Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) Yves Bot vertritt die Meinung, dass heruntergeladene Software durchaus weiterverkauft werden kann. Das schreibt er in einer Vorabentscheidung im Fall Usedsoft gegen Oracle, um die der Bundesgerichtshof (BGH) ersucht hatte.
Oracle klagt gegen Usedsoft, weil dieses von Oracle-Kunden erworbene Lizenzen seit 2005 weiterverkauft. Die Rechtmäßigkeit der Verkäufe sollten notarielle Beglaubigungen belegen: Darin war vermerkt, dass Usedsoft sowohl der Lieferschein als auch eine Bestätigung des ursprünglichen Lizenznehmers vorlägen, dass dieser der rechtmäßige Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr nutze und den Kaufpreis vollständig bezahlt habe.
Zentrales Problem des Rechtsstreits ist der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz, der einem Rechteinhaber die Mitsprache bei einem eventuellen Weiterverkauf untersagt. Oracle argumentiert im Gegenzug, es verkaufe seine Software gar nicht, sondern gestatte mit den Lizenzen nur deren Nutzung. Deshalb seien seine Nutzungsbedingungen bindend.
Bots Vorabentscheidung ist nicht bindend, dürfte aber das abschließende Urteil des Bundesgerichtshofs maßgeblich beeinflussen. Sie trifft die Argumentationen beider Seiten an empfindlicher Stelle: Usedsoft widerspricht Bot in dem Punkt, dass die Kunden die Software kopieren und nicht etwa gebraucht nutzen. Das mache eine Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes unmöglich. Und Oracle kann nach seiner Auffassung seine Software entweder verkaufen oder vermieten, aber wenn sie zum permanenten Gebrauch als Download angeboten wird, müsse es sich um einen Verkauf handeln. „Die Überlassung der Kopie eines Programms in der Union, in jeder Form und mit jedem Mittel, zur unbefristeten Verwendung gegen Zahlung eines Pauschalentgelts stellt nämlich einen Verkauf […] dar.“
Den Erschöpfungsgrundsatz hält Bot zwar für auf die Verteilung von Software, nicht aber auf die Duplizierung von Software anwendbar. Er schließt, dass „der Grundsatz der Erschöpfung ausschließlich die Verbreitung einer Programmkopie betrifft und am Vervielfältigungsrecht, in das nicht eingegriffen werden darf, ohne das Urheberrecht in seinem Kern zu verändern, nichts ändern kann.“
Oracle hatte vor deutschen Gerichten mehrfach Recht bekommen, bevor der BGH in der jüngsten Revision den EuGH anrief. Unter anderem erwirkte der US-Konzern gegen Usedsoft eine einstweilige Verfügung, den Wiederverkauf von Oracle-Lizenzen zu unterlassen. Die Usedsoft GmbH wird in dem Verfahren durch ihren Insolvenzverwalter Axel W. Bierbach vertreten.
Über den Schlussantrag des Generalanwalts müssen nun die EuGH-Richter befinden. Dies wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2012 geschehen. In der Regel folgen die Richter jedoch den Schlussanträgen des Generalanwalts. Anschließend befasst sich dann der Bundesgerichtshof unter Berücksichtigung der Auslegung des EU-Gerichts noch einmal mit dem Fall.
Usedsoft-Geschäftsführer Peter Schneider ist dennoch bereits jetzt zuversichtlich: „Die Tür für den Gebrauchtsoftware-Handel ist damit in der gesamten Europäischen Union weit offen“, kommentierte er Bots Schlussantrag. „Ich bin zuversichtlich, dass sich der Europäische Gerichtshof und der Bundesgerichtshof diesem Votum anschließen werden und dann in Kürze endlich absolute Rechtssicherheit auf dem Markt für Gebraucht-Software herrschen wird.“
[mit Material von David Meyer, ZDNet.co.uk]
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