Der Sommer neigt sich dem Ende zu, die SAP TechEd in Las Vegas ist gerade vorbei, zwei weitere SAP Sapphire/TechEd-Konferenzen in Madrid und Bejing stehen kurz bevor. Ein guter Zeitpunkt für mich, kurz inne zu halten und meine Gedanken zu ordnen. In den letzten Wochen ereignete sich einiges in der IT-Welt. Ich denke, diese Ereignisse sind gleichermaßen ein Signal für die tiefgreifenden Veränderungen, die sich derzeit vollziehen, als auch für die wunderbare Dauerhaftigkeit des steten Wandels im Leben.
Da ist zunächst die Übernahme des Mobilitätsgeschäfts von Motorola durch Google. Meiner Einschätzung nach ist dies ein Zeichen dafür, dass Google jetzt eine „Open+1“-Strategie verfolgt: Mit „Open“ ist offene Hardware für jeden Gerätehersteller mit einer Android-Plattform gemeint. Und „+1“ steht für das eigene Gerät von Google, in dem alles für den Endanwender definiert und bereitgestellt werden kann. Wie mir mein Freund Padma, der die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Motorola leitete, kürzlich bei einem gemeinsamen Abendessen sagte, brauchen Endanwender sowohl ein passendes Produkterlebnis als auch eine tolle mobile Betriebssystemplattform.
Vishal Sikka, der Autor dieses Beitrags für ZDNet, ist im SAP-Vorstand für Innovation & Technologie zuständig (Bild: SAP).
Dann gab Steve Jobs, wohl der führende Designer und Visionär unserer Zeit, seinen Rücktritt als Vorstandschef von Apple bekannt. Steve, ein langjähriger strategischer Kunde und Partner von SAP sowie Freund des SAP-Aufsichtsratsvorsitzenden Hasso Plattner, hat in der Vergangenheit mehr getan als wohl jeder andere, um den Produkten, die wir einsetzen, ein schönes Design mit gleichzeitig hohem Nutzwert zu geben. Unter Steves Führung hat Apple unser Produkterlebnis vollkommen neu definiert: Mit der Einbindung von Endanwendern und der Erhöhung des Spaßfaktors hat er unsere Arbeit und uns mehrere Quantensprünge vorangebracht.
Fast zeitgleich kündigte auch Hewlett-Packard, lange eine Ikone in unserer Branche, eine grundlegende Neuausrichtung seiner Strategie an: HP plant, sein Touchpad und andere mobile Geräte und Betriebssysteme, sein „Personal Systems“-Geschäft, vorwiegend bekannt für PCs, Notebooks und so weiter, zu verkaufen. Das ist auch für die Sparte vorgesehen, die immer noch die legendären Taschenrechner und andere elektronische Geräte produziert. Dieser Bereich stand lange für HP. Er wurde zur Basis des Silicon Valley und des Elektronikzeitalters – zu dessen Geburt HP vielleicht mehr als jedes andere Unternehmen der Branche beigetragen hat. Stattdessen kauft sich HP mit jetzt mit Übernahmen wie vor kurzem der von Vertica und nun von Autonomy in das Softwaregeschäft mit Plattformtechnologien ein. Und vor wenigen Tagen ernannte HP Meg Whitman als neuen CEO.
Die Unvermeidbarkeit des Wandels
Wirklich außergewöhnliche letzte Wochen und turbulente Zeiten in der IT-Branche. Aber was passiert hier eigentlich wirklich? Natürlich ist da die Unvermeidbarkeit des Wandels. Wir alle wissen: Nichts ist so konstant wie die Veränderung. Wie ich es schon vor drei Jahren zum Thema „Timeless Software“ gesagt habe, hat alles, sei es in der echten oder in der digitalen Welt, einen „Zeitstempel“, eine Lebenserwartung. Alles muss sich dementsprechend mehr oder weniger wandeln und weiterentwickeln.
Aber das ist noch nicht alles: Wir stecken mitten in einem tiefgreifenden und grundlegenden Wandel. Wir sind Zeugen einer umfassenden Vereinfachung. Die Zeichen stehen auf Erneuerung und Umgestaltung der IT-Welt, der Geschäftswelt und unserer Gesellschaft insgesamt.
Für mich ist klar, dass diese Erneuerung von Technologie angeführt wird. Einige mögen vielleicht sagen, dass die Erwartungen der Verbraucher diesen Wandel herbeigeführt haben. Meiner Meinung nach haben aber die Verbraucher gar nicht gewusst, was möglich ist, bis ihnen Unternehmen wie Apple und Google sozusagen die Augen geöffnet haben. Seitdem sind die Erwartungen der Anwender – der privaten Nutzer und der Anwender in Unternehmen – in die Höhe geschossen. Auch die Erwartungen daran, wie Technologie Unternehmen zu besseren Abläufen verhelfen kann, haben zugenommen – sei es von Unternehmenschefs als auch von Endanwendern in Geschäftsbereichen.
Die große Herausforderung im Hinblick auf die Daten ist kein Datenproblem, das die IT-Abteilung zu lösen hat. Sie besteht darin, dass jeder – vom Vorstandschef bis zum normalen Nutzer – die Vorgänge in seinem Unternehmen bis ins kleinste Detail verstehen, analysieren und bearbeiten können möchte, um dann entsprechend zu handeln. Die Ebenen, die zwischen den Nutzern und den Daten liegen, verschwinden. Die Interaktion mit Daten vollzieht sich direkt und in Echtzeit, mit einfachen und nahtlosen Interaktionsparadigmen.
Vishal Sikka während seiner Keynote bei der SAP TechEd in Las Vegas im September (Bild: SAP).
Auch die Art und Weise, in der Menschen miteinander kommunizieren, hat sich geändert: Die Verbindung findet direkt, unmittelbar, virtuell, in Gruppen und ohne die herkömmlichen Strukturen statt, die alles verlangsamen. Dadurch sind Menschen nun in der Lage, sich zu organisieren, zu debattieren, sich eine gemeinsame Meinung zu bilden – wie radikal diese hin und wieder auch immer sein mag – und sich für ihre gemeinsame Überzeugung stark zu machen. Und sie können sich sogar zahlenmäßig so mobilisieren, dass dadurch Regierungen gestürzt werden.
Durch diesen Kreislauf der Vernetzung, der die Grenzen verschwinden lässt, können Endanwender zunehmend ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Als Folge wollen sie noch mehr Möglichkeiten und fordern von uns ein noch besseres Produkterlebnis – eine Herausforderung für uns, noch bessere Vernetzungsmöglichkeiten für sie zu schaffen. In vielerlei Hinsicht gibt es diesen Kreislauf schon seit langem, seit der industriellen Revolution oder vielleicht sogar seit der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg. Jetzt wird er aber überdeutlich. Wir haben bessere Möglichkeiten als jemals zuvor – mit Produkten, die einfach zu benutzen, die schön und gleichzeitig leistungsstark sind.
Die IT-Branche muss ich erneuern
Dieser Wandel zwingt die IT-Branche zur Erneuerung. Den Anfang nimmt diese Erneuerung bei der Hardware: Grundlegende Fortschritte bei der Hardware, sowohl technologischer als auch wirtschaftlicher Art, zeichnen sich ab. Meiner Einschätzung nach ist das der Grund dafür, warum sich viele Geschäftsstrategien führender Hardwareanbieter derzeit ändern. Eine einzige auf SSDs basierende Maschine mit 80 Cores und 2 Terabyte Speicherkapazität kann die umfassenden Datenanforderungen von Unternehmen abdecken. Eine Cloud aus solchen Maschinen kann die ganze Welt in Echtzeit für den Handel vernetzen.
Diese Neuheiten bei der Hardware ziehen auch Neuerungen bei der Software nach sich. Besonders betrifft dies die relationale Datenbank, die derzeitige Verkörperung dessen, was vor über 20 Jahren entwickelt wurde. Ich habe das schon früher gesagt, aber jetzt wird es meiner Meinung nach ganz deutlich: SAP HANA trägt dazu bei, das Konzept der Datenbank grundlegend zu überdenken. Erst vor kurzem hat man mir erzählt, dass wir auf einem Cluster aus vier Maschinen mit jeweils 32 Cores 200 parallele Nutzer bedienen können, die eine komplexe SQL-Query aus 800 Millionen Datensätzen durchführen. Die durchschnittliche Antwortzeit beträgt 450 Millisekunden – jeweils pro Nutzer!
Aber über die Datenbank hinaus führt diese Technologie dazu, dass das ganze Paradigma des Informationsmanagements zu überdenken ist. Autonomy sowie Verity, das von Autonomy vor ein paar Jahren übernommen wurde, war in den 90er Jahren ein Pionier der Textsuche. Das ebenfalls von HP gekaufte Vertica befasste sich mit einer diskbasierten, spaltenorientierten Speicherung. Beides sind von Grund auf unterschiedliche Paradigmen für das Management strukturierter und unstrukturierter Informationen.
Wie SAP sich aufstellt
Die Such- und Datenbanktechnologie entwickelt sich genau in die gegensätzliche Richtung. SAP HANA verbindet im Wesentlichen eine massive parallele, spaltenorientierte Datenhaltung im Hauptspeicher mit verschiedenen Datenverarbeitungsmaschinen, die SQL, Text und NoSQL-Zugriff einheitlich verarbeiten – mit dem gleichen SQL-Ausdruck und atemberaubender Geschwindigkeit. Ähnlich kombinieren die sogenannten NoSQL-Konzepte Text und strukturierte Datenverarbeitung auf einer Grundlage. Zu ihnen gehören zum Beispiel die Hadoop- oder MapReduce-Programmiermodelle auf verteilen Dateisystemen und Key-Value-Stores, die zum ersten Mal von modernen Suchmaschinen wie Google eingesetzt wurden.
Meiner Meinung nach ist das die richtige Richtung, auch wenn ich mit NoSQL überhaupt nicht einverstanden bin. SQL ist eine tolle, deklarative und zeitlose Ausdrucksweise für die Query-Absicht eines Nutzers, ist unabhängig von den Optimierungen der verschiedenen Technologiewellen und wird von Millionen Programmierern weltweit eingesetzt. Aber damit schweife ich ab …
Im Gegensatz zu bisherigen Konzepten, bei denen strukturierte und unstrukturierte Daten unterschiedlich behandelt wurden – wie bei OLTP und OLAP – kann die neugestaltete Software auf moderner Hardware diese beiden Paradigmen zusammenbringen. Und das auf eine Art und Weise, die alles grundlegend vereinfacht, sich mit der immer besseren Technologie weiterentwickelt und Endanwender in die Lage versetzt, mit Daten, sei es strukturierten oder unstrukturierten, einheitlich und kohärent zu interagieren und zu kommunizieren.
Vishal Sikka während seines Vortrags anlässlich der Sapphire Now in Orlando im Mai dieses Jahres (Bild: SAP).
Wir bei SAP beobachten eine Erneuerung der Softwarebranche. Die gute Nachricht aus unserer Sicht dabei ist, dass wir uns auf diese Erneuerung konzentrieren, in meinem Fall seit rund zwei Jahren. Mit einer Appliance bekommen Kunden auch ein unglaubliches Produkterlebnis, das den hohen Erwartungen entspricht, von denen ich vorher gesprochen habe. Beispielsweise können Maschinen jetzt miteinander und mit den Backend-Systemen kommunizieren, bei ihrer Wartung mithelfen und Unternehmen bei einer besseren Terminierung ihrer Serviceläufe unterstützen.
Die neuen Möglichkeiten
Prognosen im Handel und Berechnungen von Incentives für Kunden lassen sich tausendmal schneller abwickeln. Konsumgüterhersteller können Produkte in Echtzeit planen und zuteilen. Produkte können über viele Milliarden von Einträgen unmittelbar verfolgt werden. Unternehmen sind in der Lage, jederzeit ihren Finanzabschluss dynamisch zu erstellen. Sie sparen dadurch Tage mühevoller Arbeit und werden viel flexibler. Dienstleister haben jetzt die Möglichkeit, die Marge für kurz- und langfristige Implementierungsprojekte zu berechnen und vorherzusagen. Ein Versorgungsunternehmen kann Smart-Meter-Daten in Echtzeit auswerten. Und das ist erst der Anfang.
In allen diesen Szenarien stellt SAP HANA direkte Verbindungen zwischen Menschen, Unternehmen, Daten und Maschinen her und führt dazu, dass unnötige Grenzen oder Schritte verschwinden und alles einfach abgewickelt werden kann. Gleichzeitig eröffnet SAP HANA neue Horizonte und sorgt unterbrechungsfrei für eine Vereinfachung der bestehenden komplexen Ebenen.
Und nicht zuletzt gibt es auch eine Erneuerung, die mir persönlich sehr wichtig ist: Die Erneuerung, die innerhalb von SAP stattfindet. Auch das wurde durch SAP HANA ausgelöst. Durch die Appliance sind neue Arbeitsmethoden, neue Denkmodelle und neue Wege der Softwareentwicklung innerhalb von SAP möglich geworden. Dies alles hat zu wirklich spannenden Produktinnovationen geführt, an denen wir arbeiten, und zu Strategien, über die wir nachdenken. Alle Produkte von SAP werden sich mit der Zeit ändern, seien es unsere Technologieprodukte, unsere bestehenden Anwendungen, die wir jetzt stückweise und unterbrechungsfrei erneuern. Zudem entstehen vollkommen neue Anwendungen, die vorher nicht möglich waren. Und mit dieser Erneuerung unserer Produkte geht auch eine Erneuerung unseres Unternehmens einher.
Vishal Sikka ...
... ist als Mitglied des SAP-Vorstandes zuständig für Innovation & Technologie.
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