Wissenschaftler: „Verzweiflung der Musik-Labels wird zunehmen“

Die neue Studie des Wittener Konsumforschers Markus Giesler über Gefahren beim Filesharing erregt die Gemüter in der Branche. Der „jüngste Marketing-Professor Nordamerikas“ ließ heute verlauten, dass der illegale Musikdownload bei Kazaa und Co. nahezu risikolos sei.

In einer ebenfalls heute erschienenen Stellungnahme bezeichnet der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft eine bereits Ende März veröffentlichte Studie der Harvard Business School als „falsch“. Darin ging es allerdings nicht um das Risiko, erwischt zu werden, sondern um die Frage, inwieweit die Einnahmen der Labels durch Filesharing gedrückt werden. Der IFPI macht den Verfassern des im März erschienenen Dossiers den schlimmsten Vorwurf, den man einem Wissenschaftler machen kann: Es seien „schwere methodische Fehler unterlaufen“, so der Verband.

So sei als Vergleichszeitraum für CD-Verkäufe das vierte Quartal gewählt worden, das traditionell aufgrund des Weihnachtsgeschäfts stark sei. Besser wäre es gewesen, die Zahlen für ein komplettes Jahr in Relation zu setzen, so der Referatsleiter Wirtschaft des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft, Johann-Friedrich Brockdorff gegenüber ZDNet. Ein weiteres Beispiel für „methodische Fehler“ nannte der IFPI indes nicht. Die heute veröffentlichte Studie von Giesler ist beim Musikverband noch nicht bekannt.

Der Wissenschaftler hat nach eigenen Angaben rund 900 Surfer rund vier Jahre lang beim Musiktausch beobachtet und befragt: Angefangen bei Napster, bis hin zu Kazaa und den heutigen Filesharing-Programmen. Im Mittelpunkt stand dabei das „subjektiv wahrgenommene Risiko“, so Giesler gegenüber ZDNet.

Dass die Labels seit über einem halben Jahr verstärkt gegen Filesharer vorgehen, habe das Ergebnis kaum beeinflusst: Die Probanden waren überwiegend an US-Universitäten eingeschrieben, gerade dort sind die Plattenfirmen seit langem gegen Downloads geschützer Musik aktiv. „In Amerika droht einem illegalen Filesharer sogar der Rauswurf von der Uni – und trotzdem werden weiter Dateien getauscht“. Das belege, dass die jungen Studierenden kaum damit rechnen, erwischt zu werden.

Die Prognose des Wissenschaftlers lässt wenig Gutes für die Zukunft der Labels erahnen: Seine nüchterne Erkenntnis: „Die Verzweiflung der Musikwirtschaft wird noch größer werden“. Trotz der gestiegenen Zahl von Razzien und Anzeigen gegen Filesharer würden diese das Risiko immer geringer einschätzen.

Die Drohkulisse der Musikverbände würde wenig bewirken, so Giesler: „Da können die machen, was sie wollen“. Es habe zwar in der Vergangenheit immer wieder Aufs und Abs beim illegalen Download von MP3s gegeben, allerdings sieht der Professor derzeit keine klare abnehmende Tendenz: „Ich bedaure das selber auch, aber es ist die Realität“.

Die freilich sieht der IFPI etwas anders: „Ich gehe davon aus, dass wir durch die jüngst gestarteten Aktionen gegen Uploader ein Abschreckungsmoment erzielt haben. Allerdings müssen wir abwarten, was die konkreten Zahlen sagen“, so Brockdorf.

ZDNet.de Redaktion

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