In Bezug auf .Net ist die Wahrscheinlichkeit einer Open-Source-Implementierung nicht annähernd so klar. Betrachtet man, wie Microsoft seine Lizenzierungsansprüche durch Anti-Piracy-Bemühungen und Technologien lautstark durchgesetzt hat, gibt es Grund zu der Annahme, dass es niemals eine Open-Source-Implementierung von .Net geben wird. Ganz ähnlich, wie es bisher keine von Windows gibt. Durch die Verwandlung eines sehr geringen Anteils der .Net-Spezifikation in ECMA- und ISO-Standards versucht sich Microsoft allerdings auch im Nicht-Windows-Bereich. Theoretisch könnte die Existenz solcher Standards zu Implementierungen auf jedem beliebigen Betriebssystem führen, und nicht nur auf Windows. Aber selbst wenn dies geschehen würde, gäbe es immer noch einen riesigen Abstand in der Funktionalität zwischen solchen Implementierungen und einem voll ausgebauten Anwendungsserver auf Basis von .Net. Es ist nicht so, dass ein Anwendungsserver gegen einen anderen ausgetauscht werden könnte, so wie man JBoss gegen WebLogic oder WebSphere austauschen könnte.
Microsoft hat auch einen auf BSD-Unix basierenden Anwendungsserver mit dem Namen Rotor auf den Markt gebracht. Wie die ECMA- und ISO-Spezifikationen, stellt auch Rotor nur eine minimale Teilmenge der Funktionalität eines vollständigen Anwendungsservers auf Basis von .Net dar und kann nicht als Ersatz für .Net gelten. Selbst wenn es aus technologischer Sicht durchaus ein solcher Ersatz sein könnte, lassen Microsofts „Shared-Code“-Lizenzbedingungen jedoch eine kommerzielle Verwendung der Technologie nicht zu und beschränken sie auf die akademische Verwendung für Forschungszwecke.
Während Microsoft nicht gewillt scheint, die Herstellung einer Open-Source-Alternative zu .Net zu erwägen, sind andere auf diesem Gebiet entschlussfreudiger. Die erste Firma, die Microsofts Patente auf .Net auf eine Weise austesten will, wie dies JBoss in Bezug auf Suns Patente an Java getan hat, wird wahrscheinlich Ximian sein. Während Ximian versprochen hat, Mono zu veröffentlichen, eine auf Linux basierende, mit voller .Net-Funktionalität ausgestattete Open-Source-Alternative zu Microsofts Windows-basiertem Anwendungsserver, hält die gesamte Branche in Erwartung der Reaktion von Microsoft den Atem an.
Microsoft könnte eine von drei Maßnahmen ergreifen. Das Unternehmen könnte seine Rechte am geistigen Eigentum durchsetzen und verhindern, dass Ximian Mono vertreibt. Oder es könnte Lizenzgebühren von Ximian einfordern. Die dritte Option, und die Vermutung, auf die ich wetten würde, ist, dass Microsoft Ximian aufkaufen wird. Letztendlich könnte Microsoft jedoch anerkennen, dass aus Perspektive der Marktanteile der Nutzen einer Linux-basierten Version von .Net seine Risiken für das Windows-Nutzungsrecht überwiegt. Schließlich ist es so, dass die Einnahmen da erzielt werden, wo Entwickler arbeiten, und die branchenweite Betonung der service-orientierten Architekturen hat dazu geführt, dass Entwickler an der Schicht der Anwendungsserver arbeiten.
Ermutigt von der Unterstützung für Linux, Unix und andere Nicht-Windows-Betriebssysteme könnten viele Java-Entwickler, die sich bisher von .Net abgewandt hatten, ihre Möglichkeiten überdenken, sollte Microsoft sich den „Betriebssystem-Agnostikern“ anschließen.
Mit Bezug auf die Entwicklungsarbeit, die an der Benutzeroberfläche noch zu leisten ist, sagte der Mitgründer und CTO von Ximian, Miguel de Icaza, dass „Mono noch etwa ein Jahr davon entfernt ist, 100-prozentig kompatibel zu .Net zu sein“. De Icaza sagte weiter: „Wir werden es als Open-Source vertreiben und fürchten nicht, dass Microsoft seine Rechte an geistigem Eigentum durchsetzen wird. Und zwar weil sich alle relevanten Teile im Kern von .Net befinden, dessen Teile aufgrund des ECMA-Standardisierungsprozesses lizenzgebührenfrei gemacht wurden. Selbst wenn Microsoft versuchte, uns aufzuhalten, was sie bisher noch nicht getan haben, müssten sie immer noch beweisen, dass ihr Anspruch berechtigt ist und ein Stand der Technik existierte. Sollte es sich erweisen, dass es einen Stand der Technik gab und unsere Implementierung würde vorherige Arbeitsergebnisse kopieren, würden wir einen Weg finden, die gleiche Funktionalität mit Hilfe einer anderen Technologie zu implementieren. Zuvor müsste Microsoft wahrscheinlich aber beweisen, dass Java auf keine Weise ein Stand der Technik ist, der Microsofts Patentansprüche ungültig macht. Die eigentliche Erfindung, also das, was die ECMA standardisierte, sieht ganz so aus, als stamme sie von Java ab. Ich glaube, wir haben da ganz gute Chancen.“
Auf die Frage, ob es für Microsoft sinnvoll sein könnte, Aktionär von Ximian zu werden, antwortete de Icaza, dass „sich viele Leute beschweren würden, aber in dem Maße, in dem das Wachstum von .Net von einer „OS-unabhängigen“ Philosophie abhängt, macht es durchaus Sinn.“
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