Zu den vorhersehbaren Tatbeständen im Redaktionsalltag gehört, dass nach dem Erscheinen bestimmter Artikel das Mitteilungsbedürfnis einiger Leser stark ausgeprägt ist. Meistens passiert dies nach Berichten über Prozessoren, Betriebssysteme und Browser. Die Reaktionen zeigen, dass diese Themen die Emotionen schnell hochkochen lassen und teilweise mit Generalkritik nicht gespart wird.
Passt die Aussage eines Artikels nicht in das Weltbild des Lesers, ist der Autor entweder unfähig, ignorant oder eben von der Firma, die im Artikel gut wegkommt, bezahlt. Dass es sich dabei häufig um denselben Autoren handelt, der je nach Produkt mal positiv und mal negativ über ein und dieselbe Firma schreibt, ist dabei offensichtlich nicht so wichtig. Werden die Vorzüge des Internet-Explorers in einem Test herausgestellt, ist man von Microsoft gekauft. Steht das Geschäftsgebaren von Intel im Mittelpunkt der Kritik, steht man auf der Gehaltsliste von AMD. Setzt man sich mit dem allseits behaupteten Ressourcenhunger von Vista auseinander und stellt fest, dass unter dem Microsoft-Betriebssystem der Start von iTunes schneller vonstatten geht als unter Mac OS, landen ehrverletzende Beleidungungen aufgebrachter Mac-User im Postfach. Gleichzeitig steht man natürlich auf der Apple-Gehaltsliste oder hat ein Gratis-iPhone erhalten, wenn in einem Artikel Mac OS besonders gut wegkommt. Anderseits wird ein Bericht über die Installation des Apple-Betriebssystems auf einem Standard-PC wegen der Verletzung des End-User-License-Agreements (EULA) von einigen Lesern mit der Aufforderung zu kriminellen Handlungen gleichgesetzt. Ob die EULA einer gerichtlichen Prüfung nach deutschem Recht überhaupt standhält, fragt man sich natürlich nicht.
Sicher gibt es Fälle, in denen Firmen das Urteil von Journalisten zu beeinflussen versuchen. Als vor einigen Jahren Microsoft Compaq-Handhelds mit dem neuen Windows-Mobile-Betriebssystem an Redakteure verschenkte, wurde dieses Präsent von meinem Redaktions-Kollegen bei der PC Professionell zurückgegeben. Auch heute zeigt sich Microsoft gegenüber Journalisten offensichtlich noch sehr spendabel. Bei Apple ist dies meines Wissens nicht der Fall. Im Gegenteil: Selbst Apples-Leihverträge für Testprodukte sind alles andere als lax. So beträgt die Leihfrist meistens nur eine Woche. Überschreitet sie der Redakteur ohne Absprache, hat Apple das Recht, fünf Prozent des Listenpreises des Geräts pro Tag als Leihgebühr zu kassieren. Auch Presserabatte, die in der Branche durchaus üblich sind, kennt man bei Apple nicht. Folgt man der absurden Einschätzung einiger Leser über das Urteilsvermögen von Journalisten, dürfte es also überhaupt keine positiven Berichte über Apple geben. Dass dem nicht so ist, liegt womöglich an der Objektivität und Souveränität des Redakteurs, der unvoreingenommen Produkte testet und bewertet. Mir persönlich ist es nämlich völlig egal, wer das beste Betriebssystem, den schnellsten Prozessor oder den perfekten Browser herstellt.
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