Man braucht nur in die Stellenausschreibungen der Tageszeitungen zu schauen: In fast jeder steht der Satz „Kenntnisse in Textverarbeitung (Microsoft Office) sind Voraussetzung“. Aber die Zeiten ändern sich. Jüngstes Beispiel, welche Wellen das Thema inzwischen schlägt, ist die durch einen Bericht des Handelsblatts angestachelte Aufregung um den „Rauswurf“ von Microsoft Office bei IBM.
Die Realität sieht zwar weitaus weniger dramatisch aus, die langfristigen Folgen wiegen aber für Microsoft deshalb nicht weniger schwer. Fakt ist, dass Big Blue mittel- bis langfristig plant, die Bürosoftware Microsoft Office auf den PCs seiner Mitarbeiter durch Lotus Symphony zu ersetzten. Bei Austausch neuer Laptops und Desktops geschieht dies natürlich sofort. Ansonsten sei es „natürlich auch ein Projekt und werde nicht von heute auf morgen von oben verordnet“, wie Stefan Pfeiffer, Marketing-Manager von IBMs ECM- und Lotus-Bereich, sagt.
Es schadet trotzdem nicht, ein wenig mehr über die IBM-Tochter Lotus und ihr Produkt Symphony zu wissen. Die 1982 von Mitch Kapor und Jonathan Sachs an der US-Ostküste gegründete Lotus Development Corporation wurde 1995 von IBM übernommen. Bekannteste Produkte des Hauses waren damals wie heute die Tabellenkalkulation Lotus 1-2-3 (unter DOS) und das Groupware-Programm Lotus Notes, heute der E-Mail-Client von IBM. Der dazugehörige Server heißt Domino und ist mit Microsoft Exchange vergleichbar.
Aus den achtziger Jahren stammt auch Lotus Symphony, eine dem späteren Microsoft Office ähnliche Sammlung von Bürosoftware. Das beste Produkt dieser Art war jedoch zunächst Open Access der Softwarefirma SPI (Software Products International) des deutschen IT-Professors Peter Eichhorst, mit Sitz im kalifornischen San Diego.
Die heute aktuelle Software IBM Lotus Symphony wurde 2007 angekündigt und 2008 vorgestellt. Diese Version basiert auf dem von Sun Microsystems unterstützten OpenOffice, das der norddeutsche Programmierer Marco Börries als „StarOffice“ mit nach Kalifornien brachte. Derzeit aktuell ist die im Juni 2009 erschienene Version 3.1.1 von OpenOffice. Sie bietet auch Importfunktionen für die Dateiformate aus Microsoft Office 2007 und ist kostenlos für die Betriebssysteme Microsoft Windows, MacOS sowie Linux erhältlich.
Zukünftige Versionen von IBM Lotus Symphony sollen auf dem Programmcode von OpenOffice.org aufsetzen und Erweiterungen von IBM enthalten. Eine erste Versionsanpassung will IBM im Laufe des Jahres 2010, vermutlich zur CeBIT im März, veröffentlichen.
Es ist also kaum zu verstehen, warum IBM gerade jetzt eine solche Schau abziehen sollte, wie sie der Artikel des Handelsblatts schildert, ist doch Big Blue mit der Aktualität seiner Bürosoftware, die wie Lotus Notes von Mitarbeitern und Kunden genutzt werden soll, deutlich im Verzug.
Neueste Kommentare
2 Kommentare zu Heftiges Gerangel um wertvolle Bürosoftware
Kommentar hinzufügenVielen Dank für Ihren Kommentar.
Ihr Kommentar wurde gespeichert und wartet auf Moderation.
Was für eine Aufregung
Soll IBM doch tun, was es für richtig hält. Ob sie mit der Lotus-Schiene tatsächlich besser fahren, wird sich noch zeigen. Auf alle Fälle: viel Wirbel um nichts.
SPI – da schau her!
Ich hätte nicht gedacht, dass ich die Firma, bei der ich meinen ersten Job bekommen habe (SPI in München im Arabella Park) nach so vielen Jahren noch einmal namentlich erwähnt sehen würden.
OpenAccess war einsame Spitze! Ein in UCSD-Pascal geschriebenes und in einer eigenen OS-Bubble-laufendes Programm – heute würde man Virtualisieren sagen.
Kleine Sticheleien am Rande beim Positionieren gegen den lieben Mitbewerb nach über 20 Jahren am Rande:
gegen Lotus-123 "Open Acess – für alle, die weiter als bis 3 zählen können!"
gegen Symphony "Open Access – für alle, die nicht die Unvollendete auf dem Rechner haben wollen" oder
gegen Framework "Open Access – wenn Sie nicht aus dem Rahmen fallen wollen"
Ich grüße alle damaligen Mitstreiter, Konkurrenten, Kunden und wer sich sonst noch so an die glorreichen 80er-IT-Jahre in München erinnert.
Beste Grüße
schulte