Schaut man sich als Mitglied der modernen Informationsgesellschaft das ein oder andere Gerichtsurteil an, so darf man schon einmal den Kopf schütteln. Internethändler können abgemahnt werden, wenn sie ihre AGB im falschen Dateiformat veröffentlichen. Websitebetreiber müssen für Inhalte auf verlinkten Seiten haften. Diskussionsforumsbetreiber können mitunter gezwungen werden, Beiträge vor der Veröffentlichung zu prüfen.
So ist es mittlerweile gängige Rechtsprechung, dass Internetanschlussinhaber haften, wenn Fremde einen unzureichend gesicherten WLAN-Zugang nutzen und beispielsweise urheberrechtsgeschützte Musikstücke zum Download anbieten.
Das OLG Frankfurt sah das jüngst anders. Ein Anschlussinhaber wurde zivilrechtlich verklagt. Die Klägerin behauptete, sie habe anhand der IP-Adresse eindeutig feststellen können, dass der Beklagte Musikstücke zum Download anbot.
Der Beklagte konnte nachweisen, zum fraglichen Zeitpunkt in Urlaub gewesen zu sein. PC und WLAN-Router seien von der Stromversorgung getrennt gewesen.
Dem Gericht reichte für die Abweisung der Klage die Tatsache, dass der Beklagte zum fraglichen Zeitpunkt nicht zugegen war. Die sogenannte Störerhaftung könne nicht greifen, da „er für das vorsätzliche Verhalten beliebiger Dritter, die mit ihm in keinerlei Verbindung stehen, eintreten müsste. Das stößt schon deswegen auf Bedenken, weil mit Hilfe der Störerhaftung die einen eigenverantwortlich Handelnden treffende Pflicht, sich recht- und gesetzmäßig zu verhalten, nicht über Gebühr auf Dritte ausgedehnt werden darf“, so die Begründung des Gerichts.
Das bedeutet im Klartext, wenn ein Familienmitglied oder ein Besucher den Internetanschluss missbraucht, dann greift die Störerhaftung des Anschlussinhabers. Hackt sich jedoch ein Fremder ein, dann kann der Anschlussinhaber nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Dem Beklagten wurde Recht gegeben. Ob sein WLAN-Router nun ein- oder ausgeschaltet war, hat das Gericht nicht weiter geprüft.
Doch das Gericht äußert sich im Urteil noch weiter. Selbst wenn der Beklagte als einziger Nutzer des Anschlusses in Frage käme, unterlägen die über die Staatsanwaltschaft vom Provider beschafften Personalien des Anschlussinhabers einem Beweisverwertungverbot. Die Begründung des Gerichts ist plausibel: Der Senat ist der Auffassung, „dass es sich bei der dynamischen IP – Adresse um Verkehrsdaten und keineswegs um Bestandsdaten handeln dürfte. … Deshalb hätte es zur Herausgabe der dem Fernmeldegeheimnis unterliegenden Daten eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses nach § 100 g StGB bedurft.„
Ein klarer Fall für das OLG: Dass Rechtsanwälte einfach über die Staatsanwaltschaften von den Providern Name und Adresse von Anschlussinhabern erhalten, ist mindestens nicht gerichtsverwertbar, wenn nicht illegal.
Auch über den von der Klägerin geforderten Zwang zur WPA2-Verschlüsselung äußert sich das Gericht. Die Klägerin ist der Auffassung, dass WPA2-Verschlüsselung verwendet werden müsse, weil in den Bedienungsanleitungen der meisten WLAN-Router stehe, dass WEP- und WPA-Verschlüsselung geknackt werden können. Das Gericht meint dazu: „Der dortige Hinweis auf den Schutz vor Viren und ungewollten Zugriffen bezieht sich ersichtlich auf das Risiko eines Zugriffs auf den Datenbestand des Beklagten und nicht das Risiko eines Einwählens in dessen WLAN–Router zum Zwecke der Verletzung der Urheberrechte Dritter im Internet.“
WPA2-Verschlüsselung bedeutet nämlich für die meisten WLAN-Router und WLAN-Karten in Notebooks, dass die Geschwindigkeit erheblich reduziert wird. Meist sind mit WPA2 nicht mehr als 6000 KBit/s zu erzielen. Auf die technischen Einschränkungen durch WPA2 geht das Oberlandesgericht allerdings nicht ein.
Dieses Urteil zeigt, dass langsam ein Umdenken stattfindet. Der oft als „Opferhaftung“ bezeichneten Störerhaftung erteilt das Gericht eine klare Absage. Ebenso geht das Gericht verantwortungsvoll mit den gespeicherten Telekommunikationsdaten um. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese zeitgemäße Rechtsprechung mehr und mehr durchsetzen wird und offensichtliche Inkompetenz, wie sie das Landgericht Hamburg regelmäßig beweist, bald der Vergangenheit angehört.
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9 Kommentare zu WLAN-Missbrauch: OLG Frankfurt überzeugt durch Kompetenz
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Wlan-Missbrauch: OLG Frankfurt überzeugt durch Kompetenz
@ Christoph H. Hochstätter … bin glücklich diesen post entdeckt zu haben. Bleib dran.
@besserwisser … prima dass du die Quelle angegeben hast.
Besserwisser u. Chr. Hochstätter bringen bei den Aktenzeichen einiges durcheinander. Bei einem Oberlandesgericht (OLG) gibt es in Zivilprozessen nur U-Aktenzeichen, aber niemals O-Aktenzeichen. Letztere gibt es nur beim Landgericht (LG) in Zivilsachen.
Das eingangs vorgestellte Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt/Main vom 01.07.2008 hat ausweislich der Homepage der Hessischen Justiz das Az 11 U 52/07. Das Az 2-3 O 19/07 gehört zur Vor-Instanz beim Landgericht (LG) Frankfurt/Main, dessen Urteil vom OLG abgeändert wurde. Das Berufungsurteil ist aber noch nicht rechtskräftig, weil die Revision (zum BGH) zugelassen wurde und möglicherweise die unterlegene Klägeirn davon auch Gebrauch gemacht haben könnte, so dass wir vielleicht in den nächsten Monaten noch mehr darüber werden lesen können.
Das von Besserwisser zitierte (schon ältere) Urteil 2-3 O 771/06, welches auf jeden Fall ein Landgerichts-Urteil und definitiv kein OLG-Urteil betrifft, gehört somit gar nicht zu dem o.g. Instanzenzug. Es mag wohl sein, dass es sich mit einer ähnlichen Problematik befasst hat und durch das aktuelle OLG-Urteil nun ebenfalls obsolet geworden ist. Wenn es jedoch damals nicht in zulässiger Weise angefochten wurde, bleibt es gleichwohl rechtskräftig.
@Besserwisser: Wie man sofort durch Klick auf das verlinkte Wort „Urteil“ sehen kann, handelt es sich um das Instanzenaktenzeichen 2-3 O 19/07 des OLG Frankfurt vom 1.7.2008 . Das von Ihnen zitierte AZ ist das nunmehr aufgehobene Urteil der untergeordneten Instanz LG Frankfurt.
Es sich um ein Urteil vom 22. Februar 2007 des OLG Frankfurt/Main (AZ: 2-3 O 771/06). Es schadet nicht auch mal seine Quellen anzugeben.
Ich gehe schon aufgrund der Haltung der Filmindustrie nur noch sehr sehr selten ins Kino. Allerdings habe ich ein paar hundert gekaufte DVDs.
Es nervt mich sicher einmal wöchentlich dass in einem dreisprachigen Land wie der Schweiz zwar alles in den drei Hauptsprachen angeschrieben sein muss, Filme aber mehrheitlich nur Eglisch/Deutsch oder Englisch/Französisch verfügbar sind, ohne von Staat beheligt zu werden mit der Begründung dass die Rechteverwertung nach Sprachgebieten aufgeteilt ist. Gleiches Recht für alle?
Ich habe auch ein paar tausend gekaufte CD\’s die sich über die Jahre angesammelt haben. Leider ist die Kauftendenz stark abnehmend da mein Geschmack offensichtlich mehrheitlich von der Musikindustrie nicht abgedeckt wird. Es gibt ein paar löbliche Ausnahmen, aber die sind rar.
So hilft mir die Unterhaltungsindustrie aufs Alter hin zu sparen.
Die sollten es mal mit Arbeiten versuchen statt mit Kundenverarsche.
Das ist die bisher beste Nachricht des Tages, wenn nicht der Woche!
Die Hasspropaganda in Kinos gegen Raubkopierer – auch wenn ich gegen das Raubkopieren bin und dies zu Recht strafbar ist – ging mir schon lange auf den Keks, es handelt sich nun mal nicht um ein Verbrechen, das mit Völkermord gleichwertig wäre, wie es die Musikindustrie gerne darstellt.
Hoffen und beten wir, dass sich diese Auffassung durchsetzt.
von dem Urteil sollten sich einige Richter, vor allem die der Pressekammer Hamburg, eine Scheibe abschneiden.
Über diese vernünftige Sichtweise freuen wir uns bei FON.com doch sehr!
Endlich! Was war das auch für ein Schmarrn