Chrome OS: Leben in der Matrix

Mit der Ankündigung ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln, das in der zweiten Jahreshälfte 2010 erscheinen soll, hat Google vergangene Woche für große Aufregung gesorgt. Google-Chef Schmidt sieht bereits mehrere Millionen PCs mit Chrome OS. Diese kühne Vision dürfte außerhalb Googles jedoch kaum jemand teilen.

Mit der Ankündigung ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln, das in der zweiten Jahreshälfte 2010 erscheinen soll, hat Google vergangene Woche für große Aufregung gesorgt. Google-Chef Schmidt sieht bereits mehrere Millionen PCs mit Chrome OS. Diese kühne Vision dürfte außerhalb Googles jedoch kaum jemand teilen.

Googles Ankündigung, ein auf Chrome basierendes Betriebssystem zu entwickeln, erachten viele Marktbeobachter als Kampfansage an Microsoft. Das ist sicherlich nicht falsch, aber ist es auch relevant? Schließlich erreicht der im September 2008 vorgestellte Google-Browser Chrome nicht mal zwei Prozent Marktanteil. Ein Beispiel, das zeigt, dass nicht alles zu Gold wird, was der von vielen Kritikern als Datenkrake bezeichnete Internet-Konzern in die Finger nimmt. Es gibt noch mehr Beispiele.

Kennt noch jemand Google Videos, Orkut oder Lively? Nein? Kein Wunder, so ist der als Second-Live-Konkurrent gestartete Dienst Lively inzwischen abgeschaltet. Second Life – auch wenn der Hype über virtuelle Welten abgeebbt ist – existiert noch. Die Online-Community Orkut lebt zwar noch, allerdings dürfte sie gegenüber Facebook kaum eine Chance haben. Auch Google Videos führt ein Schattendasein. Der Versuch damit YouTube Konkurrenz zu machen, darf als gescheitert erachtet werden. Dies hat Google mit dem Kauf des populären Video-Portals selbst bestätigt. Auch ist Googles kostenlose Textverarbeitung alles andere als ein „Word-Killer“. Und dass Google Mail den Verkäufen von Exchange geschadet hat, kann man auch nicht behaupten. Im Gegenteil: Sogar Apple stattet sein nächstes Betriebssystem Mac OS X 10.6 Snow Leopard mit nativer Exchange-Unterstützung aus.

Noch sind wenig Einzelheiten zu Chrome OS bekannt. Technisch dürfte es sich am Terminal-Modell der 70er Jahre orientieren, wobei der Mainframe durch die Google-Server ersetzt wird. Geht man von den dürftigen Informationen aus, die Google zum neuen Chrome OS mitgeteilt hat, wird es darauf hinauslaufen, dass sich Chrome OS auf einer geschützten Systempartition befindet, die für den Nutzer und für Applikationen nicht zugänglich ist. Zum Thema 3rd-Party-Anwendungen lässt Google verlauten, dass sich Entwickler an Web-Standards orientieren sollen. Vermutlich lassen sich auf einem PC mit Chrome OS nicht einmal Applikationen im herkömmlichen Sinne installieren. Und ob Nutzer Daten auf einem PC mit Chrome OS abspeichern können, ist noch völlig offen. Vermutlich dient ein PC oder Notebook mit dem Google-Betriebssystem zunächst nur dazu, schnell ins Internet sprich auf die Google-Server zu kommen.

Da Chrome OS kostenlos angeboten werden soll, ist der Zugriff der Nutzer auf die Google-Server die Haupteinnahmequelle des Internet-Konzerns. Das haben die Google-Gründer auch schon offiziell auf einer Presse-Konferenz zugegeben. „Wir profitieren, wenn die Menschen mehr Zeit im Internet verbringen und auf Google-Anzeigen klicken“ sagte Larry Page auf einer Pressekonferenz vergangene Woche in Idaho. Somit zahlt der Anwender für die Nutzung von Chrome OS nicht mit Geld, sondern mit seiner Identität. Fast so wie in der Matrix, wo intelligente Maschinen Menschen als Energiequelle nutzen.

Noch ist es nicht soweit und es wird vermutlich auch nicht so kommen. Als Erste dürfte sich EU-Kommissarin Neelie Kroes für die Koppelung von Betriebssystem und Browser interessieren. Schließlich muss Microsoft in der EU Windows 7 auch ohne Browser anbieten, weil die EU-Kommissarin aus Wettbewerbsgründen etwas gegen die Integration des Internet Explorers in Windows hat.

Und selbst wenn die EU-Kommissarin nichts gegen die Koppelung aus Betriebssystem und Browser im Fall von Chrome OS einwendet und die Anwender wenig Wert auf Datenschutz legen, dürfte es Chrome OS schwer fallen, nennenswerte Marktanteile zu gewinnen. Schließlich hat selbst der schlechte Ruf von Vista nicht dazu geführt, dass Linux populärer geworden ist. Und mit Windows 7 steht der Marktstart eines neuen Microsoft-Betriebssystems bevor, das an die Erfolge von Windows XP anknüpfen könnte.

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