Zu den wichtigen Strategien, das Misstrauen der Zielgruppe zu überwinden, gehört es, sich eines eingeführten Partnernetzes zu bedienen, wie es sich zum Beispiel Microsoft mit „Navision“ gekauft hat. Zudem kann Microsoft darauf bauen, dass seine Produkte als Mittelstands-orientiert gelten. Zudem wirbt der Windows-Monopolist mit einer tiefen Integration in die allgemein vertrauten Produkte vom Betriebssystem über das Office-Paket (als Bedienobefläche für ERP-Funktionen) bis hin zu den Entwicklungssystemen (für spezifische Erweiterungen). Zusätzlich lockt das Unternehmen Anwender durch zinslose Kredite und preisgünstige Angebote. So kostet die Einstiegsversion von Navision unter 2000 Euro je PC-Arbeitsplatz.
Für die Händler ist Microsoft jedoch nicht unbedingt ein Wunschpartner. Selbst wenn das Hauptgeschäft mit Dienstleistungen gemacht wird, Billigangebote des Lieferanten drücken aber die Marge. Außerdem gilt der US-Konzern als ausgesprochen rücksichtslos. So besteht die Gefahr, dass die von Partnern erstellten Dotnet-Komponenten über kurz oder lang vom Hersteller selbst angeboten werden. Schon jetzt knirscht es im Partnernetz, unter anderem, weil der Hersteller Probleme hat, die Entwicklungen zu koordinieren und einheitliche Qualitätsmaßstäbe durchzusetzen. Dass Microsoft mit einst profitablen Firmen derzeit dicke Verluste einfährt, mag man Investition durchgehen. Für Unsicherheit sorgen jedoch das Aus der ERP-Software „Apertum“ und die Prognosen, wonach ein eigenes Produkt (Codebezeichnung „Green“) vermutlich nicht vor 2008 auf den Markt kommen wird – auch weil nach dem Scheitern der SAP-Übernahme die Entwicklungsmannschaft deutlich reduziert wurde. Partner, die es sich leisten können, tun daher gut daran, neben Navision noch andere Produkte ins Portfolio aufzunehmen. Ralf Gärtner, Marketing-Vorstand des Mitbewerber SoftM glaubt sogar, dass die unklare Zukunft Partner wie Kunden in das gegnerische Java-Lager treiben kann.
All diese Schwierigkeiten werden jedoch kaum verhindern, dass Microsoft sich im ERP-Markt etabliert. Dafür garantieren schon bislang dafür angekündigte Investitionen in Höhe von knapp einer Milliarde Dollar und die interne Vorgabe, den Umsatz in diesem Bereich zu vervierfachen. Zudem hat Microsoft ähnlich wie die SAP immer wieder langen Atem bewiesen, wenn es darum ging, neue Märkte zu erobern.
Aber nicht nur Microsoft und die SAP ringen um den deutschen Mittelstand. Längst kaufen ausländische Software-Konzerne nach dem Vorbild von Computer Associates (CA) finanzschwache Anbieter auf. Sage (KHK) aus Großbritannien und die niederländische Exact Gruppe (Soft Research, Bavaria Soft) tun das sei Jahren und profitieren dabei von der vorhandenen Händler- und Kundenbasis. Die US-amerikanische Agilisys (Infor, Varial) hat sich mehr auf das ERP-Umfeld der IBM-Mittelstandssysteme AS/400 (jetzt i-Series) konzentriert. Wie wichtig auch hier der deutsche Markt ist, signalisiert die Umbenennung des Konzerns in Infor Global Services. Für die noch eigenständigen Softwarehäuser bedeutet dieser Konsolidierungsprozess, dass eigentlich schon abgehängte Mitbewerber mit dem Rückenwind ihrer weltweiten Konzerne auf den Markt zurückdrängen und ihnen das Leben zusätzlich schwer machen.
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