Ist die Argumentation mit dem Geschäftsnutzen also nichts anderes als Werbung, so wie heute allen Produkten und Services das Wort Business vorangestellt werden muss? Mit dieser Frage sind wir wieder bei Carrs Artikel angekommen – der inzwischen längst zum Buch ausgearbeitet wurde.
Spielt IT für den Geschäftserfolg eine wichtige Rolle, oder nicht? Niemand hat bislang ernsthaft Carrs zentraler These widersprochen, dass angesichts der allgemeinen Verfügbarkeit der Informationstechniken, aber auch der einschlägigen Berater, ein Wettbewerbsvorteil – falls er sich einstellt – nur von kurzer Dauer sein kann. Vielmehr wehrte sich die Branche fast ausschließlich gegen die Schlussfolgerung, dass aufgrund derart fragwürdiger Wettbewerbsvorteile IT in den strategischen Überlegungen zum Unternehmenserfolg eine zunehmend geringere Rolle spiele und es sich die Unternehmen daher gut überlegen sollen, bevor sie in IT investieren.
Hersteller, die tatsächlich, wie sie ja alle behaupten, die Geschäftsprozesse der Anwenderfirmen optimieren helfen, könnten sich beruhigt zurücklehnen. Sie haben ja alle Argumente zur Hand, um potenzielle Kunden zu überzeugen. Die Wachstumsraten der vergangenen Jahre etwa bei Business Intelligence oder bei Speicherkonsolidierung belegen zur Genüge, dass Anwender auch in Krisenzeiten bereit sind Geld auszugeben, wenn der Nutzen sichtbar ist.
Tatsächlich liegt der eigentliche Grund für die Aufregung woanders. Die Branche will nicht wahrhaben, dass sich die Machtverhältnisse verändert haben. Über Jahrzehnte hinweg haben gerade die Großen der Branche den Anwendern vorgeschrieben, in welche IT sie zu investieren haben. Als Dienstleister und Berater für Computing on Demand versuchen IBM, HP und Co. sich diese Machtstellung zu erhalten. Doch damit überspielen sie lediglich die Tatsache, dass IT in fast allen Bereichen zur Infrastruktur degradiert worden ist. Als solche durchdringt sie heute jedes Unternehmen bis in die feinsten Verästelungen. Insofern ist es kein Widerspruch, dass IT unverzichtbar und gleichzeitig unwichtiger geworden ist. Unwichtiger, weil es nicht mehr auf die IT selbst ankommt, ob man einen Geschäftsvorteil daraus zieht, sondern auf die Geschäftsidee, der sie dient. Insofern wird wahr, was manche Hersteller als Lippenbekenntnis seit Jahren behaupten. Bald werden die Anwender vorgeben, welche Informationstechnik wofür entwickelt wird. Hersteller, die sich diesem Diktat nicht beugen wollen, müssen auf den von niedrigen Margen gekennzeichneten Konkurrenzkampf im Massenmarkt ausweichen. Die diesjährige CeBIT mit ihren vielen Flachbildschirm-Fernsehern von HP und Co. ist ein Vorbote dieser Entwicklung.
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