Internetzensur: Junge Union rebelliert gegen die CDU

Die Junge Union (JU) rebelliert beim Thema Internetzensur offen gegen die Mutterpartei CDU. Das ist erstaunlich. Schließlich ist man gewohnt, dass die CDU-Parteijugend in ihren Veröffentlichungen auf einer Linie mit der eigenen Parteiführung ist - und nicht mit der Piratenpartei.

Die Junge Union (JU) rebelliert beim Thema Internetzensur offen gegen die Mutterpartei CDU. Das ist erstaunlich. Schließlich ist man gewohnt, dass die CDU-Parteijugend in ihren Veröffentlichungen auf einer Linie mit der eigenen Parteiführung ist – und nicht mit der Piratenpartei.

In einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung ist allerdings zu lesen: „Über die Defizite von Internetsperren ist bereits in den vergangenen Monaten umfassend diskutiert worden – das Ergebnis ist eindeutig: Sperrungen sind nutzlos, kontraproduktiv und zudem relativ leicht zu umgehen. Insofern ist die nun wieder entflammte Debatte auf EU-Ebene, aber auch in Deutschland über die mögliche Einführung solcher Sperren unverständlich und überflüssig.“

Weiter heißt es: „Durch das bloße Sperren derartiger Seiten wären die Inhalte nach wie vor im Netz. Beim Vorgehen gegen Datendiebstahl durch ‚Phishing-E-Mails‘ zeigt sich hingegen mit Erfolg, dass die Löschung illegaler Inhalte schnell, unkompliziert und vor allem sehr wirksam erfolgen kann.“

Der Mehrheit der altgedienten Parteimitglieder wird das nicht gefallen. Erst am Dienstag erklärte Innenminister Thomas de Maizière in einem Interview mit der taz, dass man auf Websperren nicht verzichten wolle. Er stellte sich damit offen gegen seine Kabinettskollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die den Entwurf für ein Löschgesetz bei gleichzeitiger Aufhebung des Internetzensurgesetzes bereits fertiggestellt hat. Der Entwurf wurde der Neuen Osnabrücker Zeitung zugespielt.

Das taz-Interview mit de Maizière zeigt ferner, worum es eigentlich geht: Für den Minister sei es „zumindest ein Phänomen“, dass die Adressvergabe im Internet funktioniere, obwohl sie „nur“ von Privatleuten verabredet sei.

Politiker wie Thomas de Maizière (CDU) haben ihre eigene Vorstellung vom Internet (Bildquelle: Wikipedia).
Politiker wie Thomas de Maizière (CDU) haben ihre eigene Vorstellung vom Internet (Bildquelle: Wikipedia).

Für die Jugend in seiner eigenen Partei hingegen ist dieses „Phänomen“ selbstverständlich. Sie kommen aus der „Generation Internet“, während de Maizière aus der „Generation BTX“ stammt. Im Onlinedienst des damaligen Monopolisten Deutsche Bundespost war der Großteil der Benutzer nur Empfänger von Informationen. Die Anbieter setzten sich aus Firmen zusammen, die sich an willkürliche Regeln der staatlichen kontrollierten Bundespost halten mussten.

Das Internet, in dem jedermann Verlag, Musikproduzent, Fernsehstation oder Telefongesellschaft sein kann, ist der Generation BTX unheimlich. Das manifestiert sich vor allem in der stereotyp wiederholten Phrase „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“, die nichts weiter als ein Ausdruck von Hilflosigkeit ist. Der Versuch, eine allgemeingültige Ursächlichkeit zwischen Internet und Kinderpornografie, Amokläufen sowie Terrorismus herzustellen, läuft ins Leere – ganz einfach deswegen, weil solche Theorien nichts als Unsinn sind.

Wenn Politiker von CDU und CSU gelegentlich die Vorteile einer schönen neuen Onlinewelt skizzieren, sagen sie „Internet“, meinen aber „BTX“. Die Rückkehr zu einer Art „BTX 2.0“ wollen sie mit einer allgemeinen „Facebook-Panikmache“ erreichen. Auch dazu erteilt die JU eine Absage und erklärt: „Unser Ansatz ist es, die Vorteile des Social Web herauszustellen, statt ihre Entwicklung durch fehlgeleitete und redundante Diskussionen zu behindern.“

Nachvollziehbar ist das leicht: Wenn man frei mit vielen Menschen diskutieren und sich eine eigene Meinung bilden kann, ist das spannender, als sich auf Seminaren der Konrad-Adenauer-Stiftung von altgedienten Parteisoldaten erklären zu lassen, was gut und was böse ist.

Die Unionsparteien, die sich derzeit gegen alle anderen Parteien im Bundestag als Anwalt der Generationen „Offline“ und „BTX“ positionieren, werden kräftig dazulernen müssen, notfalls von ihrem eigenen Nachwuchs auf Seminaren der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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5 Kommentare zu Internetzensur: Junge Union rebelliert gegen die CDU

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  • Am 3. Juni 2010 um 11:34 von Cateline

    Sperren
    Was nutzt es eine Seite löschen zu wollen, wenn die Betreiber im Ausland sitzen. Da kann man nur Sperren. Ein Betreiber einer Kinderpornographie-Seite in Asien interessiert sich nicht für deutsche Gesetze. Aber man muss verhindern, dass Deutsche ungehindert Zugriff zu dem Material haben.
    Warum werden nicht kleine Erfolge schon als solche angesehen? Wenn es nur einmal funktioniert, ist es das das wert!

  • Am 4. Mai 2010 um 12:04 von Haindruide

    Leider nicht ungewöhnlich.
    Leider ist die vorherrschende Meinung in der JU für die Mutterpartei nicht von Bedeutung. Für die Meisten Unionsmitglieder ist es sehr unverständlich das es wirtschaftliche und soziale Systeme gibt die sich am Besten selbst organisieren (und auch regulieren) können und für die staatliche Einflußnahme schädlich ist. Tatsächlich scheint mir die irrationale Angst vor Eigenverantwortung jeder Art, die Haupteigenschaft aller Konservativen zu sein.

  • Am 30. April 2010 um 11:20 von Wohli

    Position der Jungen Union
    Es ist falsch, dass die Junge Union bislang beim Thema Netzsperren auf einer Linie mit der CDU war. Abgesehen davon, dass es zu diesem Thema keine offizielle CDU-Meinung gibt, hat sich die Junge Union seit jeher gegen Netzsperren ausgesprochen.

    Vgl. auch: http://www.junge-union.de/medienfreiheit

    • Am 1. Mai 2010 um 16:30 von serra.avatar

      AW: Position der Jungen Union
      naja mag sein das das falsch ist, richtig public gemacht habens aber auch nie …
      Fakt ist keine der etablierten Parteien vor den Wahlen aktiv gegen die Netzsperren …haltet uns nicht für blöd … solange ist das noch ned her …
      und die jetztigen Diskusionen sind doch nur Geplänkel … um von ACTA und Co. abzulenken …

      • Am 4. Mai 2010 um 8:47 von Greg

        AW: AW: Position der Jungen Union
        Sory, aber dieser Einwand läuft nun doch nur darauf hinaus, wer´s wohl als erster gefordert hat. Und wenn das nicht mehr hilft, dann ist die Junge Union eben schuld, weil sie´s nicht laut genug gesagt haben. Das bringt doch nicht weiter. Ich finde es ermutigend, dass es in der CDU auch Leute gibt, die das Internet verstehen.

        Überdies habe ich eher den Eindruck, dass bestimmte Minister aus ihren Ministerien-Apparaten einseitig beraten haben. Das sie nicht zur Generation Internet gehören, kann ich Ihnen nicht vorwerfen – da müsste ich Angst haben, dass mich meine Kinder später mal als unbrauchbar in die Ecke stellen, weil ich social networking für supertoll gehalten habe. Enttäuschend ist aber, dass nur auf bestimmte „Berater“ gehört wird. Internetnutzer gibts doch wirklich nicht nur bei den Piraten!

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