Ganz in diesem Sinne äußerte sich etwa auch Francis Pouatcha, Software-Entwicklungsleiter J2EE bei der Norisbank, Nürnberg. Der Anwender befürchtet sogar, dass sich die Entwicklungsarbeiten zu sehr darauf konzentrieren und zu Lasten des Erfindergeistes gehen könnten. „Ich hoffe, die Innovationsrate bleibt. Wir werden das in den kommenden sechs Monaten sehr genau beobachten.“
So preist Tim Yeaton, als Senior Vice President bei Red Hat zuständig für das Marketing, zwar nach wie vor, wie hervorragend sich die Produktlinien ergänzten und damit die Chance böten, eine vollständige SOA-Plattform abzugeben, vom ersten Architekturentwurf bis zur Verteilung. Er räumt aber zugleich ein: „Jboss bietet Middleware und die muss Multi-Plattform-fähig bleiben.“ Das Bundle aus Rad Hat Linux, dem Persistenz-Framework Hibernate von Jboss sowie dem Applikations-Server, das der Middleware-Lieferant zur Jbossworld ankündigte, sei jedenfalls nur ein „Angebot“, zusätzlich zu den bestehenden.
Die Unterstützung für verschiedene Plattformen hängt aber auch stark von den Partnern der beiden bisher unabhängigen Firmen ab. Novell jedenfalls, Anbieter der Distribution Suse-Linux, war noch im vergangenen Jahr Sponsor der Jbossworld; in diesem Jahr nicht. Auch IBM konnte sich nicht zu einer Beteiligung an der Veranstaltung entschließen. Wie Novell entsandte Big Blue lediglich Beobachter.
Marktexperten wie Steve Anglin, Autor von Java-Büchern, und Raven Zachary, Analyst des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens The 451 Group, überlegen laut, dass die Akquisition eine deutliche Marktverschiebung und die Bildung von Lagern zur Folge haben könnte: Beispielsweise Novell und die Community des Programmiermodells Spring auf der einen Seite – mit starker Unterstützung durch IBM -, sowie Jboss, Red Hat und Oracle auf der anderen. Darüber hinaus scheint die Diskussion über ein eigenes Oracle-Linux und wen der Software-Gigant dafür letztlich kaufen will, nach wie vor zu köcheln.
Das Argwöhnen und Abwarten könnte zudem den Blick der Open-Source-Fans auf Konkurrenzentwicklungen lenken, sagt Zachary. Explizit spricht er von „Geronimo“, der neben Jboss und Jonas dritte und jüngste von Sun für J2EE1.4 zertifizierte OSS-Applikations-Server. Die Version 1.0 des Apache-Projekts wurde am 5. Januar dieses Jahres veröffentlicht. Zu den Stärken des Servers zählen Entwickler die modulare Struktur, die die Integration und Konfiguration im Vergleich zum Jboss-Server vereinfachen soll. Zudem wurde das Geronimo-Projekt stark von Entwicklern der Firma Core Developers Network getragen, die einmal zum Jboss-Team gehörten. Jboss entzog nach Bekanntgabe des Apache-Vorhabens im Sommer 2003 allen Geronimo-Beteiligten die Commit-Rechte an Jboss-Quellen.
Die Gefahr, dass sich Anwender von Red Hat oder vor allem von Jboss abwenden könnten, schätzt Marektier Yeaton indes gering ein. „Die Kunden haben längst entschieden, wer den Markt anführt. Das ist unumkehrbar.“ Somit werde es auch keine Polbildung im Open-Source-Markt geben. Die Zusammenarbeit mit den Partnern könne noch lange fortbestehen.
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