Durch eine Art „Napster 2“ verspricht sich die deutsche Musikindustrie Rettung aus der Talsohle: Für den beliebten früheren Musiktauschdienst plant sie einen Nachfolger – legal und vor allem kostenpflichtig. Ursprünglich wollte die Branche das Internetportal „Phonoline“ pünktlich zum Beginn der Musikmesse Popkomm in Köln am Donnerstag starten. Aber das Projekt liegt nach wie vor in den Geburtswehen.
Trotz massiver Absatzkrise am CD-Markt ist es den 16 beteiligten Musikfirmen – unter ihnen die Marktführer Universal, Sony, AOL Time Warner, EMI und Bertelsmann – bisher nicht gelungen, ihre Interessen unter einen Hut zu bringen. „Es ist alles noch offen, ich kann nichts Konkretes sagen“, entschuldigt sich der Sprecher der deutschen Phonoverbände (IFPI), Hartmut Spiesecke.
Aber die Zeit für die Unternehmen drängt: Denn es schlafen weder kommerzielle Konkurrenten noch CD-Raubkopierer. Und solange das neue Urheberrechtsgesetz nicht in Kraft getreten ist, ermöglicht die Tauschbörsenszene nach wie vor den Download von Musik und Videos zum Nulltarif. Jahrelang jammerte die deutsche Musikindustrie über kostenlose Internet-Musiktauschbörsen und sinkende CD-Verkäufe.
Phonoline könnte nun zu einer Initialzündung für einen lukrativen Verkauf einzelner Musikstücke im Internet werden. Vorbild ist der Computerhersteller Apple: Er hatte die Branche im Mai mit seinem neuen Online-Musikshop das Staunen gelehrt. Für 99 Cent können sich Apple-Besitzer in den USA Musiktitel via Internet auf den eigenen Rechner ziehen. Bereits in der ersten Woche luden die vergleichsweise wenigen Apple-Kunden eine Million kostenpflichtige Musikstücke auf ihre Festplatten. Apples Erfolg liegt vor allem darin, dass die angebotenen Musiktitel in gängigen Datenformaten angeboten werden, die dem Nutzer keine Beschränkungen auferlegen.
Im Gegensatz dazu gibt es in den Reihen der deutschen Phonoline-Plattform starke Bestrebungen, die kostenpflichtig herunter geladenen Musikstücke konsequent auch noch auf der Festplatte des Kunden zu kontrollieren. Als Schlüssel für eine solche Kontrolle könnte der Windows Media Player dienen, der mit dem Digital Rights Management (DRM) eine Technologie enthält, um Urheberrechte wirksam zu schützen. Die herunter geladenen Musikstücke laufen nur auf einem einzigen PC. Zudem kann der Anbieter festlegen, wie oft der Kunde das Musikstück abspielen und ob er es auf CD brennen darf oder nicht. Wie es derzeit aussieht, könnte Phonoline dann nur von PC-Besitzern genutzt werden, die Windows und die neueste Version des Windows Media Player auf ihrem Rechner haben.
Mit Phonoline steigen die 16 Branchenunternehmen aber nicht selbst in den Musikvertrieb via Internet ein. Sie bieten nur eine einheitliche technische Basis für andere Unternehmen, die einen eigenen Musikladen im Internet eröffnen und mit lizenziertem Repertoire der nationalen Musikindustrie bestücken wollen. Mit der legendären Tauschbörse Napster wird Phonoline ohnehin nicht mehr viel gemeinsam haben. Bei Napster stellten die Internetsurfer untereinander ihre Musikstücke gegenseitig zum kostenlosen Tausch bereit. Bei Phonoline kontrollieren die Anbieter, welche Titel sich Kunden kostenpflichtig herunterladen und in welcher Weise diese Musikstücke verwendet werden dürfen. Napster war eine weltweite Musikbibliothek mit Millionen verschiedener Titel. Phonoline wird mit voraussichtlich nur 100.000 Titeln starten und nur solche Musik anbieten, für die branchenüblich regional begrenzt nationale Lizenzen existieren.
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4 Kommentare zu Deutsche Musikindustrie scheitert an gemeinsamen Online-Auftritt
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Alles Spinner
1. Die Umsatzeinbrüche sind durch die MI selbst zu verantworten -wegen nicht an den Markt angepasster Preise
2. Es ist wohl lukrativer Personen zu verklagen, die sich nicht wehren können (eine Kalge verspricht großen Umsatz mit geringem Aufwand -erinnere Telekom-Klagen gegen Website-Betreiber, die t- in der URL haben)
3. In das Datenformat der neuen "Tauschdateien" eingearbeitete Schweinereien erlauben ganz beiläufig neue Geschäftsfelder zu eröffnen (HALLO WACH IHR DATENSCHÜTZER!!!)
Das Ende vom Lied: Der Kunde / Verbraucher wird massiv geneppt, selbst die erlaubten Kopiermöglichkeiten, die wir einst mit der Compactcassette hatten, gelten jetzt schon als kriminell —> wo sind wir egentlich??? Verbraucherschutz? Wo?
Monkeybuisness
Was die MI bietet ist reines Affentheater. Technisch stellt es wohl kein Problem dar eine
derartigen Bezahldienst auf die Beine,bzw. ins Netz zu stellen. Das Problem ist nur das die MI
nicht auf die gewohnt hohen Gewinnmargen durch die Audio-CD verzichten will – trotz zweistelligen Umsatzeinbruchs in den letzten Jahren.
AW: Monkeybuisness
Sehr richtig. Warum wird dieser Markt von der MI so blind unterschätzt???
Etwas was ich nicht nutzen werden!!!
Jedenfalls nicht so lange ne gescheite Unterstützung für Open Source User gegeben ist. Was DRM betrifft bin ich sehr skeptisch ob nur zusätlicher Code für die Kontrolle eingeschleust wird. Es wäre durchaus denkbar das Spyware zur Überwachung des Konsumverhaltens eingebaut wird und der WMP ist ja auch recht geschprächig. Ein klares NEIN DANKE meinerseits. Die können sich ihren Napster2 dort hinschieben wo die Sonne nie scheinen wird!