Der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBud) hat heute in Karlsruhe 60 Aktenordner mit über 22.000 Vollmachten für eine Verfassungsbeschwerde gegen den elektronischen Entgeltnachweis ELENA dem Bundesverfassungsgericht übergeben. Insgesamt seien in den letzten beiden Wochen mehr als 30.000 Menschen ihrem Aufruf gefolgt und hätten sich in ein Online-Formular für die Verfassungsbeschwerde eingetragen, teilte die Bielefelder Bürgerrechts- und Datenschutzorganisation mit. Gemeinsam wolle man erreichen, dass die zentrale ELENA-Datenbank mit sensiblen Arbeitnehmerdaten gelöscht wird.
Das Gesetz zu ELENA trat im März 2009 in Kraft. Es sieht vor, dass die Einkommensdaten der gesamten deutschen abhängig beschäftigten Bevölkerung zentral auf Vorrat gespeichert werden. Die Datenbank soll in erster Linie der elektronischen Ausstellung von Einkommensnachweisen bei der Beantragung von Sozialleistungen dienen.
Seit Anfang 2010 sind Arbeitgeber verpflichtet, die Einkommensdaten ihrer Mitarbeiter der zentralen Speicherstelle (ZSS) zu melden. Diese bauen zurzeit die deutschen Rentenversicherungsträgern in Würzburg auf. Vor allem die Vielzahl der Daten, die im elektronischen Entgeltnachweis gespeichert werden sollen, löst bei den Kritikern verfassungsrechtliche Bedenken aus: „Ob Daten über Kündigungsgründe, Fehlzeiten oder unbezahlte Freistellung von der Arbeit wirklich notwendig sind, ist auch angesichts der besonderen Sensibilität dieser Daten fraglich“, sagt Christoph Gusy, Professor für Öffentliches Recht an der Uni Bielefeld.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen bewertet ELENA dennoch als Entlastung für die Bürger. „Heute müssen in 60 Millionen Fällen pro Jahr Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber um schriftliche Bescheinigungen bitten, um diese dann zu den Ämtern zu tragen“, argumentiert sie. „Mit Hilfe von ELENA kann im besten Fall der Leistungsbescheid schon mit der Antragsstellung erstellt und ausgegeben werden.“
Dass für viele diese Vorteile von den Nachteilen überschattet werden, beweist die Massenklage. Die juristische Federführung hat der Berliner Anwalt Meinhard Starostik. Er ist sich sicher, dass das 2009 vom Bundestag beschlossene ELENA-Verfahrensgesetz der gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten wird, weil es seiner Ansicht nach die Privatsphäre von Arbeitnehmern verletzt.
Der 60-Jährige war bereits im Auftrag von 35.000 Menschen gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vor Gericht gezogen. Anfang März bekam er Recht.
Die Klage gegen ELENA ist gewissermaßen die Fortsetzung der Vorratsdatenbeschwerde. Denn im Urteil der Karlsruher Richter steht der Satz: „Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland.“
Dennoch ist der Erfolg der Verfassungsbeschwerde gegen ELENA alles andere als sicher. So erwartet der ARD-Rechtsexperte Karl-Dieter Möller nicht, dass der elektronische Entgeltnachweis gekippt wird. „Das Bundesverfassungsgericht wird nicht nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip entscheiden. Die Richter werden sich eher damit auseinandersetzen, welche Daten gesammelt werden dürfen und welche nicht.“ 22.000 Klagen seien für das Bundesverfassungsgericht nicht ausschlaggebend. „Schwerwiegender sind Argumente, die die Verfassungswidrigkeit nachweisen.“
Vorratsdatenspeicherung: Freibrief für den Gesetzgeber
Den Prozess gegen die Vorratsdatenspeicherung beim Bundesverfassungsgericht haben die Kläger nur formal gewonnen. Der Gesetzgeber darf die Daten trotzdem erheben lassen. Der Datenschutz wurde um über 25 Jahre zurückgeworfen.
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