Medientage: Digitalisierung zwischen Technik und Politik

Berührungsängste zwischen IT/Internet- und Medienschaffenden zeigten sich in München vor allem im Fernseh- und Rundfunkbereich. Hinzu kommt das Gerangel zwischen Free-TV und Kabel-Anbietern, zwischen analogen und digitalen Angeboten via Kabel, Satellit und neuerdings dem staatlich geförderten terrestrischen Digitalfernsehen (DVB-T). Vor allem tobt seit Jahren die Auseinandersetzung zwischen Privatsendern und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die seit Jahren als Auftakt der Medientage unter der Moderation von Focus-Chefredakteur Helmut Markwort ausgetragen wird. Zu den Stammgästen der Diskussion gehören der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und der Großverleger Hubert Burda. Hinzu kommen Premiere-Chef Georg Kofler, Intendanten der öffentlichen Sender und Verantwortliche der Privatsender. Längst wird der Streit auch über EU-Gremien ausgetragen, wo die privaten Sender die öffentlichen der Wettbewerbsverzerrung bezichtigen. Sie würden den Privaten trotz Gebühreneinnahmen auf immer mehr kommerziellen Gebieten Konkurrenz machen, etwa bei Product Placement und kostenpflichtigen Telefonaktionen (Tor der Woche). Zudem würden Gebühren missbraucht, um die Privatsender beim Erwerb von Übertragungsrechten (vor allem Sport) zu überbieten; vor wenigen Jahren richtete sich der gleiche Vorwurf gegen die privaten Medienkonzerne. Ministerpräsident Stoiber nimmt die Vorwürfe ernst genug, um vor der Übermacht des Kommerzes in ARD und ZDF zu warnen und für einen werbefreien Rundfunk à la BBC zu werben. Den Kommerz solle man den Privaten überlassen.

Die Gebührendiskussion hat viel mit Technik zu tun: Generell gehört die ungleiche wirtschaftliche Belastung bei der Einführung neuer Techniken laut Wolf-Dieter Ring, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, zu den Hauptgründen dafür, dass Digitalisierung der Medien hier zu Lande nicht richtig in Gang kommt. So fördert der Staat mit DVB-T ein Konkurrenzverfahren zu dem weit gehend privat finanzierten Kabel-TV. Umgekehrt wehren sich etablierte private Anbieter gegen neue Techniken, um Kosten zu sparen. Anders als Ring äußert Stoiber jedoch die Überzeugung, dass DVB-T nicht zu Kannibalisierungseffekten, sondern zur Belebung des Wettbewerbs führen werde und kündigt an, das unter anderem in Berlin erprobte Verfahren werde bis Mitte 2005 nach Bayern kommen, vor allem in die Großräume Nürnberg und München.

Auf den Punkt brachte den Stand der Dinge jedoch Christiane zu Salm, Vorstandsvorsitzende der Münchner Euvia Media, die ihr Geld mit Telefonanrufen zu Fernsehsendungen verdient. „Die Digitalisierungs-Euphorie kommt daher, dass wir alle darauf warten, dass das Ventil endlich platzt“, so die einzige Frau auf dem Podium der Elefantenrunde. Erst dann werde man sehen, welche neuen Geschäftsmöglichkeiten und Sendeformate sich tatsächlich umsetzen ließen.

Alles in allem haben die Teilnehmer der Medientage ihr Vorhaben durchaus umgesetzt, die Potenziale und Konsequenzen der Digitalisierung zu diskutieren. Nicht gelungen ist in diesem Jahr der Ansatz der Systems diesen Prozess durch das zeigen technischer Lösungen zu unterstützen. Allerdings hätten einige technische Einwände den auf dieser Ebene oft sehr oberflächlichen Diskussionen gut getan. Vielleicht sollte man die politischen „Gipfel“ der Medientage um einen Technikgipfel erweitern.

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1 Kommentar zu Medientage: Digitalisierung zwischen Technik und Politik

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  • Am 29. Oktober 2004 um 9:19 von Andreas Reisenauer

    Digitalisierung und Neue Geschäftsmodelle
    Ein wirklich gut geschriebener Artikel der die Probleme von TV&Co. auf den Punkt bringt!

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