„Überoptimismus, Web-Infrastrukturinvestitionen und asymmetrische Information zwischen Anlegern und ‚.com‘-Startups sind die Gründe für den Internet-Hype und -Crash“, diese Ansicht vertritt Professor Alfred Taudes von der WU Wien. „IT-Investitionen werden aufgrund von erwarteten Produktivitätssteigerungen vorgenommen, und tatsächlich: die New Economy ist eine IT-Story. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre hat sich in den USA das Wirtschaftswachstum auf fast fünf Prozent beschleunigt, die Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnologie haben dazu ein Prozent beigetragen. Die dahinter liegende Beschleunigung des Arbeitsproduktivitätswachstums ist zu zwei Drittel auf den zunehmenden Einsatz von Informationstechnologie und Effizienzsteigerungen in den IT-Industrien zurückzuführen, das restliche Drittel beruht auf Produktivitätssteigerungen in IT-intensiven Industrien wie der Telekommunikationsbranche oder den Finanzdienstleistern“, erläutert der Wissenschaftler.
Diese von den Forschern Alfred Taudes, Markus Feurstein und Andreas Mild von der WU Wien entwickelte Optionsbetrachtung von IT-Investitionen wurde in der amerikanischen Fachzeitschrift „MIS Quarterly“ publiziert und mit dem von der Stadt Wien gestifteten und mit 30.000 Euro dotierten WU Best Paper Award 2001 ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet heute um 16 Uhr im Wappensaal des Wiener Rathauses statt.
Die Forscher fanden weiter heraus: Auch im IT-Einsatz führende europäische Länder wie Großbritannien, Schweden oder die Niederlande können ähnliche Erfolge vermelden. Der Zusammenhang IT-Investitionen – Produktivitätswachstum – Wirschaftswachstum war allerdings vor der New Economy nicht messbar: zur Auflösung dieses „Produktivitätsparadoxons“ waren Organisationsanpassungen und das Erreichen einer kritischen Masse an Rechnerverfügbarkeit und -vernetzung notwendig, so dass sich die seit den 70er Jahren getätigten IT-Investitionen erst mit einer erheblichen Zeitverzögerung bezahlt machten.
Nach einer Phase zweistelligen Wachstums pro Jahr waren in den USA im Jahr 2000 rund 50 Prozent aller Anlageninvestitionen IT-Investitionen, acht Prozent der US-Wirtschaft entfiel auf die IT-Industrie. 2001 brach das IT-Investitionswachstum ein, in diesem Jahr war erstmals seit 1991 ein Rückgang um 3,6 Prozent zu verzeichnen. Zeitlicher Verlauf und Analyse der beschafften Systeme deuten laut dem Forscher darauf hin, dass für dieses Muster Investitionen in den elektronischen Geschäftsverkehr und die unternehmensübergreifende Koordination (E-Commerce und E-Business) verantwortlich waren. Sicherlich seien dafür teilweise überoptimistische Prognosen der Grund, bei denen die für den erfolgreichen Einsatz der neuen Systeme notwendigen Organisations- und Verhaltensänderungen nicht beachtet worden seien.
„Wir haben herausgefunden, dass für eine Überinvestition auch spricht, dass die für die Zeit des Internet-Hype typischen Investitionen in Gründungen von Internet-Firmen und Web-Infrastruktur wie Web-Server Hardware oder Anwendungsserver Optionscharakter haben: analog zu derivativen Instrumenten am Finanzmarkt ist das Risiko nach unten begrenzt, die Möglichkeit muss allerdings innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgenutzt werden“, so Taudes.
Bei zunehmendem Risiko steige daher der Wert von Optionen, während „traditionelle“ Investitionen nicht mehr rentabel beziehungsweise verschoben würden. Web-Infrastruktur sei die notwendige „Eintrittskarte“ ins Internet und müsse rechtzeitig vor den entsprechenden Anwendungen aufgebaut werden. Dabei ergebe sich erst im Lauf der Zeit, welche darauf basierende Anwendungen tatsächlich in Betrieb gehen. Im Fall eines mit Venture-Kapital finanzierten Internet-Unternehmens würden kaum eigene Sicherheiten eingebracht. Empirische Untersuchungen zeigten, dass etwa die Zielmärkte von B2B-Marktplätzen eher nach Kapitalbedarf und IPO-Möglichkeiten als nach langfristigen Gewinnchancen ausgesucht wurden.
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