IBM ist in dieser Welt der Oberteufel: „Wir verkaufen Technologie, IBM verkauft Busladungen von Beratern“, sagt Fitzgerald. „Mit denen möchte ich jedenfalls nicht tauschen.“ Trotz alledem haben Microsoft und IBM an BPEL zusammengearbeitet, dem Vorschlag für einen Standard zur Organisation von Services – obwohl beide einen formalen Standard zu diesem Thema bei der W3C Group umgangen haben.
Es scheint, als ob Standard-Komitees sich so verhalten wie Diskussionsrunden zum interreligiösen Dialog: Es ist zwar alles ganz schön, aber wehe, man weicht vom Pfad des wahren Glaubens ab.
Microsoft und seine Partner haben versprochen, dass BPEL irgendwann einmal kostenlos einer geeigneten Standard-Gruppe zur Verfügung gestellt wird. Allerdings ist noch nicht abzusehen, welches diese Gruppe sein wird. Fitzgerald verteidigt diesen „Vertrauen Sie uns!“-Ansatz und verdammt Suns Standard-Machenschaften: „Wir können keine absoluten Versprechungen geben – oder solche, die ewig gelten. Das wäre entweder dumm oder gelogen“, sagt er. „Andere Unternehmen sind auch nicht gerade frei von Lizenzgebühren. Java ist nicht lizenzfrei. Die Scheinheiligkeit, die Sun hier an den Tag legt, ist einfach nicht zu fassen.“
Da hat er nicht ganz unrecht, aber er hält sich nicht lange mit Sun auf, denn in den Augen von Microsoft ist Sun nichts weiter als ein „reiner“ Hardware-Hersteller. Wenn man die Defizite von Sun in Sachen Services in Betracht zieht, liegt Suns Verkaufsargument gegenüber Unternehmen erstaunlich nahe bei dem von Microsoft: „Kaufen Sie unsere Produkte (in diesem Fall Sun N1), und geben Sie weniger für Services aus!“
Microsofts wahre Entrüstung richtet sich gegen IBM, wie es aussieht. „Für jeden Dollar von IBM-Middleware müssen Sie 18 Dollar an Beratung ausgeben“, sagt Fitzgerald. „Wir sagen: Geben Sie Ihr Geld lieber für Leute aus, die dafür sorgen, dass die Sachen auch von Anfang an funktionieren.“ Bei dem einen oder anderen Microsoft-Anwender dürfte diese Aussage zu Heiterkeitsausbrüchen führen. Man sollte immerhin nicht vergessen, dass es IBM ist, das derzeit Unmengen von Datenzentren betreibt, während Microsoft neidisch zuschaut.
Aber die Anti-Consulting-Haltung ist offensichtlich eine religiöse Angelegenheit: „Wenn man erst einmal in das Consulting-Geschäft eingestiegen ist, kommt man da niemals wieder raus, um zu einem reinen produktorientierten Unternehmen zu werden. Das wäre immerhin ein Wechsel von 2.000 Dollar pro Arbeitsplatz zu 99,- Dollar.“ IBMs WebSphere ist nach Meinung von Fitzgerald ein Symptom für dieses Problem: „WebSphere besteht aus mehr als 300 zusammengewürfelten Teilen, es verfügt über keine Software-Architektur“, sagt er. „Das ist das Middleware-Museum von IBM: Produkte aus 30 Jahren in einer gemeinsamen Verpackung. Für eine Museumsführung brauchen Sie dann natürlich mehr als eine Busladung von Beratern.“
Dies sind eigentlich in mehrfacher Hinsicht beängstigende Perspektiven. Aber wie alle religiösen Gruppierungen ist auch Microsoft nicht so geschlossen, wie seine Prediger gern annehmen. Ein paar Wochen vor meinem Treffen mit Fitzgerald hatte ich Gelegenheit, Microsofts Business Consulting Services Group in Großbritannien kennen zu lernen. Fitzgerald mag zwar den Eindruck erwecken, dass Microsoft über keine Consulting-Group verfügt, aber eine solche existiert tatsächlich, auch wenn es mehr um das Aufzeigen von Lösungen geht als um den direkten Kontakt mit Anwendern.
„Massenweise CDs unter die Leute bringen und Demos zeigen ist nicht der richtige Weg, um Unternehmenskunden zu gewinnen“, sagt Peter Cummings, Leiter der Microsoft BCS in Großbritannien. Die Gruppe hat eine Handvoll Projekte durchgeführt, jedes in einem Umfang von ca. 10 Mannjahren. „Wir wollen keine 250.000 Berater wie IBM in den USA, aber wir haben es mit denselben Problemen zu tun. Wir setzten auch keine Teams mit 50 Leuten ein wie Accenture. Wir sind und bleiben ein produktorientiertes Unternehmen.“
Egal also, ob sie mit aggressiven Verkaufsmethoden oder sanfter Überzeugungsarbeit daherkommt, Microsofts Religion passt einfach nicht zu traditionellen Datenzentren. Eine groß angelegte Markteinführungskampagne für Windows Server 2003 mag im Wintel-Lager Erfolg haben, könnte ansonsten aber durchaus nach hinten losgehen.
Es mag schon sein, dass Microsoft CIOs gern mit einer anderen Weltsicht konfrontieren möchte, um deren Seele zu retten (und natürlich auch deren Brieftasche). Aber genau diese Microsoft-typische Art, ein neues Windows-Produkt auf den Markt zu bringen, könnte CIOs erst recht in ihrem Glauben bestärken, dass die Welt von Microsoft doch nicht die ihre ist.
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