Stärke beweisen die hiesigen Softwerker aber offensichtlich im Bereich betriebswirtschaftlicher Anwendungen. Trotz vieler Versuche ist es bislang keinem US-Anbieter gelungen, maßgebliche Marktanteile auf dem Alten Kontinent zu erringen. Im Gegenzug hat die Walldorfer SAP mit ihrem prozessorientiertem Konzept die große Welt erobert. Die kleine Welt der mittelständischen Unternehmen wird derweil von der Gemeinde heimischer Softwareschmieden beliefert. Zwar sind auch hier die Aufkäufer internationaler Konzerne unterwegs. Gefährlich wird es jedoch erst, seit Microsoft mit dem dänischen Softwarehaus Navision den wichtigsten Anbieter von betriebswirtschaftlicher Anwendungen auf PC/Windows gekauft hat. Erklärtes Ziel ist es, den hiesigen Markt aufzurollen. Noch geben sich die Lokalmatadoren zuversichtlich, Windows mit modernen, auf Linux- und Internet-Techniken basierenden Lösungen Paroli bieten zu können. Tatsächlich entstehen hier Lösungen, die insbesondere für die notorisch unterkapitalisierten europäischen Anwender bezahlbar sind.
Gegen den langen (finanziellen) Atem von Microsoft helfen vielleicht auch grundlegenden Veränderungen in der Branche. Hier spielen die gleichen Techniken (Java, Internet, Web Services) eine Rolle, mit denen sich die Softwarehäuser schon jetzt gegen die Microsoft-Dominanz wehren. Zwar ist Microsoft insbesondere mit Web Service ebenfalls längst mit im Boot, doch ist bislang nicht ausgemacht, dass der Software-Konzern seine Marktmacht auch in vernetzten Geschäftsmodellen ausspielen kann. Wo ist seine Rolle, wenn sich Firmen zusammen tun, um gemeinsam Textverarbeitung- oder Buchhaltungs-Komponenten oder auch Songs via Web anzubieten.
Hoffnung machen zudem die wenigen Beispiele europäischer Unternehmen in den USA. So hat T-Mobile Schwächen in der Netz-Infrastruktur genutzt. Der Telekom-Tochter ist es als erstem Unternehmen gelungen ist, ein einheitliches GSM-Netz über den gesamten Kontinent zu spannen. Ein anderes Beispiel ist der Online-Provider United Internet AG, besser bekannt unter dem früheren Namen 1&1. Das Unternehmen hat als Dienstleister der Telekom-Industrie eine „Internet-Fabrik“ für preisgünstige Angebote aufgebaut. Die günstigen Sonderangebote, mit denen bereits der heimische Markt erobert wurde, locken derzeit Kunden in den USA an.
Bei allem gerechtfertigten IT-Blues besteht also durchaus Hoffnung. Der europäische Integrationsprozess hilft nationale Egoismen zu überwinden und vergrößert zudem den Binnenmarkt – auch wenn er wohl nie so homogen sein wird wie in den USA. Es gibt erste Anzeichen, dass der schwache deutsche Michel sich langsam aufmacht, seine Rolle in der internationalen IT-Wirtschaft zu finden. So ist es aufgrund der schwierigen Ausgangsposition durchaus als Erfolg zu werten, dass Deutschland im zweiten „Information Technologie Report“ der Vereinten Nationen vom 17. auf den 10. Platz aufgerückt ist. Die Richtung stimmt.
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