Dr. Edward Hallowell, ein Psychiater, der seit zehn Jahren die Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) untersucht, hat eine ähnliche Störung gefunden, die er Attention Deficit Trait (Aufmerksamkeitsdefiziteigenschaft: ADE) nennt. Hallowell sagt, dass diese Eigenschaft in Unternehmen epidemische Ausmaße annimmt. Anders als bei ADS werden die Menschen nicht mit ADE geboren. Sie ist das Ergebnis, wie Hallowell sagt, eines modernen Arbeitsplatzes, ein Ergebnis des fortwährenden Geschwätzes aus unseren Computern, Telefonen und anderen Hightech-Geräten, das unsere geistigen Kräfte schwächt.
Hallowell, früheres Mitglied der Fakultät an der Harvard Medical School, setzte sich mit CNET News.com zusammen, um über ADE zu sprechen – und darüber, wann man sich ausloggen, den Hörer auflegen oder sich eine Auszeit nehmen sollte. Wir hörten aufmerksam zu.
CNET: Was ist ADE?
Hallowell: Grundsätzlich so etwas Ähnliches wie die normale Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Zugleich aber ist ADE ein Zustand, der durch das moderne Leben hervorgerufen wird, bei dem wir so stark damit beschäftigt sind, ganz unglaublich viele In- und Outputs zu beachten, dass wir immer abgelenkter, gereizter, impulsiver, unruhiger und langfristig leistungsunfähiger werden. Mit anderen Worten: ADE kostet Effizienz, weil wir versuchen, einen Ball mehr zu jonglieren als wir tatsächlich können.
CNET: Was für Symptome gibt es?
Hallowell: Wenn Leute meinen, dass sie nicht mit ihrer vollen Leistungsfähigkeit arbeiten; wenn sie ahnen oder wissen, dass sie mehr leisten könnten, tatsächlich aber weniger leisten; wenn sie wissen, dass sie intelligenter sind als das, was sie hervorbringen; wenn sie anfangen, Fragen oberflächlicher und hastiger zu beantworten; wenn ihr Vorrat an neuen Ideen sich erschöpft; wenn sie länger arbeiten und weniger schlafen, weniger trainieren, weniger Zeit mit Freunden verbringen. Kurz: wenn Leute mehr Zeit brauchen, um weniger zu leisten.
CNET: Wann begannen Sie, ADE als eine von ADS unterschiedene Störung wahrzunehmen?
Hallowell: Viele Leute kamen zu mir und wollten, dass ich eine ADS-Diagnose stellte, und ich bemerkte, dass einige von ihnen nicht wirklich unter ADS litten, weil die ADS vollständig verschwand, wenn diese Patienten in Urlaub fuhren oder weil die ADS gänzlich aufhörte, wenn diese Leute sich in eine entspannte Atmosphäre begaben.
Bei ADS – bei echter ADS – gehen die Symptome nicht weg, ganz unabhängig davon, wo Sie sind. So stellte ich fest, dass die Störungen bei diesen Leuten durch ihre Arbeitswelt ausgelöst wurden. Wenn sie zur Arbeit gingen, traten diese Symptome auf. Das bedeutete, dass etwas während der Arbeit geschah. Dieses Etwas ist die informationelle Überlastung.
Neueste Kommentare
2 Kommentare zu Zu viele Informationen: Warum wir nicht mehr richtig aufmerksam sein können
Kommentar hinzufügenVielen Dank für Ihren Kommentar.
Ihr Kommentar wurde gespeichert und wartet auf Moderation.
Zu viele Informationen: Warum wir nicht mehr richtig aufmerksam sein können
Kann dem Artikel nur zustimmen. Der Mythos
ewig verfuegbar sein zu muessen und alle Neuigkeiten permanent parat haben zu muessen, fuehrt am Ende zu nichts, da niemand mehr fokussiert arbeitet.
Alle nehmen sich zu wichtig
Heutzutage ist man ohne Handy (Email,IM usw.) für die meisten ein Relikt des vergangenen Jahrhunderts. Ich persönlich gönne mir oft den Luxus, das Handy auf dem Schreibtisch liegen zu lassen und nicht mit zu nehmen. Wer das mal probiert hat, "nicht erreichbar" zu sein, wird es geniessen. Und mal ehrlich, sind wir wirklich so unersetzbar?