Während Unisys den gleichzeitigen Betrieb von Windows und dem hauseigenen Betriebssystem OS2200 auf dem Clearpath Plus propagiert, setzt IBM sich für Linux ein. Dieses frei verfügbare Betriebssystem scheint seinerseits wiederum die Position der zSeries gestärkt zu haben. Doug Nielson von IBM gibt an, dass etwa 20 Prozent der Systeme, die sein Unternehmen heute ausliefert, Linux-basiert sind.
„Zu den Dingen, die Mainframe-Rechner dringend nötig hatten, zählten neue Anwendungen, Geschwindigkeit, Jugend und Spaß – wenn ich das einmal so sagen darf. Linux bedeutet all dies. Linux brauchte kommerzielle Anerkennung und Einsatztauglichkeit, dies zeigt Linux auf dem Mainframe. Im Endeffekt ergibt sich eine sehr gute Kombination.“
Die Anlage der zSeries erlaubt den Betrieb mehrerer Linux-Kopien auf einem Gerät, eine Funktion, die man bei IBM zur Einrichtung virtueller Server-Farmen verwendet. „Wir können Tausende von Linux-Systemen auf einem Gerät laufen lassen. Die Ressourcen dieses Geräts können von einer Sekunde auf die andere der jeweiligen Aufgabe zugeordnet werden. Vergleichen Sie das mal mit einer Server-Farm, wo der eine Kasten voll ausgelastet ist, der andere sich im Leerlauf befindet und die beiden einander nicht helfen können.“
Die Möglichkeit, eine große Zahl von Servern auf einer kleineren Zahl von Mainframes zu vereinigen, ist ein neuer Trend, der eine komplette Umkehr der Bewegung von zentralisierten hin zu verteilten Systemen bedeutet, wie sie in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern populär war.
„Das Y2K-Problem führte dazu, dass viele unserer Kunden damit begannen, ihre Server zu zählen und nicht wenige erschraken, als sie herausfanden, wie viele Geräte sie hatten“, sagt Nielson. „Es handelt sich nicht so sehr um ein technisches Problem als vielmehr um ein Personalproblem. Wenn man Tausende kleiner Geräte betreibt, braucht man sehr viele Leute dazu. Viele verringern heute die Anzahl ihrer Geräte durch den Einsatz von Mainframes, was eine komplette Umkehr der Entwicklung darstellt, welche die Branche in den Neunzigern durchmachte. Heute haben die Leute derart viele dieser kleinen Intel-Kästen, dass sie die Türen ihrer Rechenzentren nicht mehr zubekommen.“
Die Commerzbank, das viertgrößte kommerzielle Bankhaus Deutschlands, hat kürzlich Anwendungen, die auf acht kleineren System/390-Servern von IBM liefen auf fünf neuen IBM eServer zSeries Mainframes zusammengelegt.
„Das Zusammenlegen kleinerer Server auf einer kleineren Anzahl Mainframes erlaubt uns nicht nur eine Kostenersparnis, es wird dadurch auch sichergestellt, dass unsere IT-Infrastruktur auch weiterhin in der Lage ist, riesige Datenmengen reibungslos zu verarbeiten“, sagt Niels Diemer, Head of Mainframe Programming bei Commerzbank IT Production.
Das einzige Problem der Theorie von Evolution anstelle von Aussterben besteht in der Frage, ob sich die Mainframes nicht so sehr verändert haben, dass der Begriff ‚Mainframe‘ überflüssig geworden ist. Ist ein Großrechner, auf dem Linux oder sogar Windows laufen und der die Anforderungen für .NET und J2EE erfüllt nicht einfach ein High-end-Server?
Weder IBM noch Unisys waren in der Lage, eine eindeutige Definition dessen zu formulieren, was das Wort Mainframe heute bedeutet. Nielson behauptet, dass IBM den Begriff manchmal verwendete und manchmal nicht. „IBM benahm sich, was den Gebrauch des Begriffs Mainframe angeht, etwas schizophren. Es gab Zeiten, zu denen wir uns davon abwendeten, da er für viele der Dinge zu stehen schien, die wir hinter uns lassen wollten. Aber heute benutzen wir den Begriff wieder sehr gern.“
Gash von Unisys gibt zu, dass der Begriff verwirrend ist und möglicherweise bald nicht mehr verwendet wird. „Die Definition ist nicht mehr klar umrissen, aber ich würde sagen, dass heutzutage ein System, das hauptsächlich auf einem eigenen Betriebssystem mit weiteren, neuen Funktionen basiert, als Mainframe bezeichnet wird. Auf unseren Mainframe-Systemen können wir auch das nächste Windows oder Linux laufen lassen. Wenn wir es auch nicht spezifisch ausdrücken können, so wissen wir doch intuitiv, was wir meinen, denn es gibt ja nur noch sehr wenige echte Mainframes.“
Abgesehen von semantischen Streitfragen ist ganz klar, dass Mainframes – unter welchem Namen auch immer – auch in Zukunft eine wichtige Plattform für Branchen wie Telekommunikations-, Regierungs- und Finanzdienstleister darstellen werden. Während IBM und bis zu einem gewissen Grad auch Unisys ihre Mainframes nicht zuletzt aufgrund der Beliebtheit von Linux wieder am Markt positionieren konnten, könnte Analysten zufolge ironischerweise Sun einer ungewissen Zukunft entgegengehen. Die Verbindung von Linux und billigen Intel-Geräten hat den Server-Umsätzen von Sun stark zugesetzt. Den kürzlich neu veröffentlichten Ergebnissen für das vierte Quartal zufolge hat sich hier ein Gewinn von 12 Millionen Dollar in einen Verlust von 1,04 Milliarden Dollar verwandelt – es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass Sun in nächster Zeit Presseerklärungen herausgibt, in denen seine Mitbewerber mit Worten wie Dinosaurier und Aussterben in Verbindung gebracht werden.
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