Microsoft hat überraschend angekündigt, Windows in Zukunft für Konkurrenten öffnen zu wollen. Das Unternehmen aus Redmond hat dazu zwölf Regeln definiert, die für mehr Transparenz sorgen und Konkurrenten an den eigenen Innovationen teilhaben lassen sollen.
„Microsoft hat erkannt, welche wichtige Rolle das Windows-Betriebssystem in der ITK-Wirtschaft eingenommen hat und welche Verantwortung mit dieser Rolle einhergeht“, sagt Microsoft-Sprecher Thomas Lutz.
Bis Herbst 2007 unterliegen die Redmonder noch Einschränkungen, die im Rahmen des US-Kartellverfahrens erlassen wurden. „Die vorliegenden zwölf Prinzipien sind eine freiwillige Selbstverpflichtung, die über diese gesetzlichen Regelungen hinausgehen. Wir wollen damit Transparenz für alle Marktteilnehmer schaffen“, erläutert Lutz.
Das Unternehmen verpflichtet sich nun freiwillig, künftige Versionen von Windows offener zu gestalten. Die Regeln sollen schon beim Windows-XP-Nachfolger Vista angewandt werden. Dies erklärte Microsofts Chef-Jurist Brad Smith und kündigte an, dass man Software-Entwicklern, Computer-Herstellern, aber auch Anwendern künftig mehr Wahlfreiheit gewähren will. Zudem sollen andere Unternehmen über Lizenzen an Innovationen aus dem Haus Microsoft teilhaben können.
Mit seinen „Twelve Tenets to Promote Competition“ macht der Konzern große Zugeständnisse. So sollen etwa nicht nur Middleware-APIs, sondern auch die Programmierschnittstellen anderer Software wie Office zu Windows offen gelegt werden. PC-Herstellern werde es erlaubt, von Windows-PCs Programme wie Internet Explorer oder Windows Media Player zu entfernen und die Vorgaben für Anwendungen zu ändern. Darüber hinaus dürfen grundsätzlich beliebige andere Betriebssysteme, Anwendungen und Web-Services installiert und vermarktet werden. OEMs, die das tun, will Microsoft in keiner Weise wirtschaftlich benachteiligen, verspricht Smith.
Microsoft sagt außerdem zu, seinen Onlinedienst Windows Live unabhängig von Windows zu gestalten, so dass Kunden das Betriebssystem mit oder ohne Live nutzen können. Die meisten Betriebssystem-Patente sollen zur Lizenzierung durch andere Entwickler freigegeben werden. „Wir wollen die Interoperabilität fördern, indem wir verstärkt Industriestandards unterstützen“, so Lutz. Außerdem sollen Windows-Nutzer künftig jede legale Website besuchen und beliebige konkurrierende Anwendungen oder Web-Services nutzen können.
Mit der vergangene Woche von der EU-Kommission verhängten Strafe haben die Grundsätze nichts zu tun, meint Lutz: „Diese Prinzipien gelten weltweit und sind nicht nur an die EU gerichtet.“ Dass die Kartellverfahren jedoch einen gewissen erzieherischen Effekt hatten, ist offensichtlich. Microsoft habe aber aus den Kartellprozessen in den USA und Europa seine Lektionen gelernt, räumt Smith ein. Unter anderen habe man erfahren, dass ein Betriebssystem für die Anwender weniger interessant sei als die Anwendungen, die darauf laufen. „Es ist die Plattform, auf der andere Dinge laufen, jedoch kein Selbstzweck.“
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3 Kommentare zu Microsoft öffnet sich gegenüber Konkurrenz-Software
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closed shop being closed?
… wird statt dessen ein "offener Laden" eröffnet?
Es wäre zu wünschen. Die Zukunft wird’s zeigen, und einige Prüfsteine kennen wir ja schon:
– Unterstützung des des ODF (Open Document Format) durch die neue MS-Office-Version
– Vollständige Standardisierung und Offenlegung von .NET (bisher sind Teile offen, wichtige Teile – z.B. Forms – fehlen) – vergleichbar der Offenlegung von Java / J2EE durch SUN
Vielleicht betrachtet MS die Kontrolle der System-Plattform als nicht mehr ganz so entscheidend wie bisher (bei einer Dominanz von 95% im Client-Bereich), sondern beim Erlangen einer vergleichbaren Dominanz bei Anwendungs- oder Internet-Plattformen eher als hinderlich? (schlechtes Image?)
Immerhin: Die angekündigten Maßnahmen lesen sich wie ein Who is Who der bisherigen "Daumenschrauben-Politik" der Redmonder – alles inclusive.
Zu dieser Nachricht passt, dass MS eine Kooperation mit Xensource anstrebt, mit dem Ziel MS Virtual Server für Linux zu öffnen (und diese Konstellation zu supporten, ggf. ebenso wie Windows auf Xen?)
Vielleicht war es ja auch der stetige Erfolg von Open Source Software in allen professionellen Einsatzbereichen, die MS zum Umlenken bewogen haben?
Es bleibt spannend …
ich steh auf’m Schlauch
Könnte bitte jemand erläutern, was mit dem Satz "Außerdem sollen Windows-Nutzer künftig jede legale Website besuchen und beliebige konkurrierende Anwendungen oder Web-Services nutzen können." gemeint ist? Insbesondere bei Web-Sites und -Services habe ich unter Windows (2000 SP4) bisher keine Probleme gehabt.
Ich muss hier etwas grundlegend falsch verstehen.
Vielen Dank
AW: ich steh auf’m Schlauch
*hrhrhr*
<ironie>
Ach, Du hast noch nicht gemerkt, daß sich opensource-Seiten nur quälend langsam mit dem IE öffnen, oder daß die MS-Update-Seite mit Opera so gut wie gar nicht zu öffnen sind…
</ironie>
Aber mal ganz ernst:
Auch ich dachte mir zuerst, daß ich da was zusammengelesen habe; aber das steht schon richtig so da…