Es darf daran gezweifelt werden, dass sich die Konzerne mit ihrem ständigen Wachstum tatsächlich einen Gefallen tun. Big Blue trennte sich in den frühen 90er-Jahren bewusst von eigener Anwendungssoftware, um die Independent Software Vendors (ISVs) als Vertriebspartner für alle anderen Produkte und Services zu gewinnen. Nun ist der Konzern wie auch die anderen Großen dabei, sich sein mühsam geschaffenes Ökosystem zu zerstören. Es wird immer schwieriger, den bisherigen Partnern zu erklären, dass BI-Lösungen keine Anwendungssoftware seien – und auch die vielen Lösungen nicht, die im Rahmen von SOA-Projekten entstehen.
Zu den Kehrseiten dieser Wachstumstrends gehört auch, dass IT-Konzerne in der zunehmend hektischen Suche nach neuen Trends ab und an ihre langfristigen Ziele aus den Augen verlieren und scheinbar alles kaufen, was entfernt nach Erfolg, Wachstumsraten oder einer positiven Analystenbewertung aussieht. Umgekehrt werden Geschäftsbereiche abgestoßen, die zwar profitabel sind, aber mit einem jährlichem Plus von nur zwei Prozent den allgemeinen Schnitt verderben. Insgesamt entstehen so Großunternehmen, in denen das Führungspersonal auf den unteren und mittleren Hierarchiestufen so oft wechselt, dass eine Identifikation mit der Firma kaum mehr möglich ist. Solche Unternehmen füllen sich mit Karrieristen, denen es vor allem auf optisch gute Zahlen für eine Beförderung ankommt. Angesichts der raschen Wechsel können sie darauf spekulieren, dass niemanden auffällt, welchen Schaden sie dabei angerichtet haben.
Verlust an Selbstvertrauen
Folge und Treiber der hektischen Wachstumsstrategie ist der Venture-Capital-Markt. Zwar agieren VCs vorsichtiger als im alten Jahrtausend, aber das Ziel bleibt gleich: extrem hohe Gewinnraten. Diese lassen sich am besten mit Newcomern (siehe oben) oder mit lukrativ erscheinenden Ausgliederungen erreichen – und natürlich in Branchen, die gerade bei den Analysten in Mode sind. Damit erklären sich (zumindest teilweise) die immensen Summen, die VCs in Open-Source Projekte investieren. Anders als bei Social Networks entstehen hier zudem durchaus sinnvolle Lösungen, so dass die Chancen groß sind, die Startups gewinnbringend an die oben erwähnten Konzerne zu verkaufen, bevor die Community das Interesse an dem meist unfertigen Projekt verliert, weil es längst interessantere Probleme zu meistern gilt.
Insgesamt verdichtet sich der Eindruck, dass die Branche das Vertrauen in sich selbst verloren hat. Aus Angst, wichtige Innovationen zu verpassen, läuft sie jeder Mode hinterher. Damit nimmt sie sich die Ruhe, eine langfristige Entwicklungen zu betreiben.
Leider dürfte auch im kommenden Jahr für derart depressive Gedanken wenig Zeit bleiben. Es gilt, die Hausaufgaben für Green IT zu machen, eine Mode, die sich aufgrund einer nachhaltigen Energieknappheit zu einem langjährigen Trend auswachsen dürfte.
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