Es ist nicht abzustreiten, dass Oracle verzweifelt versucht, sein Anwendungsgeschäft (das in diesem Jahr für einen Umsatz von mehr als $ 2,5 Mrd. sorgen wird) auszuweiten. Obwohl die derzeitige schwache Wirtschaft auch die Konkurrenten SAP, PeopleSoft und Siebel ausgebremst hat, ist der Rückgang des Anwendungsgeschäfts bei Oracle am schlimmsten: minus 23% von 2001 bis 2002.
„Hinter dem Übernahmeangebot für PeopleSoft steckt Oracles Suche nach einem neuen und Wachstum versprechenden Geschäftsfeld, nach etwas, auf dem sie in Zukunft aufbauen können, weil die Umsätze mit Datenbanken inzwischen ja stagnieren. Die Umsätze mit Datenbanken sind mit denen von Anwendungen verknüpft. Wenn man also den Kundenstamm von PeopleSoft aufkauft, verfügt man damit gleichzeitig über eine kaufwillige Zielgruppe für Datenbanken“, so Laurie Orlov, Analystin bei Forrester Research.
„Man kann argumentieren, dass der Druck nie so groß war wie jetzt nach dem Einbruch beim Datenbankengeschäft. Man kann sogar behaupten, dass es erst letzten Montag so richtig eng wurde, als PeopleSoft ein Angebot für J.D. Edwards machte. Dadurch würde eine deutliche Nr. 2 nach SAP entstehen und Oracle von diesem Platz verdrängt werden“, fügt Orlov hinzu
Oracle bleibt der Marktführer bei Datenbanken-Verkäufen, die fast 80% der Umsätze mit Software-Lizenzen von Oracle ausmacht (so die Geschäftsberichte des Unternehmens und Einschätzungen von Analysten für das vierte Quartal). Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das Geschäft mit Datenbanken die zweistelligen Wachstumsraten vergangener Jahre selbst annäherungsweise nicht wieder erreichen. Also wird sich Oracle zwangsläufig nach neuen Umsatzmöglichkeiten umsehen müssen.
Dabei hat die bisherige Erfahrung von Oracle auf dem Gebiet der Unternehmensanwendungen nicht unbedingt das Vertrauen in ihre Fähigkeiten gestärkt, sich auch außerhalb des Kerngeschäfts behaupten oder gar beeindruckende Wachstumskurven vorweisen zu können. Wie Orlov es ausdrückt: „Oracle ist bislang nicht als ausgewiesener Kenner des Anwendungsgeschäfts hervorgetreten.“
Es wird mit einem Rückgang der Umsätze mit Anwendungen um 16% im Vergleich zum Vorjahr gerechnet, bei Datenbanken mit einem Minus von 6%. Die Gesamtumsätze mit Lizenzen sollen im Geschäftsjahr 2003 die Marke von $ 3,1 Mrd. erreichen, ungefähr ein Drittel des Jahresumsatzes von $ 9,4 Mrd. Neben Software-Lizenzen verkauft Oracle auch Produktsupport und Upgrades, außerdem Beratungsdienstleistungen und Schulungen.
Analysten und ehemalige Manager sagen, dass Oracles Anstrengungen zur Ausweitung des Anwendungsgeschäfts durch die Doppelrolle des Unternehmens als Partner und gleichzeitiger Konkurrent entschieden behindert werden. SAP, PeopleSoft und andere Rivalen sind bei der Datenbank-Software, die das Fundament von deren Unternehmensanwendungen bildet, eben auch Partner von Oracle. Oracle muss also eine Gratwanderung vollziehen, um nicht einige seiner besten Kunden zu verprellen.
Hinzu kommt, dass Oracle mit einem Wahrnehmungsproblem zu kämpfen hat. „Für die meisten potenziellen Kunden ist Oracle ein Anbieter von Datenbanken und Tools, nicht von Anwendungen. Einer der Hauptgründe hierfür ist, dass Oracle jahrelang versucht hat, Vertriebskräfte und Techniken aus dem Bereich Datenbanken für den Verkauf von Anwendungen zu nutzen, was nicht besonders erfolgreich war“, so AMR-Analyst Shepherd.
Der Vertrieb von Oracle war es z.B. gewohnt, für den Abschluss eines Datenbank-Vertrages nur ein oder zwei Wochen zu brauchen. Im Vergleich dazu kann es sechs bis neun Monate dauern, bis ein Vertrag über ERP-Software (Enterprise Resource Planning) unter Dach und Fach ist – kaum ein motivierender Zeitrahmen für Vertreter, die auf Kommissionsbasis arbeiten.
Erst vor kurzem hat Oracle ein Vertriebsteam aufgebaut, das sich vollständig auf den Verkauf von Anwendungen konzentriert. Im Januar gab das Unternehmen auf der jährlichen AppsWorld-Konferenz die Neuorganisation des Vertriebs bekannt.
Außerdem sieht sich Oracle seit dem Einstieg in den Anwendungsmarkt mit Problemen der Softwarequalität konfrontiert. „Als ich zu Oracle kam, gab es zwei große Probleme: verärgerte Kunden auf Grund schlechter Qualität und fehlerhafte Software“, erinnert sich Koch.
Koch schaffte es schließlich, die Abteilung wieder in Schwung zu bringen. Aber Softwarequalität ist immer schon ein Problem für Oracle gewesen. Erst kürzlich beschwerten sich wieder Kunden darüber, dass die 11i-Anwendungen voller Fehler steckten.
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