Bundestag hebt „Zensursula-Gesetz“ endgültig auf

Urspünglich war das 2009 beschlossene Zugangserschwerungsgesetz, das auch Websperren vorsah, bis 2013 befristet. Statt sie zu sperren, sollen kinderpornografische Inhalte künftig direkt gelöscht werden. Dieses Verfahren hat sich in Tests bewährt.

Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstagabend mit den Stimmen aller Fraktionen das umstrittene Zugangserschwerungsgesetz vorzeitig aufgehoben (PDF). Die ursprünglich bis 2013 befristete Regelung, die im Kampf gegen Kinderpornografie auch Internetsperren vorsah, ist damit endgültig vom Tisch.

Die große Koalition aus CDU und SPD hatte das Zugangserschwerungsgesetz im Juni 2009 beschlossen. Als treibende Kraft galt die heutige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), weshalb das Gesetz auch als „Zensursula-Gesetz“ tituliert wurde. Besucher einer gesperrten Website sollten auf eine Seite mit einem großen Stoppschild umgeleitet werden. Kritiker des Gesetzes sahen darin von Anfang an einen Versuch, in Deutschland eine Infrastruktur für eine Zensur des Webs aufzubauen. Viele Nutzer protestierten. Die Bürgerrechtler des AK Zensur reichten Verfassungsbeschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde. Eine Online-Petition gegen das Gesetz wurde von 134.000 Menschen unterzeichnet.

Mit solchen Warnhinweisen versuchte die Bundesregierung, den Zugriff auf kinderpornografisches Material einzudämmen (Bild: BKA).
Mit solchen Warnhinweisen versuchte die Bundesregierung, den Zugriff auf kinderpornografisches Material einzudämmen (Bild: BKA).

Union und FDP vereinbarten im Oktober 2009 in ihrem Koalitionsvertrag, die Sperren zunächst nicht anzuwenden und ein Jahr lang das Löschen von Seiten zu testen, um anschließend über das weitere Vorgehen zu entscheiden. De facto wurde das Gesetz jedoch nie angewendet. So wies das Bundesinnenministerium das Bundeskriminalamt an, keine Sperrlisten zu erstellen. „Selbstregulierung und Transparenz statt einer hochproblematischen Sperr-Infrastruktur sind für uns die richtige Antwort“, sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) jetzt nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa. Die künftige Strategie laute „Löschen statt Sperren“. Eine Löschung im Ausland dauere nur wenige Tage, in Deutschland einige Stunden.

Die Gegner des Zugangserschwerungsgesetzes begrüßten das Aus. Die Piratenpartei wertete es als Erfolg des Widerstands, den sie „gemeinsam mit der netzpolitischen Opposition gegen die Einführung einer Zensurinfrastruktur in Deutschland“ geleistet habe. „Dass es trotzdem zwei Jahre braucht, um ein derart gefährliches Gesetz wieder aus unserem Recht zu streichen, ist mir unverständlich“, sagte Sebastian Nerz, Bundesvorsitzender der Piratenpartei. „Dennoch ist die Aufhebung ein Zeichen dafür, dass sich der Einsatz für Bürgerrechte lohnt.“

Der technische Sachverstand und die Einsicht, dass illegale Inhalte an der Quelle gelöscht werden können, habe sich zum Glück doch noch durchgesetzt, so Nerz. Leider habe sich die EU-Kommission dieser Erkenntnis bisher jedoch verweigert. In der EU-Richtlinie zur Bekämpfung der Kinderpornografie würden die Internetsperren immer noch als mögliches Mittel genannt. EU-Kommissarin Cecilia Malmström habe sogar darauf gedrängt, die Sperren EU-weit verpflichtend einzuführen. Die Piratenpartei werde sich nicht zurücklehnen, sondern den Widerstand auf europäischer Ebene fortsetzen.

„Wir danken allen Mitstreitern: It’s done!“, hieß es vom AK Zensur. Die Bürgerrechtler kündigten an, wachsam zu bleiben und bekräftigten ihre Forderung, ein Verbot von Internetsperren in der Verfassung zu verankern.

Es gebe immer wieder politische Bestrebungen, die Internetzensur durch die Hintertür einzuführen, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Lutz Knopek. „Als im Frühjahr Gespräche zwischen den Ministerpräsidenten zur Regelung des Glücksspielstaatsvertrages stattfanden, hatten Ländervertreter von Union und SPD ganz konkret überlegt, Internetsperren für Online-Sportwetten und -Casinospiele einzuführen. Diese Überlegungen sind glücklicherweise vom Tisch.“

Vom Verband der deutschen Internetwirtschaft eco hieß es, man befürworte das Ende des Zugangserschwerungsgesetzes „außerordentlich“. Experten hätten die Nutzlosigkeit und die riskanten Nebeneffekte von Internetsperren aufgezeigt. „Das parlamentarische Verfahren hat sich lange hingezogen. Mit diesem Beschluss hat die Politik nun jedoch deutlich gemacht, dass das Löschen dieser illegalen Inhalte der einzig richtige Weg ist“, sagte Oliver Süme, eco-Vorstand für Recht, Regulierung und Politik. Die Internetbranche habe sich seit Jahren für die Verbesserung der Löschung eingesetzt. Hierzu gehöre neben der Sicherung der Beweise für die Strafverfolgung die internationale Zusammenarbeit. „Inzwischen bekommen wir illegale Inhalte in wenigen Tagen aus dem Netz“, so Süme.

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