Die Geschichte von David und Goliath ist mindestens ebenso alt wie die Geschichte vom Angler und seinem Fisch: In beiden wird der letztendlich Unterlegene bei jedem neuen Erzählen der Geschichte noch einmal ein Stückchen größer. Verwandt mit diesem Genre ist die Geschichte vom mutigen Journalisten, der ganz alleine den großen, bösen Konzern besiegt. Leider kommt das fast ebenso selten vor, wie der Sieg eines David gegen einen Goliath. Schön, wenn man dann wenigstens den Verdacht streuen kann, man könne so eine Geschichte erzählen.
In der deutschen IT-Branche ist SAP – leider – der einzig echte Goliath. Er steht daher unter ganz besonderer Beobachtung. In letzter Zeit gab es auch reichlich Anlass dazu: Die Übernahme von Business Objects und deren Folgen, die Einführung eines neuen Support-Modells (samt Preiserhöhung) und die stetigen, aber offenbar nicht immer so erfolgreichen Versuche, im Mittelstand Fuß zu fassen. Auch die technologische Herausforderung, beim Thema Software-as-a-Service mit dem Markt Schritt zu halten, ist ein viel beachteter Aspekt des SAP-Geschäfts. Gerade er scheint es den Wirtschaftsjournalisten angetan zu haben, wird dieser Weg doch auch als probates Mittel gesehen, um endlich eine große Zahl echter mittelständischer Kunden anzusprechen, den Angeboten von Sage, Microsoft und anderen Paroli zu bieten und so mehr Umsatz und Gewinn zu erzielen.
SAPs Eigentor
SAP hat beim Thema Business by Design ein Eigentor geschossen, indem es sich viel zu früh – und ganz gegen die sonstige Gewohnheit – mehr oder weniger auf einen Zeitplan festgelegt hat. Der konnte aber nicht eingehalten werden und wurde inzwischen revidiert. Das kommt bei Softwareanbietern ja schon mal vor.
Von den Kritikern wird daraus jedoch messerscharf geschlossen, dass SAP Umsätze in Milliardenhöhe flöten gehen, denn schließlich gibt es von anderen Anbietern bereits SaaS-, On-Demand- oder Wie-immer-sie-heißen-mögen-Angebote. Unter Berufung auf ominöse „unternehmensnahe Kreise“ werden immer wieder entweder neue, angeblich total investigativ aufgedeckte Verzögerungen im Zeitplan, als lebensbedrohliche Gefahr für SAP verkauft, oder altbekannte Tatsachen mit viel Tam-Tam und dem Siegel „exklusiv“ als angeblich Neue hinausposaunt.
Klar wird so etwas gern gelesen, hört es sich doch wie die alte und beliebte Geschichte von David gegen Goliath an. Es ist aber – mit Verlaub gesagt – Quatsch. Zwar wäre es sicher schön, wenn SAP sein Business by Design schon fertig hätte. Es ist aber verfehlt, Scharen von Anwenderunternehmen würden nur darauf warten.
Das Eigentor der Kritiker
Ja, über SaaS wird viel gesprochen und geschrieben. In Teilbereichen sind auch schon ganz akzeptable Nutzerzahlen erreicht. Aber eben nur in Teilbereichen. SAP verweist zu Recht darauf, dass Business by Design eben mehr sein wird als ein bisschen SaaS. Und Firmen, die so eine – zumindest aus ihrer Sicht – komplexe Anwendung in einer nebulösen Cloud betreiben sollen oder wollen, kommt es derzeit nicht auf ein paar Monate an (siehe Grafik am Ende dieses Beitrags).
Ja, es gibt Angebote für ganz kleine Unternehmen, etwa von Lexware oder Mamut. Und die scheinen auch gut angenommen zu werden. Mit der Kernzielgruppe von Business by Design haben diese Anwender aber so wenig gemeinsam wie der indische 2000-Euro-Wagen mit einem VW Golf. Die sich wiederholenden „Katastrophenmeldungen“ von weiteren Verzögerungen oder Problemen bei Business by Design sind daher wenig sensationell: Selbst wenn es verfügbar wäre, würde es sich derzeit kaum auf die SAP-Bilanz auswirken.
Dass SAP daran arbeitet, ist aber eine notwendige Investition in die Zukunft. Denn eines Tages wird es ohne SaaS-, On-Demand- oder Cloud-Angebote nicht mehr gehen. Aber „eines Tages“ ist weder im Dezember 2009 noch im März 2010 und auch nicht im Dezember 2010. SAP tut gut daran, sich Zeit zu lassen: Denn wer zu früh kommt, hat schon oft enttäuscht.
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