ERP-Systeme: Renovierung ist besser!
Mobile Anbindung der Mitarbeiter, besserer Kundendienst, Cloud und Web-Services für zukunftsfähigere Prozesse: Es gibt zahlreiche Gründe, warum die IT-Industrie den Unternehmen zu Recht den Umstieg auf ein neues ERP-System schmackhaft macht, auch wenn die wenigsten Hersteller tatsächlich schon mit neuen webbasierenden Architekturen aufwarten können. Viele der Bestandskunden scheuen allerdings ebenso zu Recht aus Kostengründen und Risikoabwägung diese "Totaloperation". Für dieses Dilemma gibt es jedoch eine Lösung: Modernisierung.
Betrachtet man nur die Hardware ist die Rechnung schnell logisch und überzeugend aufgemacht: In vielen Unternehmen stehen Maschinen, deren technologische Basis noch vor dem Fall der Mauer entwickelt wurde. Häufig in puncto Stabilität, Verfügbarkeit und Sicherheit einwandfrei in Schuss, sind diese alten Haudegen allerdings echte Stromfresser und kosten in der Wartung viel zu viel, wie IT-Experte Frank Naujoks bestätigt. "IT-Infrastruktur-Investitionen bezahlen sich im Idealfall durch die Kombination aus energieeffizienter Hardware, Konsolidierung und Virtualisierung durch die Reduzierung der Stromkosten annähernd selbst", so der Director Research der Technologieberatung i2s.
Gleiches sollte eigentlich auch für neue Unternehmenssoftware gelten. Immerhin ergab eine IDC-Studie unlängst, dass 44 Prozent der Anwender meinen, die bestehenden ERP-Anwendungen behindern ihre geschäftliche Agilität, 60 Prozent tun einige Arbeiten in den vorhandenen ERP-Anwendungen sogar als Zeitverschwendung ab. Im laufenden Betrieb haderten die Verantwortlichen zudem mit dem Aufwand für Upgrades, der Ergonomie der ERP-Lösung und der Reaktionszeit des Supports. Geht es allerdings um die Ablösung dieser Systeme, sind die Unternehmen ebenfalls nicht begeistert: Ein zu knapper Zeitplan, fehlende eigene Ressourcen, zu viele Systemanpassungen und nicht abbildbare Prozesse stehen ganz oben auf der Liste als Hauptprobleme bei der Einführung einer ERP-Lösung, wie i2s jüngst herausfand. Fazit: Weder das Altsystem weiterzuführen, noch es in Rente zu schicken und stattdessen eine komplette Neuinstallation zu erwägen, scheint die optimale Lösung zu sein.
ERP-Ablösung steht aus gutem Grund nicht im Fokus
Aktuelle Investitionseinschätzungen, z.B. der Experton Group, zeigen, dass Unternehmen bei ihren ERP-Investments eher Zurückhaltung üben und beispielsweise nur bei bestimmten Cloud-Services (vor allem eMail und Kollaboration) äußerst spendabel sind – und das nicht grundlos. Denn Fakt ist: Für viele der modernen Geschäftsprozesse – heute und in naher bis mittelfristiger Zukunft – ist kein grundsätzlicher Umbau der ERP-Systeme vonnöten. Die Konsolidierung dieser Prozesse findet heute in den Unternehmen im Wesentlichen im Enterprise Portal – dem früheren Intranet – statt. Als umfassende Integrationsplattform sorgt ein solches Portal für die zentrale Erfassung und gezielte Verteilung von Informationen sowie für die reibungslose Abwicklung der betrieblichen Prozesse. Sowohl firmeninterne als auch -externe Prozesse lassen sich damit modernisieren. Hierzu einige Beispiele:
Das Schweizer Familienunternehmen Sprüngli zählt zu den renommiertesten Confiserien Europas. Für eine effiziente Koordination der Geschäftsabläufe sorgt hier ein Enterprise Portal. Die Mitarbeiter können darüber Informationen optimal verwalten und verteilen, wobei das prozessorientierte Portal auf einer SAP-Installation aufsetzt. Ein weiteres Beispiel liefert die SAG GmbH (965,9 Millionen Umsatz, gut 7.800 Mitarbeiter), ein Systemlieferant für die energietechnische Infrastruktur von Versorgungs- und Industrieunternehmen in Deutschland. Hier war das bisherige Kundenmanagement (mySAP CRM) zu komplex und unflexibel geworden. Deshalb begann man mit der Suche nach einer Alternative, mit der man die Kunden-Informationen übersichtlich zur Verfügung stellen und den gesamten Lebenszyklus eines Angebots im System abbilden wollte. Die künftige Lösung sollte zudem eine Schnittstelle zu dem SAP ERP-System beinhalten, um Kundendaten zwischen beiden Systemen auszutauschen und so eine doppelte Datenpflege zu vermeiden.
Geschäftsprozesse standardisieren - Prozessketten schließen
Nach eingehender Prüfung aller Möglichkeiten entschied man sich für den Aufbau eines flexiblen Portals mit der Portalsoftware Intrexx. Nach dem Startschuss konnte SAG alle relevanten Daten (Kunden, Ansprechpartner, Geschäftschancen, Verkaufsorganisation) aus dem mySAP CRM in das neue System integrieren. Pro Niederlassung benötigte man hierfür gerade einmal einen halben Tag. Nun verfügt jeder Vertriebsmitarbeiter an allen Standorten über den gleichen Kunden-Datenbestand. Diese unternehmensweite Verzahnung und die Verknüpfung mit dem bestehenden ERP-System ermöglichte es, wichtige Geschäftsprozesse wie etwa das Verfahren der Angebotserstellung zu standardisieren und so die innere Prozesskette zu schließen.
Auch der deutsche Marktführer im Bereich Dichtungstechnik, die Karl Späh GmbH, hat ihre Prozesse mit Hilfe eines Enterprise Portals modernisiert. Hier galt es, ein durchgängiges Qualitätsmanagement von der Wareneingangskontrolle über Produktionsprozessüberwachung bis hin zur Endkontrolle zu etablieren, um so einen einwandfreien und sicheren Einsatz der Zulieferteile zu gewährleisten. Auch hier entschied sich die Geschäftsführung für eine Modernisierung des ERP-Systems mittels Portaltechnologie statt einer Runderneuerung. Im Ergebnis hat das Unternehmen aus Scheer an der Donau mit dem Portal die internen Abläufe gestrafft, die Datenhaltung optimiert und seine Produktivität erheblich gesteigert – Faktoren, die sich in Geld - sprich in Return-on-Investment - gar nicht mehr ausdrücken lassen.
Deutlicher Mangel an Modernität
Diese exemplarischen Fälle zeigen, wie Unternehmen mit Hilfe eines Enterprise Portals die Funktionen ihres ERP-Systems innerhalb kürzester Zeit deutlich ausgebaut haben - mit wenig Aufwand und zu überschaubaren Kosten. Es ist also nicht so weit hergeholt, wenn die renommierte "Computerwoche" titelt: "ERP-Systeme – zu langsam für das Business?" Zumindest in ihrer tradierten Form eignen sich die ehemaligen ERP-Boliden nicht mehr als Fahrzeug für den Racetrack, ja selbst als "Safety Car" können sie augenscheinlich nicht mehr dienlich sein. In ihrem Artikel beschreibt die "Computerwoche" die Aufgaben eines modernen ERP-Systems: "Moderne Unternehmen haben ihre Prozesse im Griff und ihre IT-Architektur strikt an den Geschäftszielen ausgerichtet. Moderne Unternehmen sind in der Lage, mit Hilfe einer flexiblen IT ihre Geschäftsabläufe je nach Marktanforderung schnell zu verändern und neu zu justieren. Moderne Unternehmen können auf Basis von einfach anpassbaren IT-Lösungen jeden Grad an Komplexität im täglichen Business meistern", so das Fachblatt. In der Realität sind die nicht modernisierten ERP-Systeme jedoch zu statisch und starr, und die Vernetzung mit Kunden und Partnern ist nur mit größtem Aufwand möglich – von Vernetzung mittels Cloud gar nicht zu sprechen. Von Modernität kann hier keine Rede mehr sein.
Ein Portal demnach als sprichwörtlicher Türöffner der modernen IT-Welt und somit der zeitgemäßen Unternehmensprozesse? "Durchaus", wie Manfred Stetz Entwicklungschef des Freiburger Portalherstellers United Planet bestätigt. "Nimmt man beispielsweise Prozesse wie ein Investitionsantragsverfahren, oder die externe Anbindung von Kunden und Partnern, um diesen Einsicht in den Status ihrer Aufträge zu geben, dann sieht man schnell, wie ein traditionelles ERP in die Knie geht", so Stetz. Ebenfalls, so der ERP-Spezialist, sei es keine gute Idee, der betriebswirtschaftlichen Software diese Funktionalitäten alternativ durch eine Umprogrammierung gewissermaßen "anzuerziehen". "Eine Individuallösung auf Basis der bestehenden ERP ist aus Kosten- und Aufwandsgründen für viele Unternehmen nicht umsetzbar", so Manfred Stetz. Ein deutlich praktikabler Weg sei es deshalb, das bestehende ERP durch ein darauf aufgesetztes Portal zu modernisieren. Stetz: "Portalsoftware ist bereits per se für die Integration bestehender Systeme ausgelegt. Sie beherrscht alle wesentlichen Schnittstellen, zeichnet sich durch eine schlanke Architektur aus und bürgt für zügige Release-Fähigkeit, auch wenn sich die Anforderungen der Unternehmen zwischendurch ändern sollten."
Portal auch als Zwischenlösung probat
Dabei kann ein solches Portal auch die Zwischenlösung für ein Unternehmen sein, wenn es sich tatsächlich für die Ablösung seines alten ERPs entschlossen hat und den Übergang nicht allzu radikal angehen will. Dass die Zeit reif ist, sich solchen Denkweisen nicht zu verschließen, zeigt der Blick auf eine für Deutschland sehr wichtige Branche mit mächtigen Playern. So hat die Automobilindustrie erkannt, dass sie sich für eine Umsetzung des Elektromobilitätskonzeptes nicht auf ihre alleinigen Stärken verlassen kann. Vielmehr werden IT und Telekommunikation eine entscheidende Rolle im Wertschöpfungssystem der Elektromobilität spielen. Exakt dasselbe gilt für die ERP-Limousinen, die mittlerweile Rost angesetzt haben. Sie brauchen Portale als "Tuning-Kit", das Motoren aufpeppt, mehr PS rauskitzelt und mitunter auch als Katalysator dient. Eine pfiffige Renovierung, die dabei hilft einen kostenintensiven Neukauf zu vermeiden.