Merging Media für eine andere Wirklichkeit

Die neue Allianz aus TK-, IT- und Medienbranche tut sich schwer, sich der weitgehenden Folgen ihrer Absichten zu stellen. Als Siemens-Mann Jenzowsky eher beiläufig die zentrifugalen Wirkungen der Delinearisierung von Mediennutzung erwähnt, wiegelt Cyrill Glockner, Microsofts Business Manager Digital Media Division, ab. Man dürfe nicht glauben, die Ausrichtung auf engere Zielgruppen würde unseren Alltag allzu sehr verändern. Die Verengung des Angebots habe dort ihre Grenzen, wo die Reichweite zu gering werde, um sich für die Sender noch zu lohnen. Tatsächlich rührt aber gerade die Niveausenkung von der Absicht her, eine möglichst große Zahl der jeweiligen Zielgruppe zu erreichen.

Auf den vergangenen Medientagen wurden reichlich Studienergebnisse in die Runde geworfen, die belegen sollten, wie viel Geld verschiedene Nutzergruppen für neue Dienste auszugeben bereit seien. Schließlich geht es bei der Digitaliserung der Medein vor allem darum, die eigenen Kosten zu senken und gleichzeitig die Geldbeutel der Konsumenten zu öffnen. Das ist hier zu Lande keine einfache Aufgabe, denn die Menschen sind einerseits durch kostenlose Internet-Inhalte, Peer-to-Peer-Content-Börsen und ruinöse Handy-Preise verwöhnt, neigen andererseits aber wegen Arbeitslosigkeit und „Geiz-ist-Geil-Kampagnen“ zur Sparsamkeit.

Das Ergebnis der Studien: Die Anwender möchten möglichst viel, möglichst einfach und sind dafür bereit je nach Studie und Dienstepaket zwischen fünf (TV oder Video on Demand auf dem PC) bis 15 Euro (TV am Handy) monatlich zu zahlen. Hinzu kommt, dass die neuen Endgeräte wie multimediale Handys, Settop-Boxen oder Equipment für Wohnzimmer-Netze billiger werden müssen. Die Forderungen unter einen Hut zu bringen ist ausgesprochen schwierig, da die verschiedenen Dienste unterschiedlichste Techniken erfordern: Kabel, Satellit, WLAN, Bluetooth, terrestrische Sender übertragen Sprache, Bilder, Töne, Programme, Ortungsdaten, Filme analog oder digital, schmal- oder breitbandig auf Desktop-Rechner, Fernseher, Settop-Boxen, mobile Notebooks, Handys etc.

Daraus ergeben sich eine Reihe von Hindernissen für die Realisierung von Spartendiensten für beliebige Endgeräte. Jeder Hersteller versucht seine „Standards“ gegen die des Wettbewerbers durchzusetzen. So bieten Philips und Microsoft weitgehend funktionsgleiche, aber miteinander inkompatible Betriebssysteme und Fernsteuerungen zur Kontrolle von digitalen Inhalten auf dem Fernseher. Als Beispiel für die vielfältigen Standardisierungsbemühungen sei die GSM Association genannt. CEO Rob Conway stellt ein Konzept vor, um Dutzende von Übertragungsstandards über einen gemeinsamen Bus zu verwalten, so dass es möglich wird, zum Beispiel Dienste einheitlich abzurechnen, gleichgültig, ob sie über WLAN, UMTS oder anderswie bezogen werden. Siemens plant, seine Handys so reich auszustatten, dass Dienste – für den Nutzer nicht wahrnehmbar – über den jeweils geeigneten Übertragungskanal abgerufen werden können. Hinzu kommt, dass hinter jedem Dienst ein Bündel von Verwertungsverträgen mit den jeweiligen Rechteinhabern steckt, die über Digital Rights Management kontrolliert werden müssen.

Angesichts solcher technischen und medienpolitischen Herausforderungen besteht die Hoffnung, dass Microsofts Medien-Manager Glockner Recht behält, wenn er keine tief greifende Veränderung unserer Lebenswirklichkeit erwartet. Doch technische Probleme lassen sich lösen. Daher ist Vorsicht geboten. Tatsächlich könnten sich werbefreie, gebührenpflichtige Medien als kulturelle Inseln im Sturm der medialen Geschäftsmodelle erweisen.

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