Deutsche Unternehmen rücken verstärkt in den Fokus von Angreifern aus dem In- und Ausland. In den vergangenen zwölf Monaten waren 81 Prozent aller Unternehmen vom Diebstahl von Daten und IT-Geräten sowie von digitaler und analoger Industriespionage oder Sabotage betroffen. Weitere 10 Prozent vermuten dies. 2023 lagen die Anteile noch bei 72 und 8 Prozent.
Zugleich ist der Schaden, der durch diese analogen und digitalen Angriffe entstand, von 205,9 Milliarden Euro um etwa 29 Prozent auf nun 266,6 Milliarden Euro gestiegen. Das sind Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die mehr als 1.000 Unternehmen quer durch alle Branchen befragt wurden.
Dabei konnten 70 Prozent der Unternehmen, die Opfer wurden, die Angriffe der organisierten Kriminalität zuordnen. Vor einem Jahr waren es erst 61 Prozent. Ausländische Geheimdienste wurden mit 20 Prozent deutlich häufiger als Täter genannt (2023: 7 Prozent).
Zur wichtigsten Ausgangsbasis für Angriffe auf die deutsche Wirtschaft hat sich der Befragung zufolge China entwickelt: 45 Prozent der betroffenen Unternehmen konnten mindestens einen Angriff in das Land zurückverfolgen (2023: 42 Prozent). Auf Platz zwei liegt Russland mit 39 Prozent (2023: 46 Prozent). Zugenommen haben zugleich Angriffe aus osteuropäischen Staaten außerhalb der EU und Russland mit 32 Prozent (2023: 25 Prozent). Rückläufig ist demgegenüber der Anteil der Angriffe aus Deutschland (20 Prozent, 2023: 29 Prozent).
„Die Bedrohungslage für die deutsche Wirtschaft verschärft sich. Die Unternehmen müssen ihre Schutzmaßnahmen weiter hochfahren. Das gilt für digitale ebenso wie klassische Angriffe, wie etwa das Abhören von Besprechungen oder den Diebstahl von physischen Dokumenten“, sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.
Eine besondere Gefahr für die Wirtschaft bilden allerdings Cyberangriffe. So sehen sich inzwischen zwei Drittel (65 Prozent) der Unternehmen durch Cyberattacken in ihrer Existenz bedroht, vor einem Jahr waren es noch 52 Prozent, 2021 sogar erst 9 Prozent. Zugleich glaubt nur die Hälfte (53 Prozent), dass ihr Unternehmen sehr gut auf Cyberangriffe vorbereitet ist.
„Die Studienergebnisse korrespondieren mit unserer Lagebewertung. Internationale Konflikte und systemische Rivalitäten prägen die Sicherheitslage im Cyberraum wie im geopolitischen Raum“, bestätigt der Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Sinan Selen und erläutert: „Die Angriffsvektoren auf die deutsche Wirtschaft haben sich verschoben. Die Verzahnung von Cyberspionage und Cybercrime hat weiter zugenommen. Und wir sehen auch eine noch engere Verbindung zwischen digitalen und analogen Angriffen. Die Angreifer verfolgen das Ziel durch passgenaues Social Engineering die Tür für klassische Spionageaktivitäten zu öffnen.“ Gleichzeitig nehme die Bedrohung durch digitale und physische Sabotage weiter zu, so Selen weiter. Sorge bereite dem Verfassungsschutz auch der starke Anstieg analoger Angriffe, darunter Sabotage von Betriebsabläufen und Anlagen.
Nachdem sich bereits im vergangenen Jahr ein deutlicher Trend hin zu digitalen Angriffen auf die deutsche Wirtschaft gezeigt hatte, nehmen digitale Attacken laut Studie 2024 nochmals zu. Zugleich steigen aber auch klassische analoge Angriffe. So waren 74 Prozent der Unternehmen von digitalem Ausspähen von Geschäftsdaten betroffen oder vermutlich betroffen, ein Plus von 4 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr.
Dabei berichten die von Datendiebstahl betroffenen Unternehmen deutlich häufiger, dass Kundendaten (62 Prozent, plus 6 Prozentpunkte), Zugangsdaten oder Passwörter (35 Prozent, plus 12 Prozentpunkte) sowie geistiges Eigentum wie Patente und Informationen aus Forschung und Entwicklung (26 Prozent, plus 9 Prozentpunkte) entwendet wurden. Am häufigsten sind weiterhin auch allgemeine Kommunikationsdaten wie E-Mails betroffen (63 Prozent, plus 1 Prozentpunkt).
Seltener geht es um Finanzdaten (19 Prozent, minus 1 Prozentpunkt) sowie Daten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (16 Prozent, minus 17 Prozentpunkte). 70 Prozent der Unternehmen berichten von digitaler Sabotage von Systemen oder Betriebsabläufen (plus 7 Prozentpunkte), 60 Prozent vom Ausspähen digitaler Kommunikation, etwa E-Mails, Messenger oder Videocalls (minus 1 Prozentpunkt).
Deutlich zugenommen haben die meisten klassisch analogen Angriffe. So war zwar der Diebstahl von IT- und Telekommunikationsgeräten, von dem 62 Prozent betroffen oder vermutlich betroffen waren, mit minus 5 Prozentpunkten leicht rückläufig. Allerdings gibt es ein Plus von 15 Prozentpunkten auf 50 Prozent beim Diebstahl von physischen Dokumenten, Mustern oder etwa Bauteilen und ein Plus von 13 Prozentpunkten auf 30 Prozent beim Abhören von Telefonaten oder Besprechungen vor Ort. Ebenfalls zugenommen – um 9 Prozentpunkte auf 26 Prozent – hat die physische Sabotage von Systemen oder Abläufen.
„Wenn ein Videocall praktisch unangreifbar verschlüsselt ist, kann die Wanze im Hotelzimmer das Mittel der Wahl sein“, so Wintergerst. „Unternehmen müssen digitale und analoge Sicherheit zusammendenken und implementieren, das gilt zum Beispiel auch bei der Absicherung von IT-Systemen vor physischer Sabotage.“
Ein mögliches Einfallstor für Angreifer sind auch die immer komplexeren Lieferketten. 13 Prozent der befragten Unternehmen wissen, dass Zulieferer in den vergangenen zwölf Monaten Opfer von Datendiebstahl, Industriespionage oder Sabotage geworden sind, bei weiteren 13 Prozent gab es einen Verdacht und 21 Prozent können dazu nichts sagen.
In 44 Prozent der befragten Unternehmen, bei denen Zulieferer betroffen oder vermutlich betroffen waren, hatten die durchgeführten oder vermuteten Attacken auf Zulieferer Auswirkungen auf das eigene Unternehmen, etwa Produktionsausfälle, Lieferengpässe oder auch Reputationsschäden. Bei 40 Prozent gab es keine Folgen, 16 Prozent wissen es nicht oder machen keine Angaben.
Zugleich sagen aber nur 37 Prozent der Unternehmen, die mit Zulieferern arbeiten, dass sie einen Notfallplan haben, wie sie auf Sicherheitsvorfälle in der Lieferkette reagieren. 33 Prozent stehen in engem Austausch mit Zulieferern, um das Risiko von Angriffen in der Lieferkette zu minimieren. Und 19 Prozent führen sogar regelmäßig Sicherheitsbewertungen bei Zulieferern durch, um das Risiko von Angriffen zu minimieren.
37 Prozent räumen ein, dass es im eigenen Unternehmen am Bewusstsein für die Risiken von Angriffen auf die Lieferkette fehlt, 13 Prozent machen sich Sorgen, dass die Zulieferer nicht dieselben Sicherheitsstandards einhalten wie das eigene Unternehmen und so zum Einfallstor für Angreifer werden könnten. „Sicherheitsmaßnahmen und insbesondere Maßnahmen zur IT-Sicherheit sind immer nur so gut wie für das schwächste Glied in der Kette. Unternehmen sollten deshalb unbedingt ihre gesamte Lieferkette in den Blick nehmen“, sagt Bitkom-Präsident Wintergerst.
Drei Viertel (75 Prozent) der befragten Unternehmen beklagen, dass die Sicherheitsbehörden machtlos gegen Cyberangriffe aus dem Ausland sind. Zugleich sehen 69 Prozent, dass sich in Folge der zahlreichen Kriege und Konflikte die Bedrohung des eigenen Unternehmens durch Cyberangriffe verschärft hat.
In Reaktion auf die zunehmend als unsicher wahrgenommene Weltlage reagieren die Unternehmen mit steigenden Ausgaben für die IT-Sicherheit. 54 Prozent haben Maßnahmen getroffen, um sich vor physischen Angriffen auf die IT-Infrastruktur zu schützen. Und 62 Prozent haben ihre IT-Sicherheitsmaßnahmen verschärft.
Der durchschnittliche Anteil der Ausgaben für IT-Sicherheit am gesamten IT-Budget der Unternehmen ist in diesem Jahr auf 17 Prozent gestiegen. 2023 waren es noch 14 Prozent, 2022 sogar nur 9 Prozent. Inzwischen wenden 4 von 10 Unternehmen (39 Prozent) 20 Prozent oder mehr ihres IT-Budgets für IT-Sicherheit auf, dies entspricht einer Forderung von Bitkom und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Weitere 38 Prozent geben 10 bis unter 20 Prozent aus, 9 Prozent nur 5 bis unter 10 Prozent und 5 Prozent sogar weniger als 5 Prozent.
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