Zu allem Unglück der Administratoren kommt noch die Tatsache hinzu, dass Unternehmen, und vor allem Behörden, mittlerweile verpflichtet sind, so ziemlich alles zu speichern, was jemals über den Bildschirm gelaufen ist. „Die Kunden müssen sich heute mit einer ganzen Reihe von Gesetzen und Vorschriften herumschlagen“, erläutert Bowden. „Mehr und mehr Kunden versuchen, ihre Verpflichtungen in dieser Hinsicht richtig einzuordnen und zu verstehen, welche gesetzlichen Grundsätze hinter dieser Archivierungspflicht liegen und wie man diese Anforderungen strukturiert umsetzen kann.“ Natürlich ist die Archivierung nicht immer nur eine Last. Manchmal kann sie sogar ein sehr sanftes Ruhekissen sein. „Vor Gericht kann man sehen, dass die Unternehmen mit den effizientesten Archivierungssystemen erfolgreicher sind als diejenigen, die nur auf unzureichende oder unvollständige Archive zurückgreifen können“, erklärt Bowden.
Vor diesem Hintergrund wird die Entscheidung darüber, welche Daten gespeichert und wie viel Ressourcen dafür zur Verfügung gestellt werden, eher von strategischen als von technischen Gesichtspunkten aus beurteilt werden müssen. Heutzutage trifft diese Entscheidung in den meisten Fällen die IT-Abteilung, nach dem Motto „Wir haben ein Kapazitätsproblem, daher werden wir alle Dateien archivieren, die älter als sechs Monate sind.“ Aber Kunden sollten sich stattdessen fragen: „Was bedeuten diese Archive für unser Unternehmen, und wie sollten wir daher diese Angelegenheit handhaben?“ Die Antwort auf diese Frage kann dann der IT-Abteilung zum Beispiel in Form von Richtlinien für die Behandlung von E-Mails, SAP-Berichten oder Hardcopies zur Verfügung gestellt werden.
Information Lifecycle Management
Wenn man diese Konzepte der Automatisierung, des Tierings und der strategisch ausgerichteten Speicherung verbindet, erhält man das, was Anbieter von Systemlösungen so gern Information Lifecycle Management (ILM) nennen. Grob gesagt bedeutet das, die Storage-Leistung und die dafür anfallenden Kosten darauf abzustimmen, wie wichtig die jeweiligen Daten für das Unternehmen sind. Während das für ganze Datenbanken und Anwendungen auf einer breiten Basis sehr einfach erreicht werden kann, zielen die Verfechter der Idee ILM darauf ab, die Abstufungen sehr viel feiner zu gestalten, mit dem Ziel, alle Daten individuell einzuordnen, von den wichtigsten Einträgen in einer Datenbank oder E-Mails bis hin zu denen, die am seltensten verwendet werden.
„Um die Kosten so weit wie möglich herunterzufahren, müssen wir uns damit befassen, wie verschiedene Ebenen parallel verwaltet werden können“, erklärt Nieboer. „Ich weiß allerdings nicht, wie das ohne ein automatisiertes Storage Management gelingen kann, da manuelle Interventionen in diesem Bereich keine ausreichende Zuverlässigkeit und Effizienz bieten.“
Die Automatisierung des Prozesses, der festlegt, welche Daten wichtig und welche weniger wichtig sind, erfordert eine Funktionalität, deren Intelligenz die aktueller Backup- oder Storage-Managementsysteme bei weitem übertrifft. „Wir beginnen erst langsam, Management-Tools zu entwickeln, die es uns ermöglichen, Informationen reibungslos auf eine Reihe von verschiedenen Ebenen aufzuteilen“, erklärt Mark Heers und präsentiert dabei selbstbewusst das EMC-Logo auf seiner Mütze. (Heers macht auf diese Weise deutlich, dass seine Anmerkungen in diesem Teil nicht unbedingt die Ansichten der SNIA widerspiegeln.)
Wenn dieser Prozess manuell durchgeführt werden müsste, würden die Verwaltungskosten die Einsparungen bei weitem übersteigen, die durch den Transfer von Daten von den teuren Speichersystemen hin zu den günstigeren Alternativen erreicht werden könnten. Sobald Werkzeuge existieren, die automatisch zum Beispiel weniger wichtige Daten oder E-Mails identifizieren können, könnten diese an einen anderen Speicherplatz verlegt und durch eine Hinweisroutine ersetzt werden, die auf den neuen Speicherplatz verweist.
„In diesem Bereich ist ein effizientes Management und die Fähigkeit, eine geeignete Marschroute vorzugeben, natürlich sehr wichtig, und das ist auch das Gebiet, auf dem es in den nächsten ein bis zwei Jahren die meiste Entwicklung geben wird“, so Heers. „Im Moment sind diese Vorgaben noch etwas zu einfach gehalten und richten sich eher nach Kriterien wie ‚zu groß und zu alt, also ab damit ins Archiv‘. Es werden sich aber in der Zukunft sehr viel ausgereiftere Methoden entwickeln, die dann auch wirklich den Anforderungen eines Unternehmens dienen.“
Nieboer vertritt die Meinung, dass das Gesamtkonzept weit mehr bieten muss, als nur ältere Daten auf günstigere Speicherplätze zu verschieben – das wäre auch nichts anderes als Archivierung. „Meiner Meinung nach braucht es eine Strategie, mit der die Storage-Kosten und der Arbeitsaufwand an den Wert der jeweiligen Informationen für das Unternehmen geknüpft werden. Ziel ist es, mehr Geld für die Speicherung, Verwaltung und Replikation von Daten auszugeben, die für das Unternehmen wertvoll sind, und dafür bei der Sicherung von weniger wichtigen Daten Kosten einzusparen.“
» Im Moment sind die Vorgaben noch etwas zu einfach gehalten und richten sich eher nach Kriterien wie ‚zu groß und zu alt, also ab damit ins Archiv‘. « |
Mark Heers, Vorsitzender der Storage Networking Industry Association (SNIA) Australien und Neuseeland |
Der wichtigste Faktor ist dabei jedoch nicht das Alter der Daten, sondern „der implizite Wert für das Unternehmen“.
Der Schlüssel zu dieser Entwicklung ist die Aufnahme von Metadaten für jeden Datensatz oder jede einzelne E-Mail, mit deren Hilfe ihre Wichtigkeit definiert werden kann. Gerade darin hat sich Content Management-Software bereits sehr erfolgreich gezeigt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht weiter verwunderlich, dass EMC kürzlich die Content Management-Firma Documentum aufgekauft hat und IBM, das bereits einige Erfahrung im Bereich Content Management hat, einer der größten Verfechter von ILM ist. Anhand der Metadaten kann die ILM-Software eigene Entscheidungen treffen, wie „Dies ist ein wichtiges Dokument, deshalb bleibt es hier, dieses Dokument ist weniger wichtig, daher kann es ruhig sofort an einer anderen Stelle archiviert werden“, erläutert Heers.
Wie bei allen neuen Technologien besteht auch bei „ILM die Gefahr, es zu sehr hochzujubeln“, warnt Ian Selway, Produktmanager für Network Storage Solutions bei HP. „Trotzdem geht es darum, Ihr Storage-System mit den Geschäftsabläufen zu verknüpfen.“ Die Voraussetzung für ILM ist, die IT-Infrastruktur eines Unternehmens von einer ganz neuen Warte aus zu betrachten. Unternehmen werden sich fragen müssen: „Wie gut ist diese Infrastruktur an unsere Geschäftsabläufe angepasst, und wie kann man diese Infrastruktur neu konfigurieren, um sie neuen Anforderungen entsprechend auszurichten?“ Und jede Firma, die Ihnen ILM als Produkt verkaufen will, ist mit Vorsicht zu genießen. „Bei ILM geht es zu 90 Prozent um die richtigen Prozesse und nur zu 10 Prozent um technologische Neuerungen.“
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