Vorwand Kinderpornografie: EU-weites Zensurgesetz droht

Man darf nicht davon ausgehen, dass „Censilia“ Malmström die Websperren in guter Absicht vorschlägt. Dazu war sie auf der Pressekonferenz am Montag viel zu gut über die Diskussion in Deutschland informiert. Auf die Frage eines Journalisten nach der Umgehbarkeit von DNS-Sperren konnte sie prompt antworten. Auch hat sie sich nicht zufällig den Blog einer großen deutschen Tageszeitung ausgesucht, um ihre Argumente darzulegen.

Dass die Meinungs- und Informationsfreiheit bei der Darstellung von Kinderpornografie im Internet aufhört und dass der Schutz der Menschenwürde der missbrauchten Kinder Vorrang hat, ist auch unter den Sperrgegnern unumstritten. Das Problem liegt darin, dass die Sperren einerseits keine Wirkung zeigen und andererseits das sensible Thema Kinderpornografie dazu missbraucht wird, einen Vorwand zu liefern, europaweit eine Sperrinfrastruktur zu errichten.

Wenn man einzelne Puzzleteile wie DNS-Sperren, ACTA-Abkommen, Jugendmedienstaatsvertrag und Leistungsschutzrecht der Presse vor Google zusammenfügt, geht es darum, dass Medien, Musikindustrie und Politiker Angst davor haben, dass jedermann mit geringen Einstiegskosten zum eigenen Verleger werden und mit Hilfe von Google Millionen von Menschen erreichen kann. Alvar Freude vom Arbeitskreis Zensur hat dazu in einem aktuellen Blog eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zitiert, die bereits aus dem Jahr 2000 stammt.

Dort wurde schon vor 10 Jahren zusammengefasst, was die offizielle Netzpolitik in Europa und den USA erreichen will: „Die Internet-Entwicklung gibt ihm [dem Internet-Nutzer] unweigerlich die Kontrolle darüber, welche Informationen und Inhalte ihn wann und wie erreichen. Das neue Medium ist nicht mehr auf Vermittler wie Verlage, Sender, Zeitungen oder die Musikindustrie angewiesen. Im Internet wird eine ‚Massenkommunikation‘ von Individuum zu Individuum möglich. Auf diese Entwicklung hin zur Nutzerkontrolle sind wir bisher nicht vorbereitet. Wir müssen neue Regulierungsmechanismen entwickeln.

Kinderpornografie soll als Türöffner für die Errichtung einer Zensurinfrastruktur dienen. Im Namen des Jugendschutzes im neuen Staatsvertrag sollen Hürden geschaffen werden, die verhindern sollen, dass Anbieter von Inhalten sein kann und nicht darauf beschränkt ist, Konsument zu sein.

In Deutschland sind die Erkenntnisse der Bertelsmann-Studie den Internetnutzern zum größten Teil bekannt – vor allem durch die Diskussion um das Internetzensurgesetz. Jetzt gilt es, das Wissen in die anderen EU-Länder zu tragen und sich vor allem Gehör bei den Abgeordneten des europäischen Parlaments zu verschaffen. Sollten die Pläne der EU und vieler Regierungen für eine Internetregulierung Gesetz werden, wäre das ein schwerer Rückschritt für die Demokratie in ganz Europa.

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ZDNet.de Redaktion

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