Online-Communities: Vorbild oder reale Gefahr für die User?

ZDNet: Wie, finden Sie, hat sich das Wesen von Online-Communities in den letzten paar Jahren geändert?

Rheingold: Einiges am Online-Sozialverhalten scheint unabänderlich und allgemein zu sein – zum Beispiel Trolle und Griefer [Spieler, der jede Gelegenheit nutzt, um einem anderen Mitspielern das Leben schwer zu machen] und die ewige Metadebatte darum, was man mit ihnen machen soll. Es herrscht eine weit verbreitete Amnesie, als ob diese Art von Cybergesellschaftlichkeit neu wäre.

Nicht viele Menschen im Web haben einen ausgeprägten Sinn für Geschichte. Das trifft wahrscheinlich auf fast alles zu. Was ich wirklich mag, ist, dass es heute so leicht ist, selbst etwas zu machen. Früher war es eine große Sache, einen eigenen Chat oder BBS oder Listserv einzurichten. Heute gehört das für Millionen Menschen zum Rüstzeug, und meistens sind diese Sachen gratis. Meine Hauptsorge galt stets der Qualität des Diskurses im Web – verbessern oder verschlechtern wir die öffentliche Sphäre?

ZDNet: Was hielten Sie davon, als das Time Magazine „You“ zur Person des Jahres wählte?

Rheingold: Time benennt für gewöhnlich ein Phänomen, wenn es sich allgemein verbreitet. Es ist jedoch typisch, dass sie „You“ [also „Du“ oder „Sie“] – als Gegensatz zu „uns“, den „Redakteuren“ – anstelle von „uns“ allen verwendet haben. Aber es verallgemeinert den Begriff der übergreifenden Zusammenarbeit und Gemeinschaft, was für die meisten Leute ein zu langweiliger Begriff ist.

Die Vorstellung, dass Menschen nur für Profit handeln, ist schädlich und überholt. Manchmal bringt Eigeninteresse mehr für alle. Und manchmal machen Menschen etwas aus selbstlosen Gründen, wenn es leicht genug ist. Die Forschung zu Open Source scheint darauf hinzuweisen, dass eine Mischung von Motiven nötig ist, um öffentliche Güter wie Open-Source-Software, Wikipedia und dergleichen zu schaffen: Ansehen, Profit, Wissen, Spaß, Selbstlosigkeit. Profit ist ganz sicher dabei. Aber Profit ist nicht der einzige Beweggrund.

ZDNet: Sie sind ein Burning-Man-Veteran. Welche Parallelen sehen Sie zwischen Burning Man, virtuellen Welten und Online-Communities?

Rheingold: Ohne E-Mail wäre Burning Man nie zustande gekommen, und natürlich gibt es zahllose Maillisten und Wikis, die die verschiedenen Lager benutzen, um ihre Acts zu organisieren. Burning Man ist ein großartiges Beispiel für übergreifende Zusammenarbeit und Gemeinschaft und diese Mischung von Motiven – abgesehen davon, dass es nicht sehr profitabel ist, jedes Jahr Tausende von Dollar für die Planung, den Transport, die Errichtung und das Verbrennen von Big Art auszugeben. Ich sehe echte Kontinuität in dionysischer Dimension – Rock and Roll, Acid-Tests, Raves und Burning Man sind eine evolutionäre Folge. Ich würde sagen, dass Dionysier besser damit zurechtkommen.

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