Microsoft (Börse Frankfurt: MSF) stellte drei Tage nach der Bekanntgabe der Übernahme der Softwarefirma Lotus Development alle Verhandlungen mit IBM (Börse Frankfurt: IBM) über die Lizenzvergabe für Windows 95 ein. Das berichtete der Zeuge der Anklage und IBM-Manager Garry Norris im vom Justizministerium angestrengten Kartellrechtsprozeß gegen Microsoft.
Demnach war Firmenboß Bill Gates im Sommer 1995 über die Übernahme von Lotus so erzürnt, daß er einen nicht näher benannten IBM-Manager am Telefon anbrüllte. Das belegen IBM-interne Dokumente, die gestern dem Gericht vorgelegt wurden. Wütend machte Gates, daß ihn der IBM-Boß Louis Gerstner nicht vorab informiert hatte. Noch wütender machte ihn die Vorstellung, IBM könnte das Office-Paket „Lotus Smartsuite“ anstelle des MS-Office-Bundles auf seine PCs spielen. Die Folge war die Einstellung aller Gespräche mit Big Blue, wiewohl man gerade in Verhandlungen über die Lizensierung von Windows 95 steckte.
Norris erklärte gestern im Gerichtsgebäude, die Gespräche über die fälligen Lizenzgebühren für das Betriebssystem seien schon vorher zäh verlaufen. So hatte die Firma von Bill Gates verlangt, daß IBM wenn schon nicht die Arbeit am Betriebssystem OS/2, so doch wenigstens die Werbung dafür einstellen sollte. Dabei drängte die Zeit: Windows 95 sollte im August 1995 erscheinen.
Als IBM dann tatsächlich ankündigte, die Smartsuite auf einige PCs zu spielen, stoppte Microsoft alle Verhandlungen, so Norris. Daraufhin habe sein Konzern angeboten, eine Vorabzahlung von 10 Millionen Dollar zu leisten, nur um rechtzeitig an Windows 95 zu kommen. Über alles weitere könnte man sich ja später unterhalten, so das Angebot von IBM laut Norris.
Schließlich willigte IBM ein, die Smartsuite für zumindest die nächsten sechs Monate nicht auf den eigenen Rechnern zu installieren. Dies erfolgte auf einen Vorschlag des Microsoft-Managers Joachim Kempin hin, der schließlich am 11. August 1995 die Lizenz für Windows 95 erteilte. „Wir hatten keine andere Wahl“, erklärte Norris vor Gericht.
Das US-Justizministerium und die Generalstaatsanwälte von ursprünglich 20 US-Bundesstaaten hatten Microsoft im Mai 1998 wegen Verstößen gegen das amerikanische Wettbewerbsrecht verklagt. Auslöser war die Zwangskopplung von Browser und Betriebssystem, die das Unternehmen PC-Herstellern abverlangte.
Interessierte finden zu den Kartellrechtsverfahren gegen Microsoft ein eigenes Diskussionsforum bei ZDNet.
Kontakt: Microsoft, Tel.: 089/31760
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