Chrome OS? Nein danke!

Googles Ankündigung, mit dem Chrome OS ein eigenes Betriebssystem vorzustellen, sorgte zwar für viel Aufruhr im Blätterwald. Bei den meisten Betriebssystem-Enthusiasten dürfte sie aber einen Aufschrei ganz anderer Art auslösen. Unser australischer ZDNet-Kollege Renai LeMay weiß auch welchen: "Nicht noch eine weitere Linux-Distribution!"

Googles Ankündigung, mit dem Chrome OS ein eigenes Betriebssystem vorzustellen, sorgte zwar für viel Aufruhr im Blätterwald. Bei den meisten Betriebssystem-Enthusiasten dürfte sie aber einen Aufschrei ganz anderer Art auslösen. Unser australischer ZDNet-Kollege Renai LeMay weiß auch welchen: „Nicht noch eine weitere Linux-Distribution!“

Der Grund dafür ist einfach: Das wahrscheinlich größte Problem der Linux- und Open-Source-Gemeinde in den vergangenen beiden Jahrzehnten ist ihre Fragmentierung. Nicht genug damit, dass das Unix-Betriebssystem in den achtziger und neunziger Jahren in mehrere Teilbereiche aufgesplittert wurde und Administratoren sich mit Solaris, AIX, HP-UX, FreeBSD und wer weiß was sonst noch herumschlagen mussten. Auch die zahlreichen unterschiedlichen Entwicklungswege, in die sich Linux aufgespalten hat, sind Teil dieses Problems.

Red Hat – in der offiziellen Red Hat Version und in der als Fedora bekannten Community-Version, Mandriva oder Suse, vielleicht auch Slackware oder Debian – alle verlangen vom Benutzer unterschiedliche Kenntnisse in Bezug auf Package Management, Konfiguration, Boot-Management oder dem Window Management System. Ach ja, und dann gibt es ja auch noch ein paar Microsoft-Betriebssysteme sowie Apples Mac OS X und dessen Vorgänger.

Der eine oder andere Linux-Freund sah in den vergangenen zwei Jahren jedoch so etwas wie ein Licht am Ende dieses verzweigten und gewundenen Tunnel-Labyrinthes: Aus den Grabenkämpfen der einzelnen Linux-Distributionen ging – zumindest was Linux auf dem Desktop anbelangt – eine als strahlender Sieger hervor: Ubuntu.

Die Verteilungskämpfe im Serverbereich scheint dagegen – zumindest zahlenmäßig – Red Hat gewonnen zu haben.
So sehr man die reduzierte Vielfalt auch bedauern mag: Sie eröffnete der Linux-Community einen wichtigen Vorteil in ihrem Kampf um Verbreitung gegen die etablierten Betriebssysteme von Microsoft und Apple, da Softwareentwickler sich mehr und mehr auf eine Plattform konzentrieren konnten.

So gesehen könnte man Googles Entscheidung, seine eigene Linux-Distribution ins Leben zu rufen, und damit die Linux-Bewegung erneut zu spalten, als kritischer Geist auch als töricht und selbstsüchtig bezeichnen. Statt sein eigenes Süppchen zu kochen, hätte Google doch lieber auf die von Mark Shuttleworth und seinen fleißigen Ubuntu-Programmierern geleistete Arbeit zurückgreifen sollen.

Wenn Google wirklich ein neues „windowing system on top of a Linux kernel“, schaffen möchte, wie es in der Ankündigung heißt, sollte einer offenen Zusammenarbeit mit den fähigsten Köpfen in diesem Bereich doch nichts entgegenstehen. Ich bin sicher, Linus Torvalds hätte zum Beispiel ein paar interessante Anmerkungen zu Googles Plänen, die Linux zugrundeliegende Sicherheitsarchitektur völlig neu zu entwerfen…

Zweifelsohne hat Google mit seiner Ankündigung von Chrome OS, dem Chrome Browser und Android bereits erste Schritte in dieser Richtung unternommen. Aber es bleiben einige Fragen offen. Zum Beispiel die, wie sich die Google-Projekte zu „echten“ Open-Source-Projekten verhalten werden, die von der Community gewartet und supported werden? Oder inwieweit werden es einfach weitere Ergänzungen zu Googles Online-Werbe-Imperium sein? Ganz nach dem Motto: „Diese Fehlermeldung wurde ihnen präsentiert von XYZ.“

Android ist bestimmt ein tolles Mobilfunkbetriebssystem. Aber Google kontrolliert die wesentlichen Aspekte der Entwicklung – trotz des schönen Aufklebers „Open Source“. Es lässt sich auch nicht bestreiten, dass Android ganz komfortabel mit Googles Cloud-Angeboten zusammenarbeitet (Google Mail, zum Beispiel). Wie sieht es aber mit Windows Live oder anderen rivalisierenden Plattformen aus? Die selbe Problematik besteht beim „Chrome“-Browser.

Wem soll man trauen? Der nicht-kommerziellen Ubuntu Foundation oder Google, das auch (scheinbar zumindest) kostenfreie Produkte entwickelt, zu denen man als „Bonus“ manchmal auch noch Werbung bekommt?

Google hat zugegebenermaßen viele großartige Angebote. Derzeit versucht der Suchgigant aber den schmalen Grat zwischen der Hinwendung zur Open-Source-Community und dem Erhalt von Kontrolle über selbst entwickelte Software zu beschreiten. Das wird schiefgehen. Und der Versuch wird Google letztlich der selben Kritik aussetzen, wie sie sich die anderen Anbieter von Betriebssystemen schon jahrelang anhören müssen.

Alle, die von Google auf etwas undefiniertes, diffuses „Besseres“ hoffen, als sie es von Microsoft kennen, werden letztendlich enttäuscht sein: Auch Google ist an der Börse notiert und will Geld verdienen. Vielleicht anders, als Microsoft. Aber sicher nicht weniger.

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9 Kommentare zu Chrome OS? Nein danke!

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  • Am 31. Juli 2009 um 4:37 von Kernberg

    Google killt Ubuntu
    Selbst Googles Milliarden werden aus Ubuntu kein ordentliches OS machen, dazu ist es zu kompliziert, um nicht zu sagen zu verkorkst. Ich bin selbst seit 7.10 dabei, seitdem nehmen die Probleme alle 6 Monate zu, mal kein Sound, mal kein WLAN, mal keine Maus usw. So etwas kann Google seinen Fans nicht zumuten, bei denen muss die Final laufen in jeder Beziehung. Man denke nur mal an KDE4, seit 11.01.08 das reinste Chaos, ohne ein Ende in Sicht. Google wird sich den Kernel nehmen und seine eigene Karosserie draufsetzen, ähnlich wie Apple mit MacOS, bezahlte Programmierer die konsequent auf ein Ziel hin programmieren werden dies bewerkstelligen.
    ChromeOS wird im Billig-Privatanwender-Sektor wildern, als Zweitsystem für Alt- oder Billigrechner, dort wird es auf Ubuntu treffen und dessen ärgster Feind werden. Shuttleworth ist zwar reich, verglichen mit Google aber ein armer Schlucker, der auch nur das Zusammenbinden kann was von der Linux-Community geliefert wird, und das ist reichlich unstrukturiert.
    Im Gegensatz zu Ubuntu wird Google ab dem ersten Tag mit seinem OS Geld (bzw. Informationen) durch Werbung verdienen, somit wird das System zum Selbstläufer, davon ist Shuttleworth weit entfernt, dieser rechnet noch mit mind. fünf Jahren Subventionsbedarf.
    ChromeOS wird das Ende von Free-Dos bei PC-Verkäufern sein, die Möglichkeit einen windowslosen Rechner mit einem "richtigen" OS anzubieten, unter diesen Umständen wird Dell Canonical feuern, aber mal sehen.
    Ich werde Ubuntu als Dual-Boot trotzdem treu bleiben, solange die so weitermachen wie bisher, wird sich kein Virenprogrammierer für die interessieren und das ist mir das wichtigste!

    • Am 14. August 2009 um 9:26 von gundamn

      AW: Google killt Ubuntu
      Dem ist nicht so!

  • Am 10. Juli 2009 um 2:22 von Elmar

    Google ist eine Krake kein Samariter
    Viele mögen denken, es sei gut für Linux und die freie IT-Community, wenn auch Google ein Linux herausbringt. Ich glaube das nicht.

    Es geht Google nicht um Linux oder OpenSource. Es geht Google darum sich einen noch größeren Teil der globalen IT auf seine Server zu saugen und daran zu verdienen.

    In der Vergangenheit waren das vor allem Daten, also Webseiten und E-Mail. Nun steht die Infrastruktur. Als nächsten Schritt geht es Google klar darum, immer mehr der eingesetzten Programme bei sich laufen zu haben. Der personelle Computer wird wieder zum Terminal herabgestuft.

    Was sind Netbooks denn anderes, als Terminals für Webserver und Googles E-Mail-Server? Als Terminalbetriebssystem reicht da eben ein völlig abgespecktes Linux. Aber diese Degradierung bringt Linux wirklich keine Fortschritte. Programme werden in Zukunft mittels Chrome als Skriptsprachen, on the fly vom Sever geseendet, von Googles Servern.

    Wenn dieses Konzept von aufgeht, beherrscht Google die Weltweite Datenverarbeitung noch viel umfassender als Microsoft. Hatte Microsoft lediglich ein Monopol auf Software, umfasst das Monopol von Google Daten, Software, Hosting und Werbung in allen Lebensbereichen.

    Das heißt dann für Entwickler dann zunehmend, entweder für Google zu arbeiten oder sich um die schrumpfenden Nischen steiten. Am Ende könnte das zur PC-Monokultur a la Microsoft die schlechtere Alternative sein. Der Teufel wird mit dem Belzebub ausgetrieben.

  • Am 9. Juli 2009 um 16:26 von Stormy

    Vielleich will Ubuntu ja nicht weg vom X11 Window Server
    Ubuntu schön und gut aber so wie sich das anhört wird Google ein neues Windowing System schaffen abseits von X11 Gnome und KDE und wie sie alle heissen.
    Das ist aber genau das was ein Ubuntu ausmacht. Integration der Tools in die Gnome oberfläche. Und genau das will Google neu und "sicher" Programmieren.
    Ähnlich wie Apple die Ihren Window Manager auf einen BSD Kernel gesetz haben wird es jetz dann einen Google Windows Manager auf Linux Kernel geben.

    Wenn das zum schluss halbwegs alles ineinander greift .. ein guter entschluss.

    Stormy

  • Am 9. Juli 2009 um 11:03 von thomasj

    Man kann es langsam nicht mehr lesen.
    "Statt sein eigenes Süppchen zu kochen, hätte Google doch lieber auf die von Mark Shuttleworth und seinen fleißigen Ubuntu-Programmierern geleistete Arbeit zurückgreifen sollen."

    Tut mir leid, aber wenn dieser Herr schon über etwas schreiben muss, dann sollte Er sich doch bitte vorher schlau machen. Nunja, zumindest bleiben ja zwei Möglichkeiten. Entweder ist dieser Mensch schlichtweg ein Ubuntu-Fanboy oder hat andere Vorteile bezogen.
    Ich bin nun wirklich kein Debian-Anhänger aber das ist selbst für mich ein Schlag ins Gesicht. Naja, die Zeit wird es zeigen, wäre nicht der erste Überflieger mit Bruchlandung.

    Kopfschüttelnde Grüße
    thomasj

  • Am 9. Juli 2009 um 10:50 von ow stern

    Linux
    der autor kann doch nur ein lobbyist von microsoft sein.
    1. die quasimonopolstellung von microsoft muss endlich beendet werden.
    2. ich weiss nicht, was daran erstrebenswert ist, ein teures, aufgeblähtes und wenig komfortables os wie windows 7 zu haben.
    3. microsoft hat nichts kundenorientiertes
    4. warum soll ich mir ne virenschleuder auf dem rechner installieren
    5. wir leben in einer freien informationsgesellschaft und je mehr auswahl der kunde hat, desto besser ist es für den markt. warum sollten die gesetzmäßigkeiten anderer märkte für den OS-Markt nicht auch gelten.

    konkurrenz belebt das geschäft und es lebe die vielfalt, auch wenn es ihnen nicht passt, herr marwan. sie sind auf dem holzweg.

    • Am 10. Juli 2009 um 20:46 von SJ

      AW: Linux
      1. Ja, eigentlich wäre es gut, wenn andere Betriebssysteme einen höheren Marktanteil hätten, dann würde sich die Virengefahr verteilen und ich unter Windows sicherer sein.
      Hmm, leider würde ich dann mehr auf mein Linux aufpassen müssen.

      Denn was ein höherer Marktanteil aus angeblich quasi 100% sicherer Software macht, zeigt ja eindrucksvoll der Firefox…

      2. Aufgebläht: ja, relativ groß auf der Platte ist Windows. Relativ langsam allerdings nur Vista, Windows 7 nicht mehr, insbesondere auch im Vergleich mit aktuellen Linuxdistributionen.
      Teuer: Ansichtssache
      Wenig komfortabel: Naja, da sehe ich die (teilweise abgekupferte, dabei aber teilweise auch besser umgesetzte) Windows 7 Oberfläche dann doch vor Ubuntu z.B.

      3. Naja, also meine E-Mails bei Problemen z.B. wurden normalerweise sehr schnell innerhalb weniger Stunden beantwortet. Sei es bei einer Beta oder der fertigen Software.

      4. Mit Viren würde es Linux vermutlich gehen wie mit dem Mac oder dem Firefox bei größerer Verbreitung…
      Beide galten mal als "absolut sicher" oder "virenfrei", … (ja, ich weiß, manche behaupten das immer noch)

      5. Es gibt nicht ohne Grund Standards.
      Trotzdem sehe ich das ähnlich, die Auswahl führt zu besseren Produkten.

  • Am 9. Juli 2009 um 0:17 von Marky Goldstein

    Nokia, Intel, Cisco, Red Hat, Google, Oracle, Novell, Ubuntu, etc.
    Die Linux Allianz formiert sich. Trotz unterschiedlichen Bemühungen profitiert die Linux Bewegung. Innovation wird wieder möglich.

  • Am 8. Juli 2009 um 20:55 von linux

    linux
    linux ist cool! so einfach.

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