ZDNet: Letzte Jahr geriet Sony BMG in die Kritik, nachdem sich herausgestellt hatte, dass einige CDs des Unternehmens zum Kopierschutz automatisch eine versteckte Software installieren, welche Rootkit-Techniken verwendet. In Ihrem Vortrag auf der Trusting Computing-Konferenz haben Sie gesagt, dass das mögliche Problem mit DRM durch diesen Vorfall schlagartig deutlich würde, und dass es einen „Machtkampf mit harten Bandagen“ zwischen der Content-Industrie und den Benutzern geben werde. Wie sehen Sie das Kräfteverhältnis im Moment?
Cox: Da bin ich mir nicht sicher. Es gibt viele Hinweise, dass im Moment die Musik- und Computerindustrie die Oberhand hat. Aber ich glaube, Sony hat aus der Erfahrung gelernt – und das war eine ziemlich teure Erfahrung. Es muss klar sein, was erlaubt ist und was nicht. Ein Computer ist Privateigentum, aber welche juristischen Konsequenzen das hat, wissen wir noch nicht. Ich denke, letztlich wird es neue gesetzliche Regelungen geben müssen, um zu klären, wie man im konkreten Fall DRM einsetzen kann – und zwar besonders für den Fall, dass ein Unternehmen eine Monopolstellung innehat.
ZDNet: Letztes Jahr wurde die Softwarepatent-Richtlinie vom Europäischen Parlament zurückgewiesen, aber die Debatte um solche Patente ist nun wieder neu entfacht worden, da die EU eine öffentliche Konsultation zur Änderung des Patentsystems gestartet hat. Als erklärter Gegner von Softwarepatenten, der sich schon beim ersten Durchgang gegen diese ausgesprochen hat – wie finden Sie es, dass das Thema jetzt schon wieder auf der Tagesordnung steht?
Cox: Ich bin verwundert. Einerseits erleben wir, dass Microsoft Strafen in Millionenhöhe von Seiten der EU angedroht werden, andererseits will man ihnen mit Softwarepatenten entgegenkommen. Schließlich ist Microsoft einer der einflussreichsten Akteure in dieser Sache.
Es ist schon beunruhigend, dass das Thema wieder auf der Tagesordnung steht. Das ist ein Symptom für weit fundamentalere Probleme in der EU. Der demokratische Prozess [des Europäischen Parlaments] wird abgegeben [an die nicht gewählte Europäische Kommission]. Das ist das, was man inzwischen „Politikwäsche“ nennt (policy laundering): „Das ist eine gute Idee, aber wir werden sie bei der Wählerschaft nicht durchkriegen. Also winken wir sie durch und überlassen sie dann den einzelnen Regierungen.“
ZDNet: Wenn das so ist, was kann man dann gegen Softwarepatente unternehmen?
Cox: Als erstes sollte man an seinen EU-Parlamentarier schreiben. Das muss inhaltlich nicht einmal sehr ins Detail gehen, vielmehr kommt es darauf an, zu demonstrieren, wie viele Menschen sich um diese Sache Gedanken machen. Unsere Kampagne beim letzten Mal kümmerte sich gar nicht erst um Feinheiten der Formulierung. Die FFII [Foundation for a Free Information Infrastructure] sammelte 300.000 Unterschriften. Die Kommission kann dies einfach ignorieren, die Parlamentarier allerdings müssen sich zur Wiederwahl stellen. Aber es wird schon ein harter Kampf werden. Die Tatsache, dass es in der EU fast keine Gesetze in Bezug auf die Arbeit von Lobbyisten gibt, ist ein sehr großes Problem. Andernorts werden Lobbyisten zur Rechenschaft gezwungen.
ZDNet: Die Open Source Development Labs (OSDL) haben eine Patentbibliothek ins Leben gerufen, um Informationen zu Patenten zu sammeln, welche der Open-Source-Gemeinde zugestanden wurden. Für wie wichtig halten Sie solche Initiativen?
Cox: Diese Arbeit wird sehr wichtig werden, aber Software sollte grundsätzlich nicht patentierbar sein. Es gibt eine Grauzone, wo Hard- und Software eine Einheit bilden, aber in einem solchen Fall sollte die Hardware patentierbar sein.
ZDNet: Eine Reihe von Technologieunternehmen, darunter auch IBM und Microsoft, haben eine Reform des US-Patentsystems angeregt. Welche Hoffnungen hegen Sie da?
Cox: Die Dinge bewegen sich allmählich in die richtige Richtung, aber das sind alles nur Trippelschritte. Die Unternehmen geben damit zwar zu, dass es hier ein Problem gibt, aber eine Lösung ist nicht in Sicht.
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