Oracle gegen SAP: Scharmützel oder Existenzkampf?

Oracle hat einen Punktsieg errrungen. Aber angesichts einer Strafzahlung von 1,3 Milliarden Dollar geht SAP sicher in Berufung. Die Schlammschlacht geht also weiter. Und das ist wichtig für Oracle, denn der so gesund erscheinende Konzern sieht sich einigen Problemen gegenüber.

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Für Oracle-Chef Larry Ellison geht es beim Streit um SAP um mehr als eine Handvoll Dollar (Bild: Chris Duckett/ZDNet.com.au)

Oracle-Chef Larry Ellison kann sich freuen. Nein, nicht in erster Linie über die 1,3 Milliarden Dollar, die ihm die Jury des kalifornischen Bundesgerichts jetzt zugesprochen hat. Denn die sind noch lange nicht überwiesen, hat SAP doch bereits angekündigt, eine Berufung zu prüfen, die es sicherlich auch einlegen wird. Aber das Urteil ist ein weiterer Punktsieg in dem schon Jahre andauernden und für SAP allmählich sehr lästigen Gezerre um die ehemalige Tochter TomorrowNow.

SAP hat nicht nur deren Geschäft eingestellt, sondern bereits ein Fehlverhalten zugegeben, und im laufenden Verfahren hat sich CEO Bill McDermott sogar ausdrücklich bei Oracle entschuldigt. Mit der ausgesprochen hoch ausgefallenen Strafzahlung (Oracle hatte 1,7 Milliarden gefordert, SAP zuletzt etwas über 100 Millionen angeboten) erleidet SAP eine empfindliche Schlappe und wird in eine Schublade mit illegalen Filesharern und Raubkopierern gesteckt. Das tut weh.

Verbrechen oder Dienstleistung?

Denn was ist eigentlich passiert? TomorrowNow hatte Firmenkunden Support und Wartung für Software von Peoplesoft, JD Edwards und Siebel, angeboten, die inzwischen alle zu Oracle gehören. Für seine Dienstleistungen verwendete TomorrowNow – natürlich möchte man sagen – von Oracle bereitgestellte Informationen und Software. Da diese für Kunden üblicherweise auf passwortgeschützten Webseiten vorgehalten werden, wirft der US-Konzern TomorrowNow vor, sie sich in „unter Verwendung von vorgeschobenen Kundendaten für den Login“ besorgt zu haben. Die urheberrechtlich geschützte Software und die vertraulichen Informationen habe TomorrowNow nicht nur gestohlen, sondern sich sogar einen Vorrat angelegt.

Das klingt verwerflich – überträgt man es auf ein anderes Szenario, scheint es aber wenig dramatisch zu sein: Nehmen wir einmal an, ein Kunde kommt mit dem von ihm gekauften DSL-Router nicht zurecht. Und lässt den lokalen PC-Händler kommen. Dieser nimmt sich im Auftrag des Kunden der Sache an, geht auf die Website des Providers oder des Herstellers, lädt von dort eine Bedienungsanleitung und die aktuelle Firmware herunter und installiert diese auf dem Router. Anschließend speichert er Firmware und Bedienungsanleitung auf einem USB-Stick und nimmt beides, da er künftig ähnliche Fälle erwartet, mit in sein Büro.

Würden man den PC-Händler verurteilen, weil dem Provider dadurch Einnahmen entgangen sind, die er durch zahlreiche Anrufe des ratlosen Kunden auf der kostenpflichtigen Hotline gehabt hätte? Wahrscheinlich nicht. Zugegeben: Die angeblichen (muss man so sagen, da Oracle exakte Belege nicht vorgelegt hat) Einnahmeausfälle von Oracle, das Kunden ja selbst Support und Wartung anbietet, sind etwas höher. Ebenfalls zugegeben: Das Beispiel hinkt etwas, denn da SAP bereits selbst sehr früh ein Fehlverhalten eingeräumt hat, kann davon ausgegangen werden, dass irgendetwas juristisch unsauberes vorgekommen ist – falls man die Sache nicht lediglich herunterspielen wollte.

Wenn SAP in Berufung geht, worum es angesichts der enormen Höhe der Strafzahlung wahrscheinlich gar nicht herumkommt, dann geht die Schlammschlacht weiter. Und umso länger sie dauert, umso mehr wird sich in den Köpfen (zumindest der amerikanischen Kunden) der Eindruck verfestigen, dass dieser Firma aus Deutschland nicht so recht zu trauen ist. Oder, dass sie sich bei ihr vielleicht auf Dinge einlassen, die ihnen ihr Compliance-Officer später vorwirft. Dass macht das Geschäft für SAP in den USA nicht leichter – auf das es angesichts eines in vielen Bereichen gesättigten europäischen Marktes aber angewiesen ist.

Oracle: Anwalts Liebling

Dass Oracle nicht nur ein Datenbank- und Standardsoftwareanbieter, sondern auch ein wichtiger Arbeitgeber für Anwälte, ist nichts Neues. Schade für die Kunden, dass der Wettbewerb der Softwaregiganten damit aus den Entwicklungsabteilungen in die Rechts- und Marketingabteilungen verlagert wird. Und das Oracle einen langen Atem hat, zeigte sich etwa am Streit um gebrauchte Software in Deutschland: Diese wurde so lange verschleppt, dass dann, wenn der Bundesgerichtshof im Frühjahr 2011 endlich sein Urteil bekannt gibt, das auch schon fast wieder egal ist. Der Bedarf nach Software aus zweiter Hand nimmt nämlich durch den Aufschwung von Cloud Computing und Software-as-a-Service immer weiter ab.

Schließlich sollte Oracles Aggressivität im Fall TomorrowNow aber nicht nur auf die alte Feindschaft zu SAP zurückgeführt und die ehemalige Service-Tochter der Walldorfer als gute Gelegenheit für Ellison gesehen werden, dem Erzrivalen eins auszuwischen. Für Oracle geht es bei dem Verfahren vielmehr auch darum, ein Exempel zu statuieren, um sein Geschäft mit Support und Wartung zu verteidigen. Denn das wird, wie eine aktuelle Analyse zeigt angesichts der aktuellen und absehbaren Schwierigkeiten im Neugeschäft immer wichtiger.

Oracles wahre Probleme

Peter Goldmacher von Cowen&Co. hat Oracles organisches Lizenzwachstum unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist für Oracle und seine Aktionäre wenig erfreulich, kommt unter dem Strich doch heraus, dass die wirklich guten Zeiten vorbei sind. Als Gründe sieht Goldmacher, dass sich günstige Datenbanken inzwischen als ernsthafte Alternative zu den Oracle-Produkten etabliert haben. Diese werden von den ganz großen Kunden zwar noch nicht für die sogenannten Mission-Critical-Workloads eingesetzt, aber für immer mehr anderes – wodurch das Interesse an neuen Oracle-Lizenzen dramatisch abnimmt.

Ähnlich sieht es bei der Unternehmensoftware im Oracle-Portfolio aus: Den Highend-ERP-Markt hält Goldmacher für gesättigt, andere Bereiche wie CRM, Personalwirtschaft und Supply Chain Management rissen neue, aufstrebende SaaS-Player an sich. Dazu kommt laut Goldmacher eine mögliche Unterbrechung im Geschäft mit neuen Lizenzen, bis Oracle die angekündigten Fusion-Produkte auch wirklich im Markt platzieren kann.

Insgesamt zeigt Goldmachers Analyse, wie abhängig Oracle von den Einnahmen durch Wartung und Support ist. Damit steht der Konzern im Konzert seiner Wettbewerber nicht alleine da, wie der Streit zwischen SAP und seinen Anwendern um Wartungsgebühren gezeigt hat. Aber da es im Gegensatz zu SAP bei Oracle noch keine ernsthaften Schwierigkeiten gegeben hat, hinken die Amerikaner in der geistigen Auseinandersetzung mit dem Thema hinterher.

Noch, so Goldmacher in seinem Fazit, sei Oracle weit davon entfernt, den Punkt zu erreichen, an dem der rückläufige Lizenzverkauf nicht durch die Einnahmen aus Wartung und Support aufgefangen wird. Aber die Rahmenbedingungen sind klar: Für Oracle läuft es gut, solange ausreichend Neulizenzen verkauft werden, um auslaufende Wartungsverträge zu kompensieren und solange sich die Gebühren erhöhen lassen. Da das aber immer schwieriger wird, muss Oracle Veränderungen im Wartungsgeschäft mit aller Macht verhindern.

Bei TomorrowNow hat das funktioniert – auch wegen der Verflechtung des Unternehmens mit SAP. In anderen Fällen wird das schwieriger werden. Da kommt das Urteil des kalifornischen Bezirksgerichts gerade recht, um neue Drohszenarien aufzubauen. So gesehen müssen alle Oracle-Kunden hoffen, dass SAP tatsächlich in die Berufung geht und den Walldorfern dann die Daumen drücken. Umso weitgehender das Urteil revidiert wird, umso besser für alle Alternativen Anbieter, umso besser für den Wettbewerb und umso wahrscheinlicher wird es, dass Wartung und Support von Oracle auch für sie günstiger werden.

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