz des Spatial Computers in solchen Anwendungsfeldern zusätzlich erschwert. Dennoch ist anzunehmen, dass Apple mit seiner Extended-Reality-Hardware erfolgreicher sein wird als bisherige Player auf diesem Gebiet. Denn insbesondere in Bereichen, in denen hohe Bildqualität und verzögerungsfreie Bildübertragung unerlässlich sind, bietet die Apple Vision Pro zahlreiche Einsatzmöglichkeiten. Ein weiterer nicht zu verachtender Mehrwert ist das umfangreiche Ökosystem an Apps, das das Gerät mit sich bringt: Zu den mehreren Hundert speziell für die Apple Vision Pro entwickelten Anwendungen gesellen sich die Unmengen an bereits existierenden Apps für iPad, iPhone & Co., die sich auch mit der neuen Hardware nutzen lassen.
Diese Eigenschaften machen die Apple Vision Pro zu einem äußerst vielseitigen Werkzeug in verschiedenen Kontexten. Doch wie sieht es mit dem Einsatz im beruflichen Umfeld aus? Hat die Nutzung der Apple Vision Pro auch hier eine Zukunft? Im Folgenden werfen wir einen detaillierten Blick auf einige denkbare Einsatzszenarien in der Arbeitswelt und analysieren, wie die Extended-Reality-Brille diese Bereiche verändern könnte.
Für die Produktentwicklung eröffnet die Apple Vision Pro tatsächlich völlig neue Horizonte. Unternehmen könnten sie dafür nutzen, Prototypen ihrer Produkte zu erstellen und diese gleich in einer realistischen 3D-Umgebung zu betrachten. Dies ist besonders vorteilhaft für Anwender:innen in den Bereichen Entwicklung/Design, Ingenieurwesen und Architektur. Denn die neue Apple-Hardware ermöglicht eine Visualisierung auf höchstem Niveau. Sie rendert Konzepte und Strukturen in realistischem 3D und in vollem Maßstab, sodass sich die Entwürfe von jeder Perspektive aus besehen lassen. Und nicht nur das: Die Apple Vision Pro gestattet auch eine Zusammenarbeit über verschiedene Standorte hinweg. So ist es möglich, die Prototypen sogar von der Ferne aus zu begutachten. Änderungsvorschläge lassen sich interaktiv und vor allem im jeweiligen Kontext am Entwurf anbringen, was den Austausch und die Arbeit im Team noch weiter vereinfacht. Mehr noch: Auf diese Weise verwandelt sich jedes einfache Konstruktions- oder Design-Meeting in eine interaktive, produktive Kollaborationssitzung. Alles in allem wäre es damit möglich, Entwicklungsprozesse zu beschleunigen und kostspielige Änderungen in späten Entwicklungsstadien zu reduzieren.
Die immersiven Umgebungen der Apple Vision Pro – die Möglichkeiten, in ein Szenario einzutauchen – eignen sich ideal für Schulungen und Onboarding-Prozesse. So könnte sich die Belegschaft Arbeitsabläufe und -umgebungen interaktiv im 3D-Format simulieren lassen – und das direkt bei der Erledigung ihrer Aufgaben. In ihrem Blickfeld verfügbare Schritt-für-Schritt-Anleitungen könnten die Mitarbeitenden zudem unterstützen und ein umständliches Blättern in herkömmlichen Handbüchern oder ein Sichten von Videos überflüssig machen. Das ließe die Schulungen und Onboardings nicht nur interessanter werden, sondern vor allem auch effektiver. Ein weiterer Pluspunkt ist die Möglichkeit, via Augenbewegung, Sprachsteuerung oder einfacher Gestik auf Anleitungen und Checklisten zuzugreifen. Dies ist besonders nützlich in Umgebungen, in denen die Nutzer:innen freie Hände für die Bedienung von Equipment benötigen.
Ein konkretes Beispiel wäre etwa das Training im Gesundheitssektor oder in technischen Bereichen. So wäre es denkbar, das Headset zu nutzen, um Ärtz:innen beziehungsweise Ingenieur:innen auf bestimmte Operationen oder Fertigungsschritte zu schulen. Den Anwender:innen wird es so möglich, sich auf knifflige Eingriffe vorzubereiten.
Dass solche Schulungen keine wilden Fantasien sind, sondern bereits ernsthaft in Betracht gezogen werden, zeigen erste Beispiele in der Logistik. Hier werden derartige Brillen bereits hinsichtlich ihrer Tauglichkeit für die Ausbildung von Kranfahrer:innen getestet. Mithilfe solcher Hardware wäre es den Schulungsteilnehmer:innen möglich, praxisnahe Parcours inklusive möglicher Gefahrenbereiche zu absolvieren, jedoch ohne jeweils einer wirklichen Gefahr ausgesetzt zu sein. Ein weiterer Vorteil: Die Trainings wären in Besprechungsräumen durchführbar – ganz ohne echte Kräne. Statt diese für die Schulungen zu blockieren, könnte das Unternehmen sie weiterhin für das Tagesgeschäft nutzen – und so Kosten sparen.
Auch Reparatur- und Wartungsarbeiten kann die Apple Vision Pro auf ein neues Niveau heben. Denn sollten die Techniker:innen beim Kunden vor Ort auf Probleme stoßen und mit ihrem Latein am Ende sein, können sie bequem auf Hilfe aus der Ferne zurückgreifen. Hierzu teilen sie lediglich das zuvor per iPhone angefertigte 3-D-Modell der Maschine mit Expert:innen, die über einen AR-gestützten Video-Call zugeschaltet sind. Die Fachleute sehen die Maschine über die Extended-Reality-Brille in Echtzeit, können direkt mit den Techniker:innen vor Ort interagieren und präzise visuelle Anleitung geben, sodass sich das Problem schnell beheben lässt. Dies verbessert nicht nur den Kundenservice, sondern sorgt zudem für kürzere kostspielige Maschinenausfallzeiten.
Doch ganz gleich, um welches Anwendungsszenario es sich auch handelt: Damit der Einsatz der Extended-Reality-Brille effizient und vor allem sicher ist, gilt es, sie wie jede andere Hardware auch in die Unternehmenssysteme einzubinden. Für die IT-Abteilung heißt dies: Sie muss die neue Apple-Hardware verwalten, regelmäßig warten und gegen Sicherheitslücken absichern können, ohne den Nutzungskomfort für die Anwender:innen zu beeinträchtigen. Idealerweise lässt sich die Brille in das vorhandene Unified-Endpoint-Management-System (UEM-System) integrieren, sodass die Verwaltung für die IT standardisiert gelingt und der Aufwand überschaubar bleibt. Zwar hat Apple hierfür bereits Management-APIs in visionOS implementiert, die die Verwaltung der Apple Vision Pro in Unternehmensumgebungen unterstützen. Doch noch sind diese über einige UEM-Systeme nicht nutzbar. Hier müssen manche Anbieter also noch nachschärfen, um den Bedürfnissen der Unternehmen in Sachen „bequemes Management der Apple Vision Pro“ gerecht zu werden.
Die Apple Vision Pro hat bei der Einführung für viel Aufregung gesorgt. Sie ist sicherlich eines der leistungsstärksten Modelle ihrer Art. Doch in Summe wird deutlich, dass das Spatial Computing noch in den Kinderschuhen steckt. Apple und andere Hersteller werden mit hoher Wahrscheinlichkeit intensiv daran arbeiten, die reale und die virtuelle Welt weiter miteinander verschmelzen zu lassen. Bis einige grundlegende Herausforderungen mit zukünftigen Modellen gelöst werden, wird jedoch vermutlich noch etwas Zeit vergehen. Weitere Management-Optionen für die Apple Vision Pro – etwa über UEM-Systeme – wird es aber bestimmt schon früher geben, sodass eine Nutzung im Unternehmen immer besser möglich wird. Auch hier dürften auf der WWCD 2024 wohl Neuerungen zu erwarten sein.
Alles in allem bleibt es spannend, welche Anwendungen in Zukunft für die Apple Vision Pro verfügbar sein werden. Denn sie entscheiden ebenfalls über denkbare Einsatzszenarien. Auch wenn es momentan noch Zukunftsmusik (und mit Anschaffungskosten von voraussichtlich mehr als 4.000 EUR erst einmal eine enorme Investition) ist – die Apple Vision Pro hat das Zeug, für geschäftliche und kommerzielle Zwecke nutzbar zu werden.
ist IT-Experte und Geschäftsführer der EBF-EDV Beratung Föllmer aus Köln.
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