CNet: Gibt es bei Ihnen Kernel-Entwicklungs-Gruppen, die sich mit anderen Betriebssystemen befassen?
Coekaerts: Oracle hat traditionell immer mit anderen Unternehmen zusammengearbeitet, da wir den Sourcecode nicht zur Verfügung hatten. Das Tolle an Linux ist, dass wir nun gleichermaßen Prototypen für das Betriebssystem wie auch für Oracle erstellen können. Früher funktionierte das so, dass man zu irgendeinem Anbieter ging und beschrieb, an welcher Funktion man arbeiten wollte und welche Anforderungen an das Betriebssystem bestanden. Daraufhin setzte man sich bei dem Anbieter zusammen, diskutierte, wie lange das dauern würde und ob man dazu die notwendigen Ressourcen hatte usw. Das führte natürlich zu Zeitverzögerungen.
Bei Linux kann jemand aus der Datenbank-Gruppe vorbeikommen und ausprobieren, ob etwas klappt. Auch wenn es etwas ist, was noch nicht sofort funktioniert und noch ein paar Wochen Entwicklung benötigt, können wir schon ein bisschen damit herumspielen und erste Tests durchführen. Das ist ein großer Vorteil. Man kann mit Linux machen, was man will.
CNet: Was passiert, wenn ein Oracle-Kunde, der gleichzeitig Linux-Anwender ist, ein Problem hat? Wer kümmert sich darum?
Coekaerts: Er kann einfach beim Oracle-Support anrufen, und wir helfen ihm, wenn das Betriebssystem zusammenbricht. Für den Fall, dass beispielsweise ein großer Kunde nachts seine Batch-Jobs laufen lässt und der Kernel immer wieder abstürzt, haben meine Mitarbeiter Pager dabei. Sie beheben dann den Fehler oder erstellen einen Work-Around.
CNet: Ist das schon einmal vorgekommen?
Coekaerts: Bisher noch nicht – was ein gutes Zeichen ist.
CNet: Soll das heißen, dass Oracle jetzt auch Betriebssysteme in seine Kernkompetenzen aufnehmen will? Haben Sie wirklich vor, Kernel-Entwicklung zu einem essentiellen Bestandteil Ihres Geschäfts zu machen?
Coekaerts: Wenn ein Kunde heute ein Problem mit Linux hat, ruft er beim Oracle-Support an. Falls das Problem nicht zu kompliziert ist, können wir weiterhelfen. Wenn es sich tatsächlich um einen Fehler im Betriebssystem handelt, aber um keinen kritischen, leiten wir die Angelegenheit intern an Red Hat weiter. Wir bieten keine komplette Linux-Distribution. Wir stellen nur sicher, dass der Kunde über dieses Sicherheitsventil verfügt. Wenn es sich um ein schwer wiegendes Problem handelt, ist keine Zeit, den Ball zwischen verschiedenen Anbietern hin- und herzuspielen. Wir beheben den Fehler und geben die Lösung des Problems hinterher an Red Hat weiter.
CNet: Aber wie zahlt sich das bei den Gesprächen mit großen Kunden aus? Microsoft behauptet, sie hätten die besseren Strukturen als Linux und außerdem einen gut organisierten Support, falls mal mitten in der Nacht etwas schief geht. Ihre Struktur scheint da ein wenig komplizierter.
Coekaerts: Das finde ich nicht. Die Kunden brauchen einen einzigen Ansprechpartner. Wenn ich sage, wir sprechen auch mit Red Hat, dann ist das eine interne Sache von Oracle. Unsere Support-Mitarbeiter sagen dem Kunden ja nicht, dass er sich mit seinem Problem woanders hinwenden soll.
CNet: Wie viele Mitarbeiter arbeiten bei Oracle an Linux?
Coekaerts: Wenn es um den Linux-Kernel geht, sind es ungefähr 1.000 Mitarbeiter, die sich tatsächlich mit der Entwicklung befassen. Das ist schon eine ganze Weile der Fall, obwohl wir das nicht speziell publik gemacht haben. Linux ist Unix. Wenn man eine Menge an Unix-Kompetenz im Unternehmen hat, ist der Umstieg nicht schwierig und dauert auch nicht allzu lange.
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