Das digitale Zeitalter hat im vergangenen Jahr für die Musikindustrie seinen Schrecken verloren. Die durch Piraterie verursachten Umsatzrückgänge haben sich deutlich verlangsamt. Songs werden nicht mehr nur massenhaft über das Web illegal getauscht, sondern in den mittlerweile über 230 Internetmusikdiensten verkauft. Der Markt für Online-Musik hat sich 2004 in den drei wichtigen Märkten USA, Großbritannien und Deutschland auf rund 200 Millionen herunter geladene Songs verzehnfacht.
Mit einem Volumen von rund 330 Millionen Dollar und einem Anteil von ein bis zwei Prozent am Gesamtmarkt steckt das Online-Geschäft aber noch in den Kinderschuhen. Doch schon haben die rund 9000 Experten auf der internationalen Musikmesse Midem in Cannes, die an diesem Donnerstag zu Ende geht, eine neue digitale Ära ausgerufen: Musik-Abo-Dienste im Internet und Musik-Downloads aufs Handy. „Abonnementdienste sind die Zukunft, denn die Leute wollen Musik ausprobieren und nicht immer extra bezahlen, wenn sie etwas anhören möchten“, sagt Thorsten Schlieche, bis vor kurzem verantwortlich für den Internetservice musicload.de von T-Online und jetzt General Manager bei Napster Deutschland.
Das Unternehmen betreibt bereits in den USA und Großbritannien Musik-Abo-Dienste, Ende des Jahres soll ein deutsches Angebot starten. Für 10 bis 15 Dollar pro Monat haben die derzeit rund 270 000 Napster-Abonnenten unbegrenzten Zugang zu rund einer Million Songs, die sie anhören, auf den Computer und – im Premiumdienst – auf ein Abspielgerät laden können. Diese Musikdateien bleiben so lange gültig wie das Napster-Abo. „Abonnenten kaufen darüber hinaus weitere Musik, weil sie sie einfach besitzen und auf CD brennen wollen. Und Abonnenten kaufen mehr Musik als andere.“ Ob Download oder Abo – der Onlinemusikmarkt boomt. Optimistische Prognosen sagen voraus, dass Onlinemusik im Jahr 2010 ein Viertel des weltweiten Musikmarktes ausmacht, der derzeit bei rund 32 Milliarden Dollar liegt.
Noch mehr verspricht die Mobilfunkbranche den Musikmanagern, weil das Handy immer wichtiger wird, wie Guy Laurence, Marketingdirektor beim Mobilfunkunternehmen Vodafone, meint. „Drei Dinge haben die Leute immer in der Tasche: Portemonnaie, Schlüssel und Handy.“ Mit Mobiltelefonen der 3. Generation, den 3G-Handys, ist es möglich, Songs in weniger als einer Minute herunterzuladen und in Stereo-Qualität anzuhören; auch Videos können so angeboten werden. Der Vorteil gegenüber dem Internet: Im geschlossenen System Mobilfunk spielt Piraterie im Vergleich zum offenen Web kaum eine Rolle.
„Bis zum Jahr 2009 hat über die Hälfte aller verkauften Handys einen eingebauten Musikspieler“, sagt Leslie Golding, Direktor des mobilen Download-Anbieters M2Y-Siemens. Mit auswechselbaren Speicherkarten kann man 500 bis 1000 Songs im Handy mit sich herumtragen. Das Mobiltelefon wird somit zum mobilen Abspielgerät und macht Musikplayern wie dem trendigen iPod von Apple Konkurrenz. Doch schon heute lässt Handy-Musik die Kassen klingeln. Der Umsatz mit Klingeltönen, mit denen vor allem junge Leute ihrem Handy eine persönliche Note geben, lag 2004 in Deutschland bei geschätzten 239,8 Millionen Dollar. „Das ist für Texter und Komponisten eine gute Einnahmequelle geworden, die ein wenig von den Umsatzeinbrüchen im Plattenmarkt ausgleicht“, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Musikverleger-Verbandes, Heinz Stroh. „Vor allem ist das ein völlig überraschender Erfolg, mit diesem Markt hat doch niemand gerechnet.“
Damit nicht genug: „ring-up tones“ und „ring-back tones“ sind die nächsten Gimmicks, mit denen Mobilfunknutzer gelockt werden. Dabei hört man nach dem Wählen einer Nummer nicht mehr den vertrauten Piepton, bis der Gegenüber abhebt, sondern ein Musikstück. Bei aller Euphorie über die neue digitale Ära: Die 20 Jahre alte CD hält immer noch den Löwenanteil am Musikgeschäft. „Und es wird noch lange dauern, bis die CD weniger als 50 Prozent der Verkäufe ausmacht“, sagt der Chef des Welt-Phonoverbandes IFPI, John Kennedy.
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