Zur ersten Frage: In der krisengeschüttelten IT-Branche ist die Bedeutung von Linux und Open Source derzeit kaum zu überschätzen. Das IBM-Management ist nicht allein, wenn es einen gänzlichen Umbau der Softwarebranche erwartet. Schon jetzt gilt Linux als der wichtigste Herausforderer von Microsoft auf Betriebssystem-Ebene. Wer hätte das vor wenigen Jahren gedacht. Schon haben Anbieter wie Suse und Red Hat angekündigt mit Open-Source-Produkten ins Geschäft für System-Management einzusteigen. Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt hin zur Anwendungssoftware. Bislang jedoch ist der gesamte Softwaremarkt, das Lizenzgeschäft durch Patentrechte geschützt, ein Schutz der durch Open-Source-Produkte obsolet würde. IBM, Red Hat und andere Open-Source-Profiteure träumen daher offen davon, dass ihr Geschäftsmodell die Softwarebranche auf den Kopf stellen wird. SCO umreißt in seiner Anklageschrift gegen IBM die negative Seite dieser Hoffnungen. Dort heißt es:
„Ohne die Veruntreuung von Unix-Code, -Methoden und -Konzepten wäre es nicht möglich gewesen, Linux so rasch mit Leistungsfähigkeit von Unix-Systemen auszustatten. (…) Vor dem Engagement der IBM entsprach Linux einem Fahrrad; Unix war dagegen ein Luxusauto. (…) Durch die Aushöhlung und Zerstörung des Marktwerts von Unix im Unternehmensmarkt, hat IBM sich gewaltige Vorteile gegenüber den Konkurrenten verschafft, deren Umsatzmodell auf Software-Lizenzen beruht, anstatt auf Dienstleistungen.“
Mit diesen Sätzen wirft SCO der IBM nicht weniger vor, als den Markt für Unix-Betriebssysteme zerstört zu haben, um Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen, und ihr Service-Geschäft auf Open-Source-Projekte auszudehnen. Die frühe Konzentration auf Dienstleistung, hat die IBM weitgehend vom Betriebssystem-Geschäft unabhängig gemacht und die Umorientierung auf Open-Source erst ermöglicht. Opfer diese Strategie war beileibe nicht nur SCO. Getroffen hat es vor allem die großen Hardwarehersteller wie Sun, Hewlett-Packard und damals noch Compaq/Digital, denen es — auch aufgrund der Rückzugsgefechte im Unix-Bereich — zum Teil bis heute noch nicht gelungen ist, einen erfolgreichen Dienstleistungsbereich aufzubauen. Diese IBM-Strategie mag rücksichtslos gewesen sein, verboten ist sie mitnichten. Sie zeigt dass sich Marktmacht nicht nur mit proprietären Produkten (Beispiel: Microsoft), sondern auch mit offen gelegtem Code festigen lässt.
Im Übrigen sind diese Geschäftpraktiken auch nicht der zentrale Gegenstand von SCOs Klagen. Es geht auch nicht, wie immer hartnäckig behauptet wir, um Patentrechtsverletzungen. Vielmehr wird der IBM vorgeworfen, vertrauliche Informationen, die das Unternehmen von SCO im Rahmen des gemeinsamen Unix-Projekts „Monterey“ erhalten hat, missbraucht zu haben. Im Rahmen dieses Projekts hat SCO, einst Marktführer für PC-Unix, der IBM geholfen eine Unix-Variante für High-End-Intel-Plattformen zu entwickeln. Diese Ergebnisse sind in AIX eingegangen. Konkret lautet der Vorwurf: IBM hat unerlaubterweise AIX, und damit vertrauliche SCO-Techniken, für die Entwicklung von Linux ausgeschlachtet. Tatsächlich hat die IBM im Jahr 2000 verkündet, sie würde jeden AIX-Quellcode offen legen, an dem die Linux-Gemeinde Interesse habe. Es ist unbezweifelbar, dass dies tatsächlich geschehen ist.
Dieses „Eingeständnis“ legt zwar nahe, beweist aber nicht, dass von dieser Offenlegung tatsächlich Code, Methoden und Konzepte von SCO betroffen waren. Unklar ist auch, wie weit die Neuprogrammierung einer Funktion vom SCO-Code abweichen muss, um rechtlich nicht mehr relevant zu sein. Und um die Unklarheit am Anfang dieser Reflexion noch zu toppen: Völlig unklar ist, ob Linux-Anwender Systeme mit widerrechtlich veröffentlichten Bestandteilen verwenden dürfen.
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1 Kommentar zu SCO versus IBM: Das Opfer ist der Täter – und umgekehrt
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analytisch schwach und einfach schlecht
Herr Gfaller, tut sich mit diesem Kommentar keinen Gefallen, wenn er anstatt zu analysieren lediglich polemisiert. Hier das "Opfer" zum Täter zu machen, ist wahrlich gewagt. Noch dazu werden sämtliche Aussagen nur auf Verdachtsmomente gestützt. Diese Vorgehensweise ist unseriös und die Redaktion von zdnet.de sollte einmal ernsthaft über die Beiträge schauen.
Nicht jeder Profilierungsüchtige sollte sich an wichtigen Themen vergreifen dürfen, inbesondere wenn er es offensichtlich nicht kann.