Der in Westeuropa tätige Telekomkonzern Colt Telecom wird Anfang nächsten Jahres in das Geschäft mit Voice over IP für Firmenkunden einsteigen und dabei mit der Siemens AG kooperieren. Das kündigte Colt-Chef Jean-Yves Charlier im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ an. Voice over IP ermöglicht das Telefonieren über das Internet. „Dieser Markt gewinnt an Potenzial, und Siemens hat aus unserer Sicht die beste Technologie“, sagte Charlier. Die Kooperation mit den Münchnern soll im Januar offiziell bekannt gegeben werden.
Internettelefonie ist Teil einer neuen Strategie, mit der sich die britische Colt-Gruppe im wachsenden Wettbewerb auf den europäischen Telekommärkten behaupten will. Der von Konkurrenten wie MCI und Global Crossing entfachte Preiskampf hat Colt zuletzt stark zugesetzt. Das Unternehmen bietet Firmenkunden über eigene Glasfasernetze Telekommunikations- und Datendienste an und ist in Deutschland einer der größten Gegenspieler der Deutschen Telekom.
Charlier rechnet weiterhin mit einem starken Preiswettbewerb und sucht für Colt nach „großen Nischen“, wie er sagt. „Die Zeit der Generalisten in der alternativen Telekombranche ist vorbei. Man muss sich ein paar Segmente und Produkte herauspicken, in denen man besonders gut ist“, sagt er. Ex-Monopolisten wie die Deutsche Telekom verfolgen eine gegenteilige Strategie und positionieren sich als Komplettanbieter inklusive Mobilfunk.
Colt will künftig mit neuen Produkten verstärkt kleine und mittelgroße Firmen an sich binden – etwa mit Voice over IP. In diese Technik werde man zunächst zwischen 15 und 20 Millionen Pfund investieren, sagt Charlier. Bei Voice over IP wird nicht über das übliche Festnetz telefoniert, sondern per Internettechnologie. Dabei wird Sprache in Datensätze zerlegt. Marktforscher der Gartner Group schätzen, dass schon im nächsten Jahr 45 Prozent aller neu installierten Telefonanlagen in Unternehmen auf IP-Technik basieren. Die Bündelung von Gesprächen und Daten in einer Netztechnik soll Firmen geringere Kosten und neue Anwendungen ermöglichen. Die Deutsche Telekom bietet Firmenkunden bereits Voice over IP an.
Charlier treibt bei Colt eine weitere Technologie voran, von der er sich einen Umsatzschub erhofft. Dabei geht es um die Verbindungstechnik Ethernet, die bislang meist nur in lokalen Netzen eingesetzt wird. Großunternehmen bietet Colt solche Ethernet-Dienste künftig auch zur Verbindung mehrerer Standorte an. Marktforscher stützen diese Strategie, denn Ethernet gilt wegen der hohen Geschwindigkeit und Bandbreite als Netztechnik der Zukunft. „Wir erwarten bis zum Jahr 2008 im Schnitt eine jährliche Wachstumsrate von 48 Prozent“, erläutert Gartner-Analyst Neil Rickard.
Mit den neuen Produkten hofft Colt, das Wachstumstempo erhöhen zu können und wieder rentabler zu werden. Im dritten Quartal hat der Konzern den Umsatz um sieben Prozent auf 304 Millionen Pfund (435 Millionen Euro) gesteigert, der Gewinn von Steuern, Zinsen und Abschreibungen brach jedoch um 23 Prozent auf 33,4 Millionen Pfund ein. Schuld daran war der Preiswettbewerb infolge von Überkapazitäten.
Analysten waren von dem jüngsten Gewinnrückgang zwar entsetzt, geben Colt aber grundsätzlich recht gute Chancen auf dem Telekommarkt. Das neue Management habe aber die schwierige Aufgabe, das Geschäftsmodell verstärkt auf höherwertige Dienste auszurichten, urteilt etwa die Investmentbank Credit Suisse First Boston.
Charlier, der seit September im Amt ist, wollte keine genaue Prognose für den Colt-Umsatz in den nächsten Jahren abgeben. „Wir fühlen uns aber mit den Analystenschätzungen recht wohl“, sagt er. Analysten erwarten, dass Colt in diesem Jahr einen Umsatz von rund 1,2 Mrd. Pfund und in drei bis vier Jahren von 1,6 bis 1,7 Mrd. Pfund erzielen wird. Große Zukäufe lehnt Colt zwar ab, doch punktuelle kleinere Verstärkungen seien durchaus denkbar, sagte Charlier. Der Konzern habe dazu 400 Millionen Pfund in der Kasse.
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