Schwört man also auf WordPerfect oder benötigt im Unternehmen XML-Integration, will aber nicht für Microsofts Office Professional 2003 bezahlen, dann ist diese Suite eine attraktive Alternative zur Microsoft Standard Edition. Und wenn Corel Office bereits vorinstalliert ist, sollte man diese Suite ausprobieren, bevor man zusätzliches Geld für Microsoft Office ausgibt – und sich möglicherweise positiv überraschen lassen. Die Kehrseite ist, dass Corel nur mittelprächtigen technischen Support anbietet, weshalb diese Suite eine akzeptable, aber nicht gerade begeisternde Möglichkeit für Verbraucher und kleine Unternehmen darstellt.
Setup & Bedienung
WordPerfect Office 11.0 soll ab Juni in deutsch und in zwei Versionen erhältlich sein: Standard und Professional. Wahren Schnäppchenjägern mag der Preis der Standardversion von 270 Euro (ca. 135 Euro für ein Upgrade) hoch erscheinen, besteht sie doch nur aus drei Standardanwendungen: einem Textverarbeitungsprogramm (WordPerfect 11.0), einem Tabellenkalkulationsprogramm (Quattro Pro 11.0) und einem Präsentationsprogramm (Presentations 11.0). WordPerfect Office hat keinen eigenen E-Mail-Client, daher muss man neben dem Kauf von WordPerfect Office 11.0 noch für eine eigene E-Mail-Lösung sorgen.
Und wird ein Datenbankprogramm benötigt, muss man WordPerfect Office 11.0 Professional erwerben, das nur über Firmenlizenzverträge erhältlich ist (wobei man Einzellizenzen erwerben kann). Microsoft Office 2003 Professional Edition enthält die Datenbank Microsoft Access 2003, zudem Microsoft Publisher 2003 und Microsoft Office Business Contact Manager 2003. Microsoft Office 2003 ist daher ganz eindeutig die bessere Wahl, wenn eine Desktop-Publishing-Anwendung und ein Kontaktmanager erforderlich sind.
Das Erscheinungsbild der Suite hat sich seit früheren Versionen nicht allzu sehr geändert. Wie bereits in der Vergangenheit haben sowohl WordPerfect 11.0 und Quattro Pro 11.0 als auch Presentations 11.0 ähnliche, im Windows-Stil ausgelegte Symbolleisten- und Menüstrukturen. Die Reaktion auf die kürzlich getestete Beta-Version von Microsoft Office 2003 war ähnlich. Gut, dass beide Produkte im Grunde leistungsfähige Büroanwendungspakete sind.
Die meisten Verbesserungen in puncto Benutzeroberfläche sind im Textverarbeitungsprogramm WordPerfect zu finden. Dessen neues Dokumentzuordnungstool (über die Symbolleiste oder das Menü Ansicht/Dokumentenstruktur aufrufbar) zeigt die Baumstruktur langer Dokumente, die vom Autor in Kapitel oder Abschnitte unterteilt wurden, im Stil von Hyperlinks in einem separaten Feld auf der linken Seite. Klickt man z.B. auf Kapitel 5, erscheint der ausgewählte Abschnitt des Dokuments im Hauptfenster. Mit dieser Darstellung ist die Navigation durch lange Dokumente kinderleicht. Das war schon längst überfällig: Microsoft Word bot schon mit Word 97 eben diese Funktion an. Noch interessanter: Der Thesaurus in WordPerfect Office 11.0 stammt von keinem Geringerem als dem Oxford English Dictionary, wodurch Corel-Kunden Zugriff auf 40.000 Wörter und Definitionen aus einem der am höchsten geachteten englischen Nachschlagewerke der Welt erhalten. Nicht schlecht.
Das Beste an der Oberfläche in WordPerfect Office 11.0 ist jedoch, dass man die Uhr bis zur Zeit von DOS zurückstellen kann. Als Reaktion auf das Feedback seitens der Anwenderbasis, die User im juristischen und öffentlichen Bereich umfasst, bietet Corel nun die Möglichkeit, für WordPerfect (das Textverarbeitungsprogramm, nicht die gesamte Bürosuite) über das Menü „Tools/Einstellungen“ den klassischen Modus zu wählen. In diesem Modus erscheint und verhält sich WordPerfect wie das klassische, DOS-gestützte Programm WordPerfect 5.1 von vor über zehn Jahren. Der Bildschirm hat das uralte weißer-Text-auf-blauem-Hintergrund-Aussehen der Version 5.1, und auch die Tastaturbelegung ist entsprechend (z.B. F6, um den gewählten Text fett zu drucken). Offensichtlich spricht diese Funktion viele langjährige Angestellte im öffentlichen und juristischen Bereich an, die finden, dass die Oberfläche und die Tastaturbefehle der Version 5.1 dem schnellen Schreiben wesentlich dienlicher sind und sie sich einfacher individuell anpassen lassen als die der neueren Programmoberfläche.
Office 11.0 hat gegenüber Office 2003 einen Vorteil: Das Programm läuft nicht nur unter Windows 2000 und XP, sondern kommt mit allen PCs klar, die mit Windows ab Version 98 SE ausgestattet sind. Zwar gibt es noch keine Version für Linux, doch wird dies laut Stimmen aus dem Unternehmen wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Funktionen
Wie schon bei der letzten Ausgabe von WordPerfect Office handelt es sich bei Version 11.0 weniger um eine Überholung als um eine Aktualisierung, und die meisten Kunden werden die wichtigsten Änderungen wohl nicht einmal bemerken. Fairerweise muss gesagt werden, dass sich auch das Aussehen von Microsoft Office 2003 nicht geändert hat, aber dessen Liste an Verbesserungen ist doch länger als die von WordPerfect Office 11.0.
WordPerfect Office 11.0 behält die wichtigsten und besten Funktionen der früheren Versionen der Suite bei. Die Präsentationsgrafikfähigkeiten von Quattro Pro sind solide wie eh und je, und mit der Echtzeitvorschau lassen sich Daten auswählen und in einer Reihe von Grafiken anzeigen. WordPerfect behält außerdem die Funktion Steuerzeichen bei, mit der sich alle Steuerzeichen innerhalb eines Dokuments anzeigen lassen und erfahrene Anwender diese gemäß ihren Wünschen anpassen können. Nun kann man diese Steuerzeichen sogar ausdrucken.
Da WordPerfect schon seit langem der Liebling unter Akademikern und Anwälten ist, vereint Version 11.0 sämtliche Tools aus der früheren WordPerfect Law Office Edition – so zum Beispiel den Schriftsatz-Assistenten, der Anwälte und Kanzleikräfte durch die Erstellung eines Schriftsatzes führt.
Ein wichtiger Zusatz auf der Liste der in WordPerfect Office 11.0 verfügbaren neuen Funktionen ist für die meisten Verbraucher und sehr kleine Unternehmen nicht besonders interessant, wird aber bei der Erfassung und Organisation großer Datenvolumen sehr nützlich sein. Jede Anwendung innerhalb der neuen Suite kann nun Dokumente in XML (Extensible Markup Language) freigeben. XML ist der von großen Unternehmen genutzte Datenstandard, um Daten wie z.B. Datenbanksätze von Web Services oder vernetzten PCs abzurufen und in Datenbanken einzufügen. Darüber hinaus können IT-Experten Formulare erstellen, mit denen Daten erfasst und direkt zum Back-End gebracht werden – was beispielsweise bei der Erfassung und Tabellierung von Spesenabrechnungen sehr nützlich sein kann. Andere, z.B. mobile Geräte und Anwendungen, die unter unterschiedlichen XML-fähigen Betriebssystemen wie Linux und Mac laufen, können XML-Dateien und Formulare lesen. Angeblich kann die XML-Integration in WordPerfect Office 11.0 auch in XML formatierte Dateien öffnen. In den inoffiziellen Tests konnte WordPerfect jedoch keine von Microsoft erstellten XML-Dokumente öffnen (was vermutlich an der unterschiedlichen XML-Implementierung von Office 2003 liegt).
Wie bereits gesagt, werden die meisten Heim- und Kleinbüroanwender – Märkte, in denen Corel gern Fuß fassen möchte – kaum die Entwicklungsressourcen haben, um Corels XML-Integration auszuschöpfen, da das XML-Format zurzeit fast ausschließlich von großen Unternehmen verwendet wird. Wenn man aber bedenkt, dass nach dem ganzen XML-Rummel von Microsoft dessen Office 2003 Standard überhaupt keine XML-Unterstützung bietet, ist wohl WordPerfect die bessere Wahl für diese größeren Unternehmen.
Unter den allgemein nützlichen neuen Tools befindet sich ein Konvertierungs-Hilfsprogramm, das Dateien stapelweise in andere Dateiformate konvertiert, was für jemanden, der etwa von Microsofts Suite auf diese wechselt, ein großes Plus sein dürfte. Zudem hat Corel die hervorragenden PDF-Freigabefunktionen von WordPerfect Office verbessert (innerhalb von WordPerfect und Presentations, aber leider noch immer nicht in Quattro Pro) und unterstützt nun Adobe Acrobat 5.0 (die zweitjüngste Ausgabe des standardmäßigen Programms zum Anzeigen und Drucken von PDF-Dateien). Außerdem kann die PDF-Freigabefunktion nun SyMByteole anzeigen (wie z.B. mathematische Formeln), wodurch die Dateien bei grafikintensiven Dokumenten kleiner werden. Will man sein Werk in eine PDF-Datei zur Veröffentlichung auf einer Website umwandeln, ist WordPerfect Office 11.0 die richtige Alternative. Microsoft Word bietet keine derartige Fähigkeit.
Anerkennenswert ist außerdem die neue Dokument-Routing-Funktion von WordPerfect Office 11.0, mit der sich Dokumente an Kontakte aus dem WordPerfect-Adressbuch e-mailen lassen. So kann man sogar bestimmen, in welcher Reihenfolge mehrere Empfänger das Dokument erhalten sollen, und diese anschließend daran erinnern, das Dokument weiterzuleiten. Nachdem WordPerfect Office 11.0 keinen E-Mail-Client mehr hat (der lahme Client Corel Central ist nicht mehr Teil der Suite), benötigt man jedoch mindestens Outlook 2000, um diese Funktion nutzen zu können. Outlook Express tut es nicht.
Corels Entscheidung, seinen E-Mail-Client zu entfernen, hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Zum einen hat die fast hundertprozentige Integration von Microsoft Outlook mit vielen der anderen Office-Anwendungen die Messlatte für Büroanwendungspakete sehr hoch gelegt. Das Fehlen eines E-Mail-Clients bei WordPerfect Office 11.0 ist jedoch kein so großer Nachteil, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. So kann man davon ausgehen, dass große Unternehmen zum Beispiel bereits E-Mail-Systeme haben. Eine Firma, bei der Outlook verwendet wird, kann die Dokument-Routing-Funktion von WordPerfect Office nutzen. Ist Outlook nicht vorhanden, geht das auch über Novell GroupWise. Da jedoch viele Business Server mit eigenen Systemen zur gemeinsamen Nutzung von Dokumenten ausgerüstet sind, werden sie die Routing-Funktion von WordPerfect Office ohnehin nicht benötigen.
Sehr kleine Firmen und Verbraucher machen sich eventuell Gedanken darüber, ob es sie auf lange Sicht nicht teurer kommt, wenn sie WordPerfect Office 11.0 Standard ohne einen E-Mail-Client, eventuell mit einem PC gebündelt, erwerben. Diese Kunden werden jedoch nicht unter der Tatsache leiden, dass WordPerfect keinen E-Mail-Client beinhaltet, es sei denn, sie benötigen die Funktionen für den Dateiaustausch von WordPerfect Office. Ist dies nicht der Fall, können Kunden jeden bereits vorhandenen E-Mail-Client benutzen.
Ist die Nutzung von WordPerfect mit Outlook unumgänglich, bleibt der Preis für WordPerfect Office 11.0 und Outlook zusammen immer noch niedriger als der für Microsoft Office XP Standard.
Service und Support
Der von WordPerfect Office 11.0 gebotene technische Support bietet eine umfangreiche Wissensdatenbank auf der Website von Corel, die man nach Informationen durchsuchen kann.
Der technische Kundendienst ist nicht billig: Nur die ersten 30 Tage sind kostenfrei (beginnend ab dem Tag, an dem man zum ersten Mal anruft). Danach muss man den Support pro Fall (oder Anruf) im Voraus kaufen (25 Dollar für einen Vorfall, 100 Dollar für fünf Vorfälle oder 199 Dollar für zehn Vorfälle pro Jahr). Rund-um-die-Uhr-Service kostet 149 Dollar für fünf und 280 Dollar für zehn Vorfälle pro Jahr.
Die in WordPerfect integrierte Hilfe ist jedoch umfassend und im Allgemeinen hervorragend. Besonders angenehm ist PerfectExpert, der ein Feld auf der linken Seite der offenen Anwendung öffnet und dann den Anwender durch eine bestimmte Aufgabe leitet wie z.B. die Einrichtung eines Dokuments in WordPerfect. Außerdem enthält die Version 11.0 ein WordPerfect Office Update-Tool (WordPerfect-Verzeichnis im Startmenü), das je nach Einstellung jedes Mal beim Aufruf einer Anwendung innerhalb der Suite oder nach einem anwenderseitig bestimmten Zeitplan automatisch nach Programmkorrekturen oder updates sucht. Einfach clever.
Fazit
Derzeitige WordPerfect-Kunden sollten auf jeden Fall auf Office 11.0 aufrüsten. Im kleinen Geschäftsbüro oder im Büro daheim sind jedoch manche der Funktionen überflüssig.
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