Studie: Die größte Gefahr fürs Internet geht von Regierungen und Firmen aus

Das Internet and American Life Project von Pew Research hat 1400 Stimmen von Experten eingefangen. Als Bedrohungen der Entwicklung bis 2025 gelten Zensur, schwindendes Nutzervertrauen, die Gier von Netzbetreibern und schlicht Überforderung angesichts der Informationsflut.

Das Internet and American Life Project von Pew Research hat eine Studie zur Entwicklung des Internets in den nächsten Jahren vorgelegt. Dafür befragte es 1400 Experten aus Hochschulen und Firmen, welche Tendenzen und Gefahren sie bis 2025 sehen. Das Ergebnis: Die meisten glauben, dass das Internet Stellen schaffen, die Wirtschaft antreiben und neue Kommunikationsmöglichkeiten für die Menschen bereitstellen wird. Besonders verbreitet sind aber Befürchtungen, dass Regierungen weitere Sperren und Filter einführen, das Netz segmentieren und zensieren werden.

Internet-Schmuckbild

Der Bericht hält fest, dass Internet-Regulierung vor allem in von Protesten geschüttelten Ländern wie Ägypten und der Türkei ein beliebtes politisches Mittel ist. China etwa unterdrückt die Meinung von Dissidenten nicht nur durch seine Große Firewall, sondern hat auch schon Oppositionelle wegen Internetveröffentlichungen in Haft genommen.

Die Studie zitiert etwa Paul Saffo, Managing Director bei Discern Analytics und Dozent an der Stanford University: „Der Druck, das globale Internet zu balkanisieren, wird anhalten und für neue Ungewissheiten sorgen. Regierungen werden ihre Fähigkeiten weiterentwickeln, den Zugang zu unerwünschten Sites zu blockieren.“

Die zweite große Gefahr fürs Internet ist der Studie zufolge das schwindende Vertrauen der Nutzer angesichts von Überwachung durch Regierungen und Sicherheitslücken. Darunter fallen natürlich die NSA-Schnüffelprogramme – und der Verlust von Millionen Kundendaten bei der US-Kette Target.

Diese Probleme kommentiert zum Beispiel Raymond Plzak, der frühere CEO der American Registry for Internet Numbers, der auch im Vorstand der ICANN sitzt: „Der unvollständige Schutz der Privatsphäre, egal ob persönliche Daten freiwillig angegeben werden oder nicht, und der unvollständige Schutz vor Missbrauch werden weiter der Fluch vernetzter Umgebungen sein. Die Unfähigkeit lokaler, nationaler und internationaler, öffentlicher und privater Akteure und Gesellschaften, gemeinsam eine universelle und akzeptierte Norm zum Schutz der Privatsphäre und gegen Ausbeutung zu entwickeln, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich vernetzte Aktivitäten einschränken.“

Als dritte Gefahr nennt die Studie wirtschaftlichen Druck und Firmen, die schädlichen Einfluss auf die Nutzererfahrung nehmen. Dazu zählen der aktuelle Streit um die Netzneutralität und den Willen der Netzanbieter, im Interesse ihrer Gewinne das Prinzip der Gleichbehandlung aller Inhalte und Geräte im Netz zu ändern. Auch Systeme zum Schutz des Urheberrechts und „ein Mangel an Weitsicht“ bei Firmen und Regierungen siedelt die Studie in diesem Bereich an.

Zu dieser Gefahr findet sich ein Kommentar des Soziologen PJ Rey von der University of Maryland: „Es ist gut möglich, dass das Prinzip der Netzneutralität ausgehöhlt werden wird. In einem politischen Umfeld, wo Geld politischer Bedeutung gleichkommt, hängt viel davon ab, was ISPs und Anbieter von Inhalten für ihre entgegengesetzten Interessen auszugeben bereit sind. Leider haben die Interessen gewöhnlicher Anwender nur einen geringen Stellenwert.“

Als viertes Problem nennt die Studie noch den Informationsüberfluss. Die Menge an Daten wird das Auffinden relevanter Informationen erschweren. Um dem entgegenzuwirken, benötigen Endanwender Hilfe – durch Big-Data-Systeme und möglicherweise auch durch Fortbildungen sowie persönliche Trainer.

Die 40 Seiten der Studie (PDF) bestehen überwiegend aus zu Trends zusammengefassten, gut lesbaren Einzelmeinungen. Eine statistische Auswertung hat Pew nicht vorgenommen.

[mit Material von Charlie Osborne, ZDNet.com]

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Themenseiten: Forschung, Internet, Pew Internet & American Life Project

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