MS-Prozeß: Windows-IE-Kopplung als einziges Mittel gegen Netscape

Interne E-Mail soll Mißbrauchsvorwurf belegen / Erster Entlastungszeuge tritt auf

Richter Thomas Jackson hat gestern im Kartellrechtsprozeß gegen den Software-Giganten Microsoft einen erneuten Antrag des Unternehmens auf Einstellung des Verfahrens abgelehnt. Zuvor hatte das US-Justizministerium als Abschluß seiner Zeugenbefragung eine E-Mail vorgelegt, die von Jim Allchin, dem Chef der Microsoft Systems Group, stammt. Sie datiert vom März 1997 und ist an Paul Maritz gerichtet, den Chef der Microsoft Platforms and Applications Group.
Darin heißt es: „Sowohl das Memphis- (der ehemalige Codename für Windows 98, Anm. d. Red.) als auch das NT-Team sind total frustriert wegen der IE-4-Situation: Die Qualität des Codes ist schlechter als erwartet, […]“. Allchin schlägt daraufhin vor, den Internet Explorer 4 ganz aus Windows zu verbannen. Anderenfalls „würden wir die Zeit von Hunderten von Mitarbeitern verschwenden“ und die Auslieferung des Betriebssystems um gut ein halbes Jahr verzögern.
Zwei Wochen nach der E-Mail erstellte das Windows-Team eine Studie über die künftige Akzeptanz des Browsers. Sie kam zu dem Ergebnis, daß der IE sich nicht gegen das Konkurrenzprodukt von Netscape, den Navigator, würde durchsetzen können. Einzig das zwangsweise Einbinden des Browsers in das Betriebssystem könnte den „Browser-Krieg“ zugunsten von Microsoft entscheiden.
Anschließend begannen die Rechtsvertreter des Software-Konzerns mit der Befragung ihres ersten Zeugen. Es handelte sich um den Professor der MIT Sloan School of Management (Massachusetts Institute of Technology), Dean Richard Schmalensee. Dieser widersprach zunächst grundsätzlich den Ausführungen eines Zeugen der Anklage, nämlich dem MIT-Professor Franklin Fisher. Schmalensee sagte, Microsoft sei definitiv kein Monopolist und habe die Interessen der Kunden nicht verletzt – ein Aspekt, der sich als Knackpunkt des gesamten Prozesses herauszukristallisieren scheint.
Das US-Justizministerium stellt die Aussagen der Zeugen der Verteidigung nicht ins Netz. Die Mitschrift der Vernehmung von Schmalensee aus dem Vorfeld des Verfahrens ist nun auf der Microsoft-Webite unter www.microsoft.com/presspass/trial/schmal/schmal.htm nachzulesen.
Kontakt: Microsoft, Tel.: 089/31760

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