Ob die VCs bis dahin warten wollen? In dieser Branche gilt die Regel: preiswert kaufen, Kosten und Prozesse optimieren, um dann möglichst gewinnbringend wieder zu verkaufen. Sollte es dem jetzigen Management gelingen – wie geplant – hohe Umsatz- und Gewinnsteigerungen zu realisieren, ist alles möglich. Es wird verkauft, weil nun ein hoher Preis zu erzielen ist, oder man führt das Unternehmen bis zur Börse, um die Erlöse noch weiter zu steigern.
Olaf Jacobi, Geschäftsführer von Collax, lebt in dieser Welt. Obwohl erst 37 Jahre alt. hat er bereits eine Firma an die Börse gebracht, eine weitere verkauft und optimiert nun generalstabsmäßig sein drittes Unternehmen. Fragen nach der Nachhaltigkeit seines Engagements verunsichern ihn. Zwar hat er ein erfahrenes Management-Team um sich versammelt und kann auf eine zukunftsweisende Strategie verweisen, die das Produkt dauerhaft auf dem Weltmarkt etablieren soll: Aufbau deutscher Vertriebsstrukturen und damit Renommee, Eroberung des US-Markts um niedrige Margen durch Massengeschäft auszugleichen und Ausbau des Produkts für vertikale Märkte, um mit Value-Added-Resellern dauerhafte Partner- und Kundenbindungen zu schaffen.
Er ist sich dabei bewusst, dass er – zum nächsten Projekt – weiterziehen muss, wenn der VC-dominierte Aufsichtsrat es verlangt. Für ihn ist es auch nicht verwerflich, die Firma schon bald wieder abzustoßen. Das ist ganz einfach eine von mehreren Optionen. Jemand wie er, ist es gewohnt immer auch Ausstiegsstrategien mit einzuplanen.
Bei Jacobi wirkt diese Haltung nicht verwerflich, eher bescheiden. Das Aufbauen von Firmen verlangt oft andere Qualitäten, wie sie zu erhalten. Wer nicht nützt, muss gehen. Außerdem ist es für Collax vermutlich nicht das schlechteste Schicksal aus der Hand der finanziell höchst anspruchsvollen Venture-Kapitalisten in die eines Softwarehauses, vielleicht sogar eines Open-Source-Spezialisten überzugehen.
Die Argumente gehe hin und her: Die großen Unsicherheitsfaktoren beim Aufbau eines weltweiten Vertriebs wecken Zweifel an der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells. Das auf Kauf- und Verkauf ausgerichtete Geschäftsmodell von Venture Capitalisten lässt es aber unfair erscheinen, die neuen Eigner an den Maßstäben eines nachhaltigen Engagements zu messen. Immerhin haben sie die Server-Software finanziell, aber auch von den Perspektiven her aus der Enge ihrer Freiburger Heimat befreit. Ob sie damit Pyramid geholfen oder geschadet haben ist so unsicher, wie der Ausgang des Unterfangens den US-Markt zu erobern.
Geht die Sache gut aus, war es Innovation. Wird nächstes Jahr eine ausgepowerte Firma Collax meistbietend verscherbelt, dann waren Heuschrecken am Werk – unschuldig, wie diese Tiere auf Futtersuche eben sind.
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2 Kommentare zu Heuschrecken oder Innovatoren?
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Heuschrecken oder Innovatoren?
Die Heuschrecken-Allegorie ist wirklich schön durchgezogen; es hat Spaß gemacht, diesen Artikel zu lesen.
AW: Heuschrecken oder Innovatoren?
Dem stimme ich zu. Weder wurden die VCs verteufelt noch die ‚kleinen‘ Deutschen zu hoch in den Job-Bringer-Himmel gehoben.
Es ist Wirtschaft – es geht um Geld – und wer gut ist, der verdient eine Menge davon. Die Endanwender müssen das Geld erwirtschaften, das als SW-Kaufpreis an die Firmen fließen.
Alles sieht gerecht aus. Haben die SW-Entwickler einen guten Job gemacht, dann verdienen alle daran und der DW-Entwickler kann weiter zum nächsten Projekt/Unternehmen ziehen.
Wer von dauerhaften Arbeitsplätzen träumt – der soll weiterträumen. Die gibt es nicht mehr.