Deutscher Informatik-Nachwuchs schwer vermittelbar

Unternehmen: Jungakademikern fehlt unternehmerisches Wissen

Die Ausbildung des Informatiknachwuchses in Deutschland steht seit langem im Kreuzfeuer der Kritik. Nach einer Umfrage der Unternehmensberatung Accenture bei Führungskräften der 70 führenden IT-Unternehmen fällt das Ergebnis niederschmetternd aus: Der Pool an ausreichend qualifizierten Absolventen wurde als zu klein bewertet, die Unternehmensvertreter bescheinigen den Hochschulabsolventen mangelnde Fach- und Methodenkompetenz.

„Die deutschen Hochschulen sind immer noch zu wissenschaftlich ausgerichtet“, so Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer IT-Beratungshauses Harvey Nash. Viele Berufsanfänger seien deshalb kaum vermittelbar, weil „sie nicht gut genug, nicht breit genug, nicht praxisbezogen genug“ sind. Nadolski nennt ein Beispiel: „Die meisten IT-Fachkräfte gehen doch heute ins Projektgeschäft, sprich in die Beratung. Und dafür braucht man BWL-Kenntnisse, unternehmerisches Denken und sogenannte Soft Skills.“ Beim Einbau derartiger Module in ihre IT-Lehrpläne seien die deutschen Universitäten ungefähr so dynamisch wie ein „schwerfälliger Tanker“, so Nadolski.

Die Folgen für den Arbeitsmarkt seien paradox, denn prinzipiell ziehe die Konjunktur für Informationstechnik an und es „wimmelt an offenen Stellen.“ Viele deutsche Bewerber hätten jedoch keine Chance. „Das ist im ‚Jahr der Informatik‘ eine inakzeptable Lage. In Deutschland herrscht noch die Illusion, dass wir nur auf der Kostenseite mit Billigkonkurrenz aus Osteuropa oder Asien rechnen müssen. Diese Vorstellung ist veraltet. In Zukunft werden wir uns einem Qualitätswettbewerb stellen müssen. Indien bildet hoch qualifiziertes IT-Personal aus. Der Weltanteil Asiens bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen steigt unaufhörlich. In zehn bis fünfzehn Jahren werden die Asiaten sogar die Amerikaner überholt haben. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Im System der Wissenschaft erzeugtes Wissen muss unternehmerisches Wissen werden. Öffentlich-rechtliche Elfenbeintürme können wir uns nicht mehr leisten. Wenn wir an dieser Misere nichts ändern, wird uns bald ein unangenehmer Trend überraschen“, prognostiziert Nadolski.

Schon jetzt würden Teile der klassischen Software-Entwicklung ins Ausland verlagert oder der IT-Nachwuchs werde direkt an ausländischen Universitäten rekrutiert. Seine Analyse deckt sich mit der Studie von Accenture. 30 Prozent der IT-Unternehmen planen derzeit, Hochschulabsolventen aus dem Ausland einzustellen, um sie in Deutschland einzusetzen. „Das können wir uns nicht leisten bei rund fünf Millionen Arbeitslosen. Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Bildung müssen jetzt Hand in Hand gehen und den Weg bereiten für eine unternehmerische Wissensgesellschaft, die sich von den fest gefügten Berufsbildern verabschiedet“, fordert Michael Müller, Geschäftsführer der A&O-Gruppe, die sich auf IT-Dienstleistungen spezialisiert hat. Alle staatlichen Einrichtungen und auch die Hochschulen müssten sich als „katalytischer“ Unternehmer verstehen. Ein Blick zum MIT in Boston, zur Universität Cambridge oder zu israelischen Universitäten genüge, um zu verstehen, wo die Reise hingehen müsse.

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Neueste Kommentare 

7 Kommentare zu Deutscher Informatik-Nachwuchs schwer vermittelbar

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  • Am 3. April 2006 um 8:35 von Tutnixzursache

    …weltfremde Wesen
    Nicht vermittelbar kann ich gut nachvollziehen: Geburtstagsparty mit div. Informatik-Studenten – Versuch v. EDV-Smalltalk – ich mit 16 Jahren Praxis – die Jungs aus dem Labor – völlig weltfremde Vorstellungen der Wildbahn….

  • Am 3. April 2006 um 7:58 von A. Miethe

    Ausrichtung des Studiums
    Na und? So ziemlich alles was man studieren kann, ist eine Fachausbildung mit Schwerpunkt auf genau diesem Fach. Den Rest organisiert man sich halt anderweitig dazu. Ein Studiengang "eierlegende Wollmilchsau" ist mir noch nicht untergekommen und diesen gibt es im Ausland sicher auch nicht, also warum die ganze Aufregung in Bezug auf die IT?

  • Am 31. März 2006 um 14:30 von Saniernator

    Praxis
    Die Firmen und ihre Personalbüros sind daran schuld.

    Ich bin 34 Jahre alt und seit ca. 14 Jahren in der IT tätig.

    Seit ca. 8 Jahren war ich als IT-Leiter tätig.

    Abgeschlossen habe ich den Beruf des Feinmechanikers.

    Gelernt, im IT Bereich, habe ich mir alles selber.

    Meine Damen und Herren, das ist Praxis in seiner reinsten Form.

    Nun bin ich arbeitslos, da meine Firma die IT ausgelagert hat. Weitere 4 Mitarbeiter sind ebenfalls arbeitslos.

    Als Begründung dass in ca. 5 Jahren eine Einsparung eingefahren werden kann.

    Aus sicherer Quelle weiß ich das dies nun bereits mindestens 7 Jahre dauern wird.

    Ich habe bei meiner letzten Firma ein Netzwerk aufgebaut und verwaltet, dass 3 Länder, aufgeteilt in 17 Standorten, abdeckte.

    Es umfasste ca. 250 Workstations auf denen ca. 400 Personen arbeiteten.

    Weiters habe ich die kompletten Datenbanken entwickelt und die Anwendungssoftware, die alle Bereich des Unternehmens mit ca. 1500 Mitarbeitern, abdeckte.

    Meine Kollegen, die dies ebenfalls nicht studiert haben, habe ich ebenfalls ausgebildet.

    Aber mich will keiner haben, da ich dies nicht studiert habe.

    Leute wie mich, und denen es genauso geht wie mir, gibt es viele in dieser Branche.

    Ich drehe der IT warscheinlich den Rücken zu, bevor meine Familie und ich verhungern müssen.

    Danke liebe Wirtschaft.

    • Am 31. März 2006 um 20:36 von Guenterh G.

      AW: Praxis
      Willkommen im Club!

      In Deutschland zählt nicht die Leistung, sondern "nur" der jeweilige Titel (Dr./Dipl.).

      Na dann – viel Spass

  • Am 31. März 2006 um 12:14 von Christian Würschinger

    Universitäre Bildung gegen Massen BWL-Programmierroboter
    Dem Anschein nach werden heutzutage nur noch "BWL-Programmierer" benötigt. Diesem Trend kann ich als Diplom Informatik Student der Universität Augsburg mit Nebenfach BWL absolut verneinen. Wer heutzutage stumpfsinnige Programmierer sucht, findet sie wie Sand am Meer. Die Universität soll vielmehr an Randgebiete der Informatik heranführen, um dort forschen zu können. Zudem gibt es im heutigen Leben noch etwas anderes als Wirtschaft, denn wenn es nach dieser ginge, würde man ab der ersten Klasse BWL und EDV lernen um später kompatiebel zu sein; Fächer wie Heimat und Sachkunde, Erdkunde, Latein, Deutsch sind dann eigentlich völlig unsinnig. Das dies aber dann nicht mehr den Titel Allgemeines Abitur verdient, sondern eher "Fachidiot", muss man nicht weiter ausführen. Von einem Abiturienten, sowie einem Dipl. Inf. (univ.) muss man erwarten können, dass er ein breites detailiertes Wissen, sowie Sozialkompetenz, Teamfähigkeit und Allgemeinbildung sein nennen kann. Das bedeutet nicht, dass eine Dipl. Inf. (univ.) in einem Betrieb nicht geformt werden könnte, nur das würde der Wirtschaft Engagement abverlangen, was diese nicht bereit ist zu bringen in Zeiten in dem 6000 Arbeiter entlassen werden, weil der GEWINN von 1,5 Mrd. auf 1,4 Mrd. gesunken ist. An der Fachhochschule findet man durchaus "wirtschaftstaugliche" Absolventen, die Englisch, BWL und Programmieren hatten, weswegen mir auch unklar ist, wie deutsche Firmen derartig engstirnig eben solche aus dem Ausland holen. Ist denn innerbetriebliche Inovation und Weiterentwicklung nicht mehr erwünscht. Will man nur noch Programmierroboter mit BWL Kenntnissen haben? Da kann ich Ihnen helfen, ich programmiere Ihnen einen.
    In diesem Sinne sollten sich die deutschen Firmen zwischen einem innerbetrieblichen Stillstand oder einer Weiterentwicklung entscheiden.

    • Am 31. März 2006 um 14:05 von Holger

      AW: Universitäre Bildung gegen Massen BWL-Programmierroboter
      Hallo,

      ich studiere in einem dualen Studiengang Wirtschaftsinformatik. Zuvor hatte ich Informatik studiert, aber genau wegen den in dem Artikel genannten Gründen dies abgebrochen. In dem Artikel geht es ja nicht um Programmierer, sondern um Projekt/Teamleitung und Führungspositionen. In dem (DAX)Unternehmen in dem ich arbeite, sind genau aus diesem Grund die meisten der leitenden Positionen in der IT mit BWlern besetzt.

      Wer Informatik an einer Hochschule studiert, ist sicherlich hoch qualifiziert, jedoch nicht in den angesprochenen Gebieten.
      Ich denke jedoch nicht, dass das ein reines Problem der Informatik darstellt, sondern nur sehr stark in diesem Bereich auffällt, aufgrund des schnellen Wachstums.

      FH-Absolventen bringen eine gewisse Erfahrung in dem Bereich mit sich, durch ihr praktisches Semester, genau diese Erfahrung fehlt vielen Hochschulabsolventen leider!

    • Am 3. April 2006 um 11:52 von Informatiker

      AW: AW: Universitäre Bildung gegen Massen BWL-Programmierroboter
      Und weil immer mehr BWLer in Führungspositionen sitzen dauern manche Projekte sehr lange bzw. werden schlecht abgeschlossen.
      Viele BWLer, welche ich kenne haben keinen Plan um ein Problem beim Kern zu greifen und es zu lösen. Vielmehr gehört Excel, Visio, Projekt zu den Standardaufgaben.

      Da wünsche ich mir doch lieber einen Informatiker mit leichten BWL-Kenntnissen, welcher die Dinge noch versteht an welchen er arbeitet.

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