Von staatlichen Eingriffen in die private Datenschutzsphäre sind nicht allein private Nutzer und Bürger betroffen. So berichtete etwa die Deutsche Telekom, dass staatliche Behörden auch die Unternehmen zunehmend als verlängerten Arm des Gesetzes betrachteten. „Wir merken zunehmend, dass wir in ein Spannungsfeld seitens der Sicherheitsbehörden geraten“, erläuterte Dorothee Schrief, verantwortlich für den Konzerndatenschutz bei der Deutschen Telekom.
Insbesondere große Telekommunikationsanbieter befürchten durch verstärkte Abfragen der Nutzerdaten einen organisatorischen Mehraufwand, der sich im kommenden Jahr durch die erweiterte Vorratsdatenspeicherung noch verstärken dürfte. „Wir müssen dann auch deutlich mehr Vertragsdaten wie Prepaid-Merkmale, Adressen oder Geburtsdaten übermitteln“, so Schrief. Auch seien ab dem kommenden Jahr deutlich mehr Telekommunikations- und Online-Daten zu speichern.
Die Deutsche Telekom sieht Mehrkosten im zweistelligen Millionenbereich auf den Konzern zurollen, da der hohe Aufwand ohne neue Auswertungssysteme für die Datenanalyse kaum zu bewerkstelligen sei. Allein bei der Erfassung der DSL-Kundendaten kalkuliert die Telekom nach einer ersten Schätzung mit Investitionen in Höhe von rund 40 bis 45 Millionen Euro. „Eine Erfassung des Nutzerverhaltens könnte das Geschäftsmodell beeinflussen und sich zudem negativ auf das Image auswirken“, gab Dorothee Schrief zu bedenken.
Der größte deutsche TK-Konzern nähme deshalb nur allzu gerne den Staat in die Pflicht, für die Kosten von mehr Überwachung in den IT-Systemen geradezustehen. Die in Kiel vertretenen Sprecher stellten aber auch den grundsätzlichen Nutzen der Vorratsdatenspeicherung als Mittel gegen Terrorismus in Frage. Nach eigenen Statistiken der Telekom ermitteln die Behörden nämlich dort offenbar hauptsächlich bei Betrugsdelikten und Urheberrechtsverstößen, und nur zu einem verschwindend geringen Anteil aufgrund von Terrorismusverdacht.
„Kriminelle können die Erfassung ohnehin durch einfache Maßnahmen umgehen, etwa mit Hilfe öffentlicher Telefone, Prepaid-Karten oder Verschleierung der IP-Adressen über Proxy-Server“, bilanzierte Schrief. Dennoch müsse sich die Wirtschaft auf den neuen Trend einstellen. „Wirtschaftsunternehmen stellen verstärkt Anfragen, wie sie mit den staatlichen Auskunftsersuchen umgehen sollen“, bestätigt Meike Kamp vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) in Schleswig Holstein.
In derartigen Fällen sei das Unternehmen in jedem Fall dazu verpflichtet, das Ersuchen eingehend zu überprüfen. Unternehmen müssten etwa bei Ermittlungen von Finanzbehörden eine Plausibilitätsprüfung durchführen, da sie sonst Gefahr liefen, gar nicht auskunftspflichtig zu sein, so die Expertin. Im Klartext: Im Verdachtsfall sollte die Geschäftsleitung sich nicht nur rechtlichen Beistand einholen, sondern auch die Betroffenen informieren beziehungsweise in den Auskunftsprozess einbeziehen.
Auch bei einer strafrechtlichen Verfolgung bestehe eine Mitwirkungspflicht, konstatierte Meike Kamp. Die Geschäftsleitung sollte nach Auffassung des ULD genau prüfen, ob das Ansinnen einen realistischen Hintergrund hat. In diesem Fall müssten die Behörden den Sinn und Zweck sowie die in Frage kommenden Daten genau beschreiben. Eine telefonische Anfrage ohne Angabe eines Aktenzeichens reiche nicht aus.
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