Zumindest ein Teil der Fehlkalkulation, die RealNetworks im Bereich Musik unterlaufen ist, kann auf das Gewicht zurückgeführt werden, welches das Unternehmen dem Internet-Video beigemessen hat, einem Medium, bei dem sich vergleichsweise wenig bewegt. Einige Veteranen der Branche geben Hollywood die Schuld daran, dass es auf dem Markt für Online-Video an Fortschritten mangelt, da die großen Studios angesichts des verheerenden Effekts, den Online-Musik auf die Musikindustrie hatte, dem digitalen Vertrieb von Filmen äußerst zurückhaltend gegenüberstehen. Andere, wie auch Steve Jobs, der keine Gelegenheit auslässt, die frohe Botschaft des digitalen Medienzeitalters zu verkünden, sagen, dass die Qualität von Internet-Video zurzeit einfach noch zu schlecht sei, um massenhafte Akzeptanz zu finden.
Weiter ausgehöhlt wurde das Streaming-Geschäft durch die Java-Technologie, mit der Browser in die Lage versetzt werden, Videosequenzen direkt auf einer Internetseite abzuspielen, was separate Abspielprogramme, wie RealOne überflüssig macht. Noch schwerer wiegt, dass solche eingebauten Videosequenzen von gewöhnlichen Web-Servern aus abgespielt werden können, wodurch sich auf der Anbieterseite die spezielle Streaming-Technologie erübrigt, die RealNetworks verkauft.
„Den Investoren ist nicht klar, wie das Geschäftsmodell von RealNetworks auf lange Sicht aussieht“, sagt Stewart Barry, ein Aktienanalyst bei der Investitionsbank Delafield Hambrecht. „Sie haben große potentielle Märkte, aber wie stellen sie sich dem Wettbewerb und wie schöpfen sie den Wert ab, wenn sich diese Märkte entwickeln?“
Zudem könnte RealNetworks in einigen wichtigen Bereichen die Nachfrage nach Video- und Audio-Abonnements überschätzt haben. Wie die jüngst abgebrochenen Verhandlungen bezüglich der Berichterstattung über Major League Baseball-Spiele durch RealNetworks zeigen, ist das Interesse bei den Verbrauchern sogar bei höchst populären Ereignissen nicht groß genug, um die hohen Lizenzgebühren abzudecken. Aus unterrichteten Kreisen war zu hören, dass Vertreter der MLB den Betrag von 20 Millionen Dollar, den sie im Rahmen des letzten Dreijahresvertrags mit RealNetworks erhalten hatten, erheblich erhöhen wollten.
Als wären dies noch nicht Rückschläge genug, waren RealNetworks und der Rest der Onlinemedien-Branche überproportional vom Zusammenbruch der sogenannten New Economy betroffen. Viele der Firmen, die beim Zusammenbruch der Dot-Coms untergingen, waren junge Unternehmen, die Inhalte und Technologien entwickelten, die dem digitalen Medienmarkt zugute gekommen wären und so zu einer größere Nachfrage nach den Produkten und Dienstleistungen von RealNetworks beigetragen hätten.
Dazu gehörten viele der kleinen Webcasting-Unternehmen, die RealNetworks zu seinem Kundenstamm zählte. Diese Unternehmen erlitten einen weiteren Schlag, als ihnen auferlegt wurde, für das Abspielen von Musiktiteln Gebühren an die Plattenindustrie zu zahlen.
„Es wurde für sie einfach teurer, weiterhin Real zu verwenden“, sagt Rags Gupta, COO von Live365, einem Unternehmen für interaktive Radiodienste. Gupta verwies auf den im Grunde kostenlosen Media-Server von Microsoft, der für viele der Unternehmen eine einfache Alternative bedeutete.
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