IBM drängt Sun zur Freigabe von Java

Sutor zufolge versucht Sun sich als Unternehmen zu präsentieren, das seinen Schwerpunkt im Wettbewerb um die Implementierung von gebührenfreien Standards sieht. Beispiele, die Sun regelmäßig als Beweis für diese Behauptung anführt, sind die durch das Unternehmen verkauften Systeme. Diese basieren zum großen Teil auf zwei Standards: dem Standard IEEE P1754 für Sparc und den Unix-Standards der Open Group, darunter der Unix 98 Standard und X Windows, das von der Open Group eingeführt wurde. Suns kürzlicher Widerwille, nicht gebührenfreie Technologien zu unterstützen, vor allem solche, die von IBM unterstützt werden, spricht jedoch eher für Sutors Standpunkt. So war Sun beispielsweise erst dann bereit, die erste Sicherheitsspezifikation für Web Services – WS-Security – zu unterstützen, als diese gebührenfrei wurde. Im Falle bestimmter Technologien ist Sun also seinem Wort treu geblieben. Allerdings gilt dies nicht im Falle von Java.

Während Sun und andere Unternehmen Java als Standard bezeichnen, ist es dies jedoch keineswegs. Sun argumentiert, dass die Beteiligung Hunderter von Hersteller am JCP bedeutete, dass das Schicksal von Java von dem gleichen demokratischen Prozess kontrolliert werde, dem auch die vom World Wide Web Consortium (W3C) oder der International Standards Organization (ISO) verabschiedeten Standards unterstehen.

Meiner Meinung nach ist eine Technologie, die noch nicht die Billigung eines unabhängigen Konsortiums für die Einrichtung von Standards, wie das W3C oder die ISO, erhalten hat – besonders wenn diese Technologie nicht frei von Gebührenzahlungen ist – genauso wenig ein Standard wie andere Technologien, deren weite Verbreitung mit dem Begriff „Standard“ verwechselt wird und für deren Einsatz Gebühren zu entrichten sind (z.B.: Intels x86-Instruction-Set oder Microsoft Windows).

Während Sun selbstverständlich das Recht hat, sein geistiges Eigentum genauso zu schützen, wie dies Intel, Microsoft und IBM tun, verlangt Sutor, dass Sun Java auf die gleiche Weise behandeln soll, wie Sun möchte, dass IBM und andere Hersteller Web Services-Spezifikationen wie WS-Security behandeln.

„Sun muss akzeptieren, dass die von ihnen verwendeten Argumente auch für sie selbst gelten“, so Sutor. „Für uns ist Sun ein Konkurrent und kein neutrales Gremium. Wir wollen ein neutrales Branchen-Gremium, in dem kein einzelnes Unternehmen über zuviel Macht verfügt und das für alle Java-Spezifikationen zuständig ist.“ Warum ist Sutor hinsichtlich der allumfassenden Zuständigkeit dieses neutralen Gremiums so unnachgiebig? Seine folgende Äußerung macht seinen Standpunkt deutlich: „Wäre Java ein offener Standard, würden Technologien wie [Microsofts] C# sowie die Technologien, mit denen es zusammenarbeitet [wie .Net], heute möglicherweise nicht existieren.“

Da ein beträchtlicher Teil seines Software-Portfolios von Java abhängig ist, will IBM nichts dem Zufall überlassen. So wie das Web aufgrund von gebührenfreien Protokollen wie TCP/IP, HTTP und HTML angewachsen ist, argumentiert Sutor, dass die Freigabe Javas dessen Verbreitung und weiteres Wachstum stimulieren würde und somit die Erfolgsaussichten von .Net beträchtlich einschränken würde. Die Beseitigung von Sun wäre zwar ein taktischer Erfolg, doch besteht für IBM das letztliche Ziel (wie ich bereits erwähnt habe) nicht darin, Sun auszustechen. Es geht darum, Microsoft zu schlagen.

Obwohl sich nicht sagen lässt, welchen Grad der Allgegenwärtigkeit Java als offener Standard erreicht haben würde, hat Sutor dennoch möglicherweise Recht. Es ist wahrscheinlich, dass Microsoft größere Schwierigkeiten hätte, .Net gegen Java als weit verbreiteten offenen Standard zu starten, als gegen Java als proprietäre Technologie. So fragt sich Sutor, ob .Net in diesem Fall überhaupt eingeführt worden wäre: „Was sind denn C# und die Common Language Runtime Virtual Machine (CLR)? Zum großen Teil das Gleiche wie Java. Abgesehen von einigen wenigen Unterschieden handelt es sich ebenfalls um eine Sprache und eine virtuelle Maschine. Wäre Java ein offener Standard, hätte Microsoft ihn vielleicht unterstützt, statt .Net auf den Markt zu bringen.“

In einer Welt mit .Net, in der Java kein Standard ist, bleibt diese Theorie strittig. IBM strebt nun eine rasche Öffnung von Java als Ganzes an. Die Öffnung aller JSRs würde Java zumindest einen Vorteil über .Net verschaffen: Zurzeit sind C# und die CLR die einzigen in offene Standards umwandelbaren Bestandteile von .Net. Verglichen mit .Net-basierten virtuellen Maschinen ist die CLR eine stark abgespeckte Version der vollständigen .Net Virtual Machine. Die CLR (und vielleicht auch .Net) hätten vielleicht keine Chance gegen einen völlig freien Java-Standard.

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