Oracles Weg zum Marktführer im Applikationsgeschäft

Geiz galt plötzlich als Tugend und die noch vorhandenen Gelder wurden mit meterdicken Wänden aus Nüchternheit ummauert. Großsprecherische Verkäufer müssen sich seither schwierigen Fragen nach dem Wert einer Investition für den Unternehmenserfolg stellen. Die Anwender fordern nicht nur, dass sich IT-Techniken betrieblichen Prozessen anpassen, sondern darüber hinaus soll Geld ausgeben plötzlich dazu dienen, Geld zu sparen. Vor allem aber möchten Kunden nicht mehr zuhören, sondern verlangen dass man auf sie und ihre Bedürfnisse eingeht. Kurz aus einem Anbietermarkt wird ein Nachfragemarkt.

Es hat viel mit dieser Situation zu tun, dass Oracle so hartnäckig nach Peoplesoft giert. Zwar werden weiterhin Hypes (wie Grid) erprobt, gleichzeitig aber holt sich der Konzern Prozess-Know-how ins Haus, lernt von Peoplesoft und von JDEdwards was Anwender mit klammen Geldbeuteln wünschen. Außerdem lässt sich so neben dem Technologie-Image auch im wichtigen europäischen Markt ein Markenzeichen als Lösungs-Anbieter aufbauen. Nebenbei erwirbt Oracle einen Kundenstamm für seine Datenbanksysteme. Betriebswirtschaftliche Software ist hier bekannt anspruchsvoll.

Wenn es Oracle gelingt, die Peoplesoft-Anwender bei der Stange zu halten, erreicht das Unternehmen ein Wachstum, wie es ohne Akquisition heute kam möglich gewesen wäre. Damit wäre auch in den Augen der kritischen Börsianer der hohe Kaufpreis gerechtfertigt. Ob das jedoch gelingt ist längst noch nicht ausgemacht, denn jetzt beginnen die klassischen Übernahmewirren. Erste Abwanderungsbewegungen sind bereits verzeichnet worden.

Um ihnen entgegen zu wirken, hat Oracle in einer weltweiten Online-Konferenz versucht, Vertrauen zu schaffen. Bei den Entlassungen will sich das Unternehmen zurück halten. 90 Prozent der Mitarbeiter sollen an Bord bleiben, die Ansprechpartner der Kunden nicht wechseln. Vor allem erhalten JDE- und Peoplesoft-Kunden Bis mindestens 2013 Support. Neue Versionen der übernommen Produkte sind für 2006 versprochen. Viel anderes blieb dem neuen Eigner jedoch nicht übrig, denn das Peoplesoft-Management hat seinen Kunden Garantien gegeben an die sich auch der Rechtsnachfolger halten muß. Die Garantien waren eine Reaktion auf Oracles ursprüngliche Drohungen J.D. Edwards und Peoplesoft dicht zu machen, und die Produkte nicht mehr weiter zu entwickeln.

Solch bittere Erinnerungen wurden mit Zukunftsvisionen in der guten Tradition des Technologiemarketings zerstreut. Unter der Bezeichung „Fusion“ wird ein modernes Java-basiertes Zukunftsprojekt in Angriff genommen, aus dem bis 2008 Applikations-Suite werden soll. Schon jetzt kann Oracle damit angeben, dass es weltweit die Nummer eins in den Bereich Human-Resource- und Supply-Chain-Management ist, in Nordamerika auch – trotz SAP – im Applikationsgeschäft generell.

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