Die Beteiligung des World Wide Web Consortium (W3C) am Standardisierungsprozess von HTML 5 sorgt für Streit, heftige Diskussionen und zwei voneinander abweichende Entwürfe. Der zweite Entwurf stammt von der Web Hypertext Application Working Group, kurz WHATWG, die die Fundamente von HTML 5 in den Jahren erarbeitet hat, in denen sich das W3C nicht um den Hypertext-Standard kümmern wollte.
Beide Entwürfe basieren zwar auf einer Basis, weichen aber in einigen Details voneinander ab. Sie müssen nun um jeden Preis zusammengeführt werden, um Web-Entwicklern Probleme mit unterschiedlichen Standards wie zur Blütezeit des IE6 zu ersparen. Offensichtliches Zeichen des Streits: Auf Mailinglisten wie der des W3C tauchen vermehrt Adjektive wie „kindisch„, „unerträglich“ und „lächerlich“ auf.
Zu den bekanntesten Elementen von HTML 5 gehört der <video>-Tag, der er ermöglicht, ohne Plug-in wie Adobe Flash Filme einzubetten und abzuspielen. Hier läuft noch die Codec-Diskussion. Als wichtige Elemente gelten aber auch Canvas für 2D-Grafiken und Geolokalisierung von Websites – zwei Features, die dem aktuellen W3C-Entwurf fehlen.
Ian Hickson, der an beiden Entwürfen beteiligt ist, nennt die Unterschiede „aus praktischer Perspektive trivial“. So sehe einer ein Ping-Feature vor, das es Website-Betreibern ermöglichen würde, Klicks zu verfolgen, ohne eine Übergangsseite nutzen zu müssen. Und Microdata, das sind nur für Computer lesbare Tags in Webseiten, konkurrieren mit RDFa. Dennoch plädiert Hickson nicht für Einheitlichkeit um jeden Preis: „Ich schätze technische Verdienste sogar noch höher als Konvergenz“, sagte er letzte Woche in einer Diskussion.
Hickson gehört zu den Gründungsmitgliedern der WHATWG. Er ist von Google angestellt, argumentiert aber eigenständig. Kürzlich kritisierte er eine Stellungnahme der W3C wie folgt: „Das sind die unpräzisesten, unverbindlichsten und unverständlichsten Argumente, die mir begegnet sind, seit ich an Spezifikationen arbeite.“ Diese Äußerung zog eine Entgegnung von Sam Ruby nach sich, einem im W3C aktiven IBM-Angestellten. Ruby unterstellte, viele Entscheidungen der WHATWG basierten nur auf Hicksons persönlichen Präferenzen und seien nicht vernünftig begründet.
Auf Vermittlung anderer Mitglieder der beiden Gremien wurde die Debatte beigelegt, aber vergangenes Wochenende kam es zu einem weiteren Zusammenstoß zwischen Hickson und Ruby. Diesmal ging es um Browser-Plug-ins. Hickson gilt zum einen als Reizfigur, andererseits auch als unermüdlicher Antreiber und Arbeiter, der beispielsweise die 620 E-Mails umfassenden Diskussionen zu mathematischen Texten und skalierbaren Vektorgrafiken zu einem Aufsatz mit 23.000 Wörtern zusammengefasst hat.
Mike Shaver von Mozilla vermutet politische Gründe hinter den Streitigkeiten. Schließlich habe jede beteiligte Organisation, auch Mozilla, eigene Pläne. Er würde sich in dieser Hinsicht mehr Transparenz wünschen, sagte er. „Wenn Microsoft einige Dinge implementiert, ist das ein paar Kompromisse wert.“
Hickson fürchtet, dass letztlich die Browser-Programmierer das letzte Wort haben werden. „Das ist die traurige Realität, wenn man an Standards arbeitet.“ Firefox wird bereits mit einem HTML-5-Parser versehen, und auch in der jüngsten Beta von Google Chrome stecken Ansätze eines eigenen HTML-5-Parsers.
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